Herausnehmbare Implantatprothetik

Den Mehrwert der räumlichen Nähe offensiv vermitteln

Die Prothetikfertigung in deutschen Meisterlaboren halten

09.11.2016
aktualisiert am: 18.11.2016

Schon seit geraumer Zeit befindet sich das Zahntechnikerhandwerk in Deutschland unter einem starken Druck, nicht zuletzt, weil es zur Fertigung von Zahnersatz im Ausland gekommen ist. Unser Autor ZTM Cornel Weber hat seine eigene Meinung zur Lage – und er gibt Antworten dazu, wie man dieser Entwicklung entgegensteuern kann. Es geht ihm in erster Linie um die Schaffung einer vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Zahnarzt und Zahntechniker vor Ort.

Dass das Zahntechnikerhandwerk nicht in einem freien Markt agiert, ist jedem unternehmerisch tätigen Kollegen nur allzu gut bekannt. Auch das kollegiale Unterbieten von Leistungen durch Nichtberechnung (genau genommen ist dies ein Sich-selbst-unter-Wert-Verkaufen) oder der Einbehalt potenzieller Aufträge in einer Praxislaborfertigung soll hier nicht thematisiert werden. Vielmehr soll sich der Blick auf das Thema „Auslandszahnersatz“ richten – aus dem Grund, weil dieser vielleicht am ehesten für die gewerblichen zahntechnischen Meisterlabore in Deutschland zurückgewonnen werden kann.

Vom Allgemeinen …

Wer wüsste nicht, dass die Welt enger zusammenrückt und der Warenaustausch zwischen den Industriestaaten immer intensiver wird. Und es ist ja auch schön, dass dank des Internets alles zu jeder Zeit verfügbar ist. Den Nachteil, die Kehrseite der Medaille, sehen wir darin, dass dies zu allerhand ökonomischen Verwerfungen geführt hat. Dies ist besonders an der veränderten Geschäftslandschaft in den Städten auffällig, in denen alteingesessene Familienunternehmen plötzlich nicht mehr vorhanden sind. Denn dass sie nur als qualifizierte, kompetente Fachberatung zur Verfügung stehen und das Geschäft dann anderen, günstigeren Anbietern überlassen müssen, funktioniert (auf Dauer) eben nicht. So werden die Kunden, die billig – nicht preiswert! – einkaufen wollen, dies künftig in ganzer Konsequenz leben müssen: Sie müssen auf eben diese Fachberatung verzichten, und auch die Produktqualität darf ihnen gegebenenfalls nicht allzu viel Wert sein. Leider zeigt der Alltag, dass die Bereitschaft dazu besteht – auch, weil offenbar genug Geld vorhanden ist: für eine Neuanschaffung bei einer Fehlentscheidung aufgrund Beratungsverzicht oder – im Versagensfall – aufgrund von Ramschqualität.

… zum Speziellen

Seit Langem schon hat diese Einstellung auch die Zahnmedizin und Zahntechnik erreicht: mit einer ins Ausland verlagerten zahnmedizinischen Behandlung sowie – und dies vor allem – der zahntechnischen Prothetikfertigung im Ausland. Meistens wird beides unter dem Begriff Auslandszahnersatz subsummiert. Doch es macht schon Sinn, hier genauer hinzuschauen, da es zwischen zwei Varianten dieses Auslandszahnersatzes zu unterscheiden gilt.

Zum einen meine ich damit, dass Zahnärzte Aufträge an solche in Deutschland ansässigen zahntechnischen Labore vergeben, die eine Produktionsstätte im Ausland haben. Für diese dürfte der vergleichsweise „günstigere“ Prothetikpreis ausschlaggebend sein – beziehungsweise ist es. Diese Labore werben – neben der Nennung des Kostenvorteils – unter anderem damit, dass die in ihrem Auslandslabor gefertigte Qualität nochmals in Deutschland zahntechnikermeisterlich überprüft wird. Für mich impliziert dies, dass die zugesagte Fertigungsqualität möglicherweise doch nicht so gut ist wie behauptet, wenn sie im deutschen „Mutter“-Labor nochmals überprüft werden muss. Oder geht es nur darum, ein Pseudo-Etikett „Made in Germany“ anzubringen?

