KFO


Digitaler Workflow im KFO-Labor mit 3D-Druck

28.08.2017

Klassische handgefertigte KFO-Set-ups waren bislang in den Dentallaboren von Wolfgang Graf die Arbeitsunterlage für kieferorthopädische Behandlungen. Der Österreicher hat sich in seinen Laboren in Wien und Unterwaltersdorf auf Kieferorthopädie und Schlafapnoe spezialisiert. Seit Frühjahr 2016 hat er seinen Workflow umgestellt, digitalisiert und den 3D-Druck eingeführt.

Mit der Integration von Software-Prozessen und automatisierter Herstellung in der Schienentechnik wappnen wir uns für Kunden, die bereits auf den Intraoralscan setzen oder davorstehen. Es mag sich als Wettbewerbsvorteil erweisen und Vertrauen bilden, wenn das Dentallabor bereits erfahren im Umgang mit Intraoralscan-Daten ist und ohne Umsetzung der konventionellen Löffel-Abformung in das Gipsmodell zurechtkommt. Besonders interessierte uns zunächst das computergestützte Designen und Fertigen für die Aligner-Therapie zur Korrektur von Zahnfehlstellungen.

Am Beginn des digitalen Workflows bei uns im Labor stand die Einarbeitung in die Bildbearbeitungs-Software OnyxCeph (Image Instruments, Chemnitz). Diese unterstützt sowohl die Diagnostik und Behandlungsplanung als auch die Patientenberatung und Archivierung. Ein entscheidender Vorteil für die Aligner-Technik: Die Setups für die Zwischenschritte der Behandlung („Steps“) müssen nicht mehr aufwendig von Hand generiert werden (Abb. 1 u. 2). Vielmehr simuliert die Software den Behandlungsverlauf in Form eines Films. Dieser lässt sich an ausgewählten Stellen anhalten, und man stellt exakt von dieser jeweiligen Situation aus ein weiteres Set-up her. Alle Zwischen-Set-ups können einfach aus der Bewegung heraus generiert werden – kein Techniker muss sich erneut hinsetzen und Modellsegmente neu aufstellen. Gerade bei längeren Behandlungen mit vielen Steps spart das viel Zeit. Gleichzeitig bleibt das Vorgehen flexibel, denn ein neuerlicher Modell- oder Abform-Scan als neue Ausgangsposition kann jederzeit eingefügt werden, um dann wieder die nächsten Set-up-Schritte zu planen.

  • Abb. 1: Ein klassisches, gesägtes und neu positioniertes Setup-Modell. © Wolfgang Graf
  • Abb. 2: Modellanalyse mit der Bildbearbeitungs-Software OnyxCeph (Image Instruments).
  • Abb. 1: Ein klassisches, gesägtes und neu positioniertes Setup-Modell. © Wolfgang Graf
  • Abb. 2: Modellanalyse mit der Bildbearbeitungs-Software OnyxCeph (Image Instruments).

Gedruckte Modelle für die KFO-Schienen

An die virtuelle Gestaltung der Steps schließt sich die jeweilige Modell-Erstellung an, als Grundlage für das Tiefziehen der KFO-Schienen, die der Patient für die Korrektur seiner Zahnstellung zu tragen hat. Für diese Umsetzung der Zwischenschritte in reale Modelle schafften wir ein passendes ökonomisches Fertigungssystem an, den 3D-Drucker Sheraeco-print 30 (Shera, Lemförde). Wir fanden dort die gewünschte Präzision, Geschwindigkeit und Materialvielfalt vor.

Das speziell für KFO-Modelle entwickelte lichtpolymerisierende Material Sheraprint-model fast erfüllte und erfüllt unsere Ansprüche, und der 3D-Drucker entlastet uns. Denn oft gibt es im Rahmen der kieferorthopädischen Behandlung neben der Ausgangssituation und dem Set-up mit dem Behandlungsziel bis zu sechs weitere Modellpaare, die hergestellt werden müssen. Mit der früheren Arbeit, diese klassisch in Gips zu fertigen, war ein Techniker stundenlang beschäftigt.

