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Wenn der Farbverlauf schon im Rohling steckt

Wenig Platz, aber „schön“ soll es sein

Unser Autor Wolfgang Borgmann geht hier auf den Fall einer Patientin ein, bei der schon allein wegen langer, ausgedehnter Pulpen eine minimalinvasive Präparation oberstes Gebot war. Das prothetische Ergebnis sollte mit „schön gleichmäßig-geraden und natürlich aussehenden“ Zähnen überzeugen. Bei den gegebenen geringen Platzverhältnissen eine fordernde Aufgabe.

Begutachtung der Rohbrandeinprobe auf dem Meistermodell.
Begutachtung der Rohbrandeinprobe auf dem Meistermodell.
Begutachtung der Rohbrandeinprobe auf dem Meistermodell.

Abb. 1: Ausgangssituation. Die Patientin wünscht sich gerade und größere Zähne, mit denen sie wieder gut abbeißen kann.
Abb. 1: Ausgangssituation. Die Patientin wünscht sich gerade und größere Zähne, mit denen sie wieder gut abbeißen kann.

Als sich die 45-jährige Patientin bei unserem Zahnarzt vorstellte, zeigte sie einen deutlichen Deckbiss und ihre Zähne wiesen starke Abplatzungen, Abrasionen, Ausbrüche und Attritionen auf. Das Abbeißen fiel ihr mittlerweile schwer, dies störte sie nun genauso wie braune Verfärbungen, die die Abplatzungen noch hervortreten ließen, sowie auch die dreieckige Zahnform (Abb. 1). Insbesondere wegen verlorener Bisshöhe und Dysfunktionen war eine umfängliche Neuversorgung indiziert. In der folgenden Darstellung fokussieren wir uns auf die ästhetische Zone in Region 11 bis 12 und 21 bis 22, da wir hier die größten Herausforderungen sahen.

Die Patientin wurde nicht nur vom Zahnarzt aufgeklärt, sondern erhielt auch bei uns im Labor weitere Informationen. Dies geschah bei einem Farbnahme-Termin, während dessen sie ihre Unzufriedenheit und Wünsche detailliert äußerte. Wir erleben oft, dass sich Patienten abseits des Praxisbetriebs öffnen, und wir nehmen uns Zeit für ein solches Gespräch, bei dem wir auch Beispielarbeiten vorstellen. Dies ist eine nutzbringend angelegte Zeit, die wir später im Zuge des zahntechnischen Ablaufs leicht wieder einholen. Auch in diesem Fall schuf dieses Vorgehen eine Vertrauensbasis und lieferte zudem die Grundlage für Effizienz, die sich für uns alle im Beziehungsdreieck Patientin-Zahnarzt-Zahntechniker auszahlte.

Plan für die Sanierung

Von „sanitärweißen“ Zähnen hielt die Patientin nichts. Sie wollte nicht schon wieder beim Lachen die Hand vor den Mund halten, um dann eine Künstlichkeit der Restauration zu verbergen – so wie sie es jetzt tat, um den Mangel an Ästhetik zu verstecken. Gar nicht mehr an ihre Zähne denken, sondern entspannt lächeln, lachen, kauen und abbeißen: Das wünschte sie sich. Anhand der angeschauten Beispiele kristallisierte sich heraus, dass die Patientin an lebhaft erscheinenden Zähnen interessiert war, mit unterschiedlichen Farbcharakteristiken im zervikalen, mittleren und inzisalen Drittel. Da wir gerade im zervikalen und mittleren Bereich mit geringen Platzverhältnissen konfrontiert waren und nicht aufwendig schichten konnten, schlugen wir den Einsatz von Multicolor- Zirkoniumdioxid mit kontinuierlichem Farbverlauf ohne Schichtgebung im Rohling vor (priti multidisc ZrO2 multicolor, pritidenta/Leinfelden-Echterdingen). Bei Multicolor-Versorgungen genügt nach unserer Erfahrung in der Front eine Wandstärke von 0,5 mm. Das vorfabrizierte Material ist durch isostatisches Nachpressen hochverdichtet, sodass sich grazile Ränder und Kanten ohne die Gefahr von Ausbrüchen beim Fräsvorgang herstellen lassen. Für die Inzisiven 11, 12, 21 und 22 sollten teilverblendete Kronen mit palatinal hochgezogenen Zirkoniumdioxid- Rückenschutzplatten gefertigt werden. Auf eine Vollverblendung wurde verzichtet, damit die oralen Wände in Zirkoniumdioxid belassen werden konnten und die Chipping-Gefahr umgangen war. Denn der Deckbiss würde nicht vollkommen behoben werden – Zirkoniumdioxid, gut poliert, gibt dann mehr Stabilität als eine verblendete Arbeit.