Zum anderen fährt ein Patient im Fall von Auslandszahnersatz- Variante II ins (europäische) Ausland, um sich dort komplett preisgünstig zahnmedizinisch-zahntechnisch versorgen zu lassen. Innerhalb eines dreiwöchigen Urlaubs ist da schon einiges möglich, wie beispielhaft in den Abbildungen 1 bis 4 gezeigt wird. Dass diese umfangreiche Rehabilitation letztendlich prothetisch nicht erfolgreich war, soll hier der fehlenden bzw. unzureichenden Kommunikation zwischen Patient, Zahnarzt und Zahntechniker zugeschrieben werden. Denn bei einer gewissenhaften Analyse der vorhergehenden Zahnsituation oder Zahnprothetik sowie der Modelle hätten die schädigend einwirkenden Kaukräfte des Patienten bereits in der Planungsphase der Prothetik auffallen müssen. Schade für die vergebens genutzte Urlaubszeit des Patienten in Rumänien, schade für das eingesetzte Geld.

  • Abb. 1: So könnte sie auch bei einem Inlandszahnersatz state-of-the-art aussehen: die Basis der zirkoniumdioxidteleskopgetragenen Oberkiefer- und Unterkiefer-Rehabilitation auf je sechs Implantaten.
  • Abb. 2: Nach nur zwei Jahren Tragezeit: großflächiges Abplatzen der Verblendungen an der herausnehmbarem Unter- und Oberkieferprothetik.
  • Abb. 1: So könnte sie auch bei einem Inlandszahnersatz state-of-the-art aussehen: die Basis der zirkoniumdioxidteleskopgetragenen Oberkiefer- und Unterkiefer-Rehabilitation auf je sechs Implantaten.
  • Abb. 2: Nach nur zwei Jahren Tragezeit: großflächiges Abplatzen der Verblendungen an der herausnehmbarem Unter- und Oberkieferprothetik.

  • Abb. 3: Die einwirkenden Kaukräfte haben die Restauration von inzisal/okklusal und vestibulär …
  • Abb. 4: … bis auf den basalen Gerüstanteil unrettbar zerstört.
  • Abb. 3: Die einwirkenden Kaukräfte haben die Restauration von inzisal/okklusal und vestibulär …
  • Abb. 4: … bis auf den basalen Gerüstanteil unrettbar zerstört.

Auf ein Neues

Es versteht sich, dass eine Reparatur der abgebildeten Prothetik aufgrund der unbekannten Gerüst- und Verblend werkstoffe nicht infrage kam, denn Unterlagen über die eingebrachten Materialien – wie es in Deutschland verlangt wird – gab es hierfür nicht. Und so musste der Patient alle mit der Prothetikfertigung zusammenhängenden Prozessschritte nochmals erdulden. Doch hat ihn hierbei zweierlei sehr positiv berührt: erstens das Miteinander von Zahnarzt und Zahntechniker in der Abstimmung der Fertigung seiner Zahnprothetik und zweitens – dies vor allem – die Art, wie er mit seinen Wünschen eingebunden wurde.

Existenzsicherung durch Auftragsmix

Auslandszahnersatz, um bei dieser allgemeinen Beschreibung zu bleiben, betrifft in erster Linie die „einfachen“ Restaurationen wie Kronen und Brücken. Hierbei ist die Gefahr von Passungenauigkeiten nicht allzu groß und eine Optimierung in der Zahnarztpraxis relativ schnell durchgeführt. Doch dieses „Brot- und Buttergeschäft“ fehlt den hiesigen zahntechnischen Laboren mehr und mehr – und damit Ertrag, der auch zur Querfinanzierung wesentlich aufwendigerer Restaurationen, wie z. B. für implantatgetragene Kombinationsarbeiten, verwendet werden kann bzw. verwendet werden muss. Und es sind hier nicht allein die zahntechnisch-prothetischen und eventuell mehrfachen Abstimmungs-Gespräche mit den Patienten, die nicht adäquat abgerechnet werden können.

Zahnarztkunden zurückgewinnen: eine gute Kommunikation tut Not

Um alle Formen ausländischen Zahnersatzes für uns inländische Zahntechniker zurückzugewinnen, kann es ein Weg sein, unsere „vor Ort“-Leistungen offensiv plausibel darzustellen. Dies kann beispielsweise dadurch geschehen, dass wir unsere zahntechnische Kompetenz in das Patientengespräch einbringen, oder auch, wenn es um die Farbnahme, die gemeinsame Implantatplanung oder unseren Input zur Eingliederung der Prothetik geht. Alles dies sind Arbeiten, die nur zahnarztnah und in einem guten Auftraggeber-/ Auftragnehmer- bzw. Kunden-/Lieferantenverhältnis erbracht werden können. Sie tragen auch dazu bei, dass das Zahnarztimage bei den Patienten steigt (Praxismarketingaspekt!) und die Praxisabläufe ohne jedwede Behinderung reibungslos ablaufen (Praxiskostenaspekt!). Die Vermittlung dieser Vorteile braucht im Allgemeinen allerdings Zeit und Engagement unsererseits, auch Kommunikationsfähigkeiten. Aber der Aufwand, um ein gegenseitiges Vertrauensverhältnis zu schaffen und zu zeigen, dass wir mit unserer Kompetenz einfach da sind, lohnt sich und mündet in gutes Teamwork.