  • Abb. 3: Modelle im Drucker. © Wolfgang Graf

  • Abb. 3: Modelle im Drucker. © Wolfgang Graf
Nun können die Modelldaten aus der Planungssoftware als STL-Dateien einfach der Nesting-Software übergeben und platziert werden. Die Software zerlegt die Dateien in einzelne Schichtbilder, diese schicken wir per USB-Stick oder Netzwerkverbindung an den 3D-Drucker. Auf Knopfdruck startet das Gerät. Im Drucker sendet eine LED-Lichtquelle – ähnlich wie bei einem Beamer – ein Schwarz-Weiß-Bild über Spiegel und Linsen und belichtet am Boden der Materialwanne Bild für Bild die einzelnen Schichten der Druckobjekte. Abhängig von der Größe der Modelle, vom Bauraum und dessen Bestückung sind nach rund eineinhalb Stunden bis zu sechs Modelle gleichzeitig fertig (Abb. 3).

Der für das jeweilige Projekt zuständige Techniker reinigt anschließend die gedruckten Modelle: in der Vorreinigung als erstem Schritt werden die Modelle zunächst mit Reinigungsflüssigkeit für drei Minuten im Ultraschallbad gesäubert. Danach werden Öffnungen und Spalten in den Objekten nach Bedarf mit einer weichen Zahnbürste vorsichtig gesäubert und mit Druckluft trockengeblasen. In der Hauptreinigung als zweitem Schritt reinigt der Techniker die Objekte in frischer Reinigungsflüssigkeit erneut drei Minuten im Ultraschallbad. Spalten und Öffnungen sollten ebenfalls erneut mit Zahnbürste und Druckluft gereinigt werden, bis keine Rückstände des Druckkunststoffes mehr vorhanden sind. Danach trocknen die Modelle für 30 Minuten bei 40 °C im Ofen, um alle Reste der Reinigungsflüssigkeit zu entfernen. Die abschließende Behandlung erfolgt im Lichthärtegerät, in dem die Druckobjekte je nach Materialvorgabe zur vollständigen Aushärtung mit Xenon-Lichtblitzen bestrahlt werden.

Während der Drucker die Modelle erstellt, hat der Techniker Zeit für andere Aufgaben. Unsere Labore arbeiten infolgedessen bei gleichem Personaleinsatz produktiver (Abb. 4a u. b), gleichzeitig reduziert sich der Zeitdruck. Die frei werdenden Arbeitskapazitäten können z. B. für Fortbildung genutzt werden oder um Neukunden zu gewinnen.

  • Abb. 4a: Gedrucktes Modell und klassisches Set-up-Modell im Vergleich. © Wolfgang Graf
  • Abb. 4b: Tiefgezogene Schiene für die Aligner-Technik auf einem gedruckten Modell aus Sheraprint-model fast. © Wolfgang Graf
  • Abb. 4a: Gedrucktes Modell und klassisches Set-up-Modell im Vergleich. © Wolfgang Graf
  • Abb. 4b: Tiefgezogene Schiene für die Aligner-Technik auf einem gedruckten Modell aus Sheraprint-model fast. © Wolfgang Graf

Weitere Aufgaben für den 3D-Drucker im Labor

  • Abb. 5: Stereognosie-Formen für die Tasterkennung im Mund des Patienten aus Sheraprint-ortho plus. © Shera

  • Abb. 5: Stereognosie-Formen für die Tasterkennung im Mund des Patienten aus Sheraprint-ortho plus. © Shera
Unseren Laboren bot sich für den 3D-Druck neben der Unterstützung der Aligner-Herstellung die Möglichkeit, einen weiteren Absatzmarkt zu erschließen. Für das Unternehmen „Logopädischer Bedarf Anna Seitz“, einem Fachhandel für logopädische Therapie-Produkte, drucken wir im KFO-Labor Stereognosie-Formen für die Tasterkennung (Abb. 5). Diese nutzen Logopäden für die Therapie von Patienten mit Wahrnehmungsstörungen. Dabei ertasten und erkennen Patienten mit der Zunge im Mund unterschiedliche Formen.

Für den Druck dieser Tastkörper verwenden unsere Techniker den lichtpolymerisierenden Kunststoff Sheraprintortho plus. Das Material ist als Medizinprodukt zugelassen und eignet sich daher für diesen therapeutischen Einsatz. Auch hier spart der 3D-Druck viel Zeit gegenüber der manuellen Herstellung. Ist einmal die STL-Datei abgespeichert, lassen sich ganze Serien herstellen.