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Gerüsterstellung

Bei der virtuellen Konstruktion (Abb. 2) berücksichtigten wir, dass sich die Patientin im Approximalbereich gerade Zähne vorstellte, und formten die Gerüste entsprechend aus. Wegen des Verlustes an Bisshöhe gestalteten wir außerdem längere Zähne als in der klinischen Ausgangssituation vorgefunden, was sich die Patientin auch aus ästhetischen Gründen gewünscht hatte. Für die Farbillusion aus der Tiefe legten wir schon im Gerüst Andeutungen von Mamelons an. Beim Aussuchen des Rohlings hinsichtlich Farbe und Transluzenz entschieden wir uns innerhalb des Sieben-Ronden-Programms für T-A dark mit vierzigprozentiger Lichtdurchlässigkeit. Die Farbe „A“ orientiert sich an der Vita-Skala, es gibt auch B-, C- und D-Rohlinge. „dark“ kommt zum Zuge, wenn eine kräftige Zahnfarbe gewünscht bzw. als Grund-Farbverlauf A 3,5 bis A 4 bestimmt wurde. Einen Einfluss auf den – gedrängten oder gestreckten – Farbverlauf in der Versorgung hat die Höhe des Rohlings, die zwischen 14 und 25 mm gewählt werden kann. Der Buchstabe „T“ steht für „transluzent“, zur Unterscheidung von „HT“ für „hochtransluzent“ mit 49 % Transparenz. In den „T“- Ronden liegt mit gut 1.150 MPa eine hohe Biegefestigkeit vor, die wir für unsere Patientin mit Blick auf die manifestierten Abrasionen als Vorteil einstuften. Im Schritt danach kam dem Nesten große Bedeutung zu (Abb. 3). Hierzu braucht man keine besonders tiefgehende Erfahrung, da man zur Positionierung im Rohling durch die Softwareapplikation MPT (Multicolor Positioning Tool) unterstützt wird. Zum Herausarbeiten der Objekte aus dem Blank empfehlen sich beschichtete Fräswerkzeuge und große Durchmesser (in der Regel 2,5 mm). Der Vorschub beim Schruppvorgang wird gegenüber Standard- Zirkoniumdioxid auf 1.200 mm/min reduziert. Hierdurch verlängert sich die Schleifzeit etwas, aber nach unserer Beobachtung nur um ca. 10 %. Nach dem maschinellen Fräsakt überzeugten uns die saubere, präzise Ausführung (Abb. 4) sowie Passung der Kronenkäppchen auf dem Modell und insbesondere auch das bereits recht natürlich anmutende Ergebnis mit dunklerem Zervikalbereich und fließender Aufhellung plus Transluzenz nach inzisal.

Abb. 2: Virtuelle Konstruktion von vier Frontzahngerüsten mit leichten Andeutungen von Mamelons bereits im Gerüst.
Abb. 2: Virtuelle Konstruktion von vier Frontzahngerüsten mit leichten Andeutungen von Mamelons bereits im Gerüst.
Abb. 3: Mehrfarbige Rohlinge unterstützen den Zahntechniker. Im Falle von pritidenta ist der Farbverlauf fließend ohne Schichtgrenzen. Beispiele des Nestens in der Variante T-A dark. © pritidenta
Abb. 3: Mehrfarbige Rohlinge unterstützen den Zahntechniker. Im Falle von pritidenta ist der Farbverlauf fließend ohne Schichtgrenzen. Beispiele des Nestens in der Variante T-A dark. © pritidenta
Abb. 4: Überprüfen der Passung.
Abb. 4: Überprüfen der Passung.

Individuelle Ästhetik

Um zu noch mehr Lebhaftigkeit und Tiefenwirkung zu kommen, bestreuten wir die Gerüste mit transparenten Kristallen (Abb. 5) – ein Zwischenschritt, den wir sehr gerne einlegen. Hierbei programmieren wir den Brand ohne Haltezeit der Endtemperatur, damit die Kristalle nicht verschwimmen, sondern die Struktur erhalten bleibt. Es folgten die vestibuläre Charakterisierung mit Schichtkeramik (Abb. 6a u. b) sowie der Rohbrand und die Begutachtung, zunächst auf dem Modell, dann in situ (Abb. 7a-c). Bei der Zahnarztsitzung sahen wir, dass wir auf dem richtigen Weg waren. Dieses Urteil betraf sowohl die Funktion als auch Ästhetik. Wir stellten also im Labor die Arbeit mit weiteren Charakterisierungen und Oberflächenstrukturierungen fertig, und nach dem Glasurbrand wurden die hier besprochenen Einzelversorgungen plus die weiteren Restaurationen eingegliedert (Abb. 8a u. b). Zahnarzt und Patientin zeigten sich sehr zufrieden.