Ideen: Wie kommen wir weiter?

Das in diesem Beitrag geschilderte Prothetikversagen war nur durch eine Neuanfertigung (Abb. 5-9) zu beheben, die den Patienten über sein ursprünglich gespartes Geld hinaus zusätzlich Geld gekostet hat. Doch es war für ihn auch Glück im Unglück im Spiel: Die Abutments respektive Implantate haben die unphysiologischen Belastungen schadlos überstanden. Hier war es „wie im richtigen Leben“ beim (zu) schnellen Kaufakt: Wer nur auf den Preis schaut und nicht auf den Gegenwert, wird letztendlich (mindestens) doppelt bezahlen.

  • Abb. 5: Die Neuanfertigung der Oberkiefer- und Unterkieferprothesen …
  • Abb. 6: … in der Form, wie sie sich der Patient auch ursprünglich gewünscht hatte.
  • Abb. 5: Die Neuanfertigung der Oberkiefer- und Unterkieferprothesen …
  • Abb. 6: … in der Form, wie sie sich der Patient auch ursprünglich gewünscht hatte.

  • Abb. 7: Die korrekte funktionelle Bisssituation ist nun eingearbeitet.
  • Abb. 8: Die Ober- und Unterkieferprothesen vor dem Eingliedern.
  • Abb. 7: Die korrekte funktionelle Bisssituation ist nun eingearbeitet.
  • Abb. 8: Die Ober- und Unterkieferprothesen vor dem Eingliedern.

  • Abb. 9: Die Prothetik in situ. Lachlinie und Schlussbissstellung stimmen – und die funktionellen Lateralbewegungen sind nun lege artis möglich.
  • Abb. 9: Die Prothetik in situ. Lachlinie und Schlussbissstellung stimmen – und die funktionellen Lateralbewegungen sind nun lege artis möglich.

Es wäre nun sicherlich zu einfach, aufgrund dieses Beispiels Auslandszahnersatz per se als qualitativ schlecht zu beurteilen – schließlich arbeiten im Ausland auch qualifizierte Zahnärzte und Zahntechniker – nicht nur solche, die in Deutschland studiert haben und ausgebildet wurden. Und es soll hier auch kein Wettbewerbs-„ Bashing“, kein Schlechtmachen in Bausch und Bogen, betrieben werden – denn stark ist man nur durch eigene Leistung.

Vielmehr soll, ja muss die Frage gestellt werden, warum eine Kunden-/Patientenabwanderung stattfindet, warum sich Patienten/Zahnärzte für das vermeintlich schnelle, billige Geschäft entscheiden. Hat es damit etwas zu tun, dass die angebotenen Produkte nicht stimmen … oder werden die dafür notwendigen Leistungen nicht nachvollziehbar dargestellt?

Im Kern geht es darum, dem Zahnarzt die Kenntnisse der Produktionsschritte weiterzugeben und dadurch die Zusammenarbeit in gegenseitigem Respekt zu intensivieren. Und der Patient wird ebenso involviert. Es wird Vertrauen in die zahntechnische Kompetenz geschaffen – und dann ist der Preis nur noch ein Kriterium von vielen.

Darüber hinaus sollte jedes zahntechnische Labor „Murks“ dokumentieren, dem es aus der Auslandszahnersatzfertigung begegnet. Vielleicht lässt sich damit auf einem der vielen von Zahnärzten und Zahntechnikern besuchten Kongresse im kommenden Jahr eine universitäre „neutrale“ Präsentation durchführen. Durch sie könnte vielleicht Zahnärzten, aber auch den Kostensparern in den Krankenkassen, deutlich gemacht werden, welche zweifelhafte Qualität Patienten mitunter bekommen können, und dass diese auch gesundheitsschädlich sein kann – von einer Rufschädigung ganz zu schweigen. Als gutes Beispiel kann dann plakativ ein schöner Patientenfall, der im konstruktiven Zusammenspiel Zahnarzt-Zahntechniker gelöst wurde, daneben gestellt werden.

Danksagung
Für die gute Zusammenarbeit bei der Neuanfertigung der Prothetik bedanke ich mich bei meinen Kollegen Gerhard Wohlbold und Jürgen Beijerle.

Näheres zum Autor des Fachbeitrages: ZTM Cornel Weber

Bilder soweit nicht anders deklariert: ZTM Cornel Weber


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