Fazit

Die Druckqualität überzeugt uns, ebenso das Verfahren selbst. Dieses ist einfach und bedeutet eine Zeitersparnis in unseren Laboren. Von großem Wert war für uns auch die Außenwirkung, die die ins Haus geholte additive Fertigung mit sich brachte. Wir waren die ersten in weitem Umkreis, die auf 3D-Druck gesetzt hatten, und das sprach sich herum. Eine Mund-zu-Mund-Propaganda gab uns einerseits die Bestätigung, den richtigen Schritt getan zu haben, und bot andererseits große Motivation, noch tiefer in die Materie einzutauchen und mit neuen Ideen weiter voranzugehen. Denn ist man einmal mit dem Druck vertraut, kann man ein wenig über den Tellerrand schauen. Es finden sich noch viele andere Betätigungsfelder, in denen der 3D-Druck eine Rolle spielt oder spielen wird. Unsere Investition hat uns den Weg Richtung Wachstum gebahnt. Als „Testkunden“ sehen wir uns nicht, der 3D-Druck ist mit Sheraprint aus den Kinderschuhen heraus.


Das Sheraprint-Verfahren

Der 3D-Drucker Sheraeco-print 30 arbeitet mit dem Digital Light Processing (DLP; Prinzip der Maskenbelichtung) und flüssigem lichtempfindlichem Kunststoff. Im Druckgerät lenken Spiegel das LED-Licht auf die Bereiche, die ausgehärtet werden sollen. Über diese Projektion verbinden sich die Moleküle zu Polymerketten genau dort – Schicht für Schicht –, bis das Druckobjekt vollständig aufgebaut ist. Als Grundlage für die zu druckende zahntechnische Arbeit dienen offene STL-Dateien, die der Anwender aus seiner systemungebundenen Scan- und Designsoftware geschaffen hat. Das Gerät lässt sich in den bestehenden digitalen Workflow integrieren.

  • Abb. 6: Materialvielfalt bei Sheraprint. © Shera

  • Abb. 6: Materialvielfalt bei Sheraprint. © Shera
Das Herzstück des Druckers Sheraeco-print 30 ist die patentierte Force Feedback Technologie (FFT). Die Software berechnet bei jeder zu polymerisierenden Schicht, mit welcher Zugkraft die Bauplattform angesteuert werden muss, und meldet sich, sobald die Bauplattform pro Schicht vollständig aus dem Bad gelöst ist – umgehend startet das Belichten der nächsten Druckschicht, und es wird keine „Wartezeit“ verschwendet. Auf diese Weise erzielt das System stets die schnellstmögliche Verarbeitung und einen präzisen Druck. Andere Drucker arbeiten meist mit gleichbleibenden Kräften, was den Arbeitsprozess langsamer macht. Im Sheraeco-print 30 hingegen werden die massiven und die dünnen Bereiche mit unterschiedlicher Abzugskraft berücksichtigt.

Das Gerät wiegt 15 kg und braucht kaum mehr Stellfläche als ein DIN A4-Briefbogen. Die Bauraumfläche im Sheraeco-print 30 beträgt 62 x 110 mm – mit Platz zum Beispiel für sechs Modelle oder bis zu 50 Kronen in einem Druckvorgang. Dieser 3D-Drucker von Shera erlaubt eine Bauhöhe von maximal 85 mm.

Zum Verfahren gehört ein breites Spektrum an Einsatzmöglichkeiten für lichtpolymerisierende 3D-Druckkunststoffe in der Zahntechnik (Abb. 6). Diese reichen von Aufbissschienen sowie Bohrschablonen in der Implantattechnik und Modellen über Provisorien bis hin zu Objekten aus ausbrennfähigen Materialien für den Guss von Kronen, Brücken oder Modellgussgerüsten. Für 3D-Druckmodelle stehen drei Materialien zur Verfügung: das schnelle Sheraprintmodel-fast für die Aligner- Therapie, das gängige Modellmaterial sowie die Highend-Variante Sheraprintmodel-plus in den Farben grey und sand. 

Näheres zum Autor des Fachbeitrages: Wolfgang Graf

Bilder soweit nicht anders deklariert: Wolfgang Graf


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