Abb. 5: Unser Tipp – gefräste Gerüste für die Inzisiven vestibulär mit hauchdünnem Kristall„puder” überziehen. Das ergibt im Ergebnis mehr Unruhe und damit Natürlichkeit des Farbspiels aus der Tiefe heraus.
Abb. 5: Unser Tipp – gefräste Gerüste für die Inzisiven vestibulär mit hauchdünnem Kristall„puder” überziehen. Das ergibt im Ergebnis mehr Unruhe und damit Natürlichkeit des Farbspiels aus der Tiefe heraus.
Abb. 6a: Beispiel für das Schichten auf dem Multicolor-Gerüst. Auf den schon fließend voreingefärbten Gerüsten erbringt die Schichtung ein harmonisch und natürlich anmutendes Bild.
Abb. 6a: Beispiel für das Schichten auf dem Multicolor-Gerüst. Auf den schon fließend voreingefärbten Gerüsten erbringt die Schichtung ein harmonisch und natürlich anmutendes Bild.
Abb. 6b: Die Gerüste sind um einiges länger als die natürlichen Stümpfe – das transluzente Zirkoniumdioxid bildet eine gute Grundlage für den später ästhetisch schimmernden Inzisalbereich.
Abb. 6b: Die Gerüste sind um einiges länger als die natürlichen Stümpfe – das transluzente Zirkoniumdioxid bildet eine gute Grundlage für den später ästhetisch schimmernden Inzisalbereich.
Abb. 7a: Begutachtung der Rohbrandeinprobe auf dem Meistermodell.
Abb. 7a: Begutachtung der Rohbrandeinprobe auf dem Meistermodell.
Abb. 7b: Von palatinal zeigt sich im unverblendeten Zirkoniumdioxid ein harmonischer Farbverlauf. Die Belassung des Gerüsts in diesem Bereich sorgt für nachhaltige Stabilität, das Chipping-Problem stellt sich nicht.
Abb. 7b: Von palatinal zeigt sich im unverblendeten Zirkoniumdioxid ein harmonischer Farbverlauf. Die Belassung des Gerüsts in diesem Bereich sorgt für nachhaltige Stabilität, das Chipping-Problem stellt sich nicht.
Abb. 7c: Begutachtung der Rohbrandeinprobe im Patientenmund.
Abb. 7c: Begutachtung der Rohbrandeinprobe im Patientenmund.
Abb. 8a: Die fertiggestellten Restaurationen unmittelbar nach der Eingliederung – Schlussbisssituation …
Abb. 8a: Die fertiggestellten Restaurationen unmittelbar nach der Eingliederung – Schlussbisssituation …
Abb. 8b: … und bei leicht geöffnetem Mund. Die Papillen haben sich im Folgenden noch erholt.
Abb. 8b: … und bei leicht geöffnetem Mund. Die Papillen haben sich im Folgenden noch erholt.

Fazit

Gerade bei geringen Platzverhältnissen – und nicht zuletzt auch bei kleinerem Patientenbudget oder Zeitmangel – bewähren sich in unserem Labor zusehends Zirkoniumdioxidrohlinge mit integriertem Farbverlauf. Wir erleben sicherere Farbreproduktionen und das Vorgehen gestaltet sich einfacher als beim manuellen Einfärben von Gerüsten. Um unterschiedlich starke Stümpfe brauchen wir uns nicht zu kümmern – denn bei größerer Rohlingsstärke ist die Farbe automatisch intensiver und die Transluzenz geringer als bei dünneren Wänden. Dieser Automatismus fällt auch positiv ins Gewicht, wenn die Patientenfälle Brückenglieder enthalten, denn er wirkt der Vergrauung entgegen. Ein anderes Plus ergibt sich für das Labor, da der Sinterofen ohne Einsatz der Tauch- oder Pinseltechnik und also ohne Austritt von Dämpfen geschont wird. Außerdem: Aufgrund des industriell eingearbeiteten Farbverlaufs macht sich der Techniker das Schichten der Verblendung leichter als bei monochromatischen Gerüsten. In unserem Fall kamen wir mit nur zwei Farben für Dentin und Schneide aus. Effizienz gibt es darüber hinaus auf Seiten des Zahnarztes: Zum Eingliedern wählt er farblich passenden (Glasionomer-) Zement, auf adhäsives Befestigen kann er verzichten.

Selbstverständlich muss sich das Labor mit den neuen Rohlingen auseinandersetzen. Fundiertes Wissen und auch Üben mit dem Material bilden die Voraussetzungen für den Erfolg der Arbeit und die ergiebige Kommunikation mit dem Zahnarzt. Die Stumpffarbe muss dieser dem Labor mitteilen und es muss klar sein, welche Härte, Helligkeit und Transluzenz das Material besitzen soll. Je mehr Kenntnis der Zahntechniker vom Fall und dem Patienten hat, desto besser ist der Erfolg vorprogrammiert … aber das gilt ja nicht nur bei Einsatz von Multicolor-Rohlingen. Ich befürworte sehr, den Patienten vor Beginn der zahnärztlichen Maßnahmen und dann später beim Charakterisierungsbrand im Labor zugegen zu haben.

In Zirkoniumdioxid mit industriell eingebautem Farbgradienten sehe ich einen weiteren Schritt nach vorn. Einerseits kommt unsere künstlerische Tätigkeit noch besser zur Geltung und es ist eine noch gesteigerte Naturnähe der Versorgung möglich. Andererseits lassen sich in „sparsameren“ Fällen ästhetisch ansprechende Ergebnisse ganz ohne Malfarben nur mit Glasurbrand erzielen. 

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