CAD/CAM – der dentale Wirtschaftsmotor - Teil 1
Als ungefähr zur Zeit der Jahrtausendwende die Digitalisierung in der Dentalbranche immer festeren Tritt fasste, sah man im zahntechnischen Bereich die Zeichen des Wandels oft als ein schwarzes Loch und weniger als Fortschritt. Wie gut ist jedoch der Ausspruch: Probleme sind da, um gelöst zu werden! Die Herausforderungen wurden von den Laboren angenommen. Hier zieht ZTM Hans-Jörg Bube Bilanz und richtet seine Gedanken auf eine zukünftige – gedeihliche – Entwicklung.
Fakt ist, dass die Digitalisierung in der Dentalwelt auf der einen Seite
- eine spürbare Personalumstrukturierung,
- eine hohe Investitionsfreudigkeit und auch Kooperationsfreudigkeit
mit sich bringt.
Die andere Seite, die oft sehr hoch bewertet wird, betrifft - die Anhebung der Qualitätsstandards,
- die Vergrößerung der Einsatzgebiete und des Servicespektrums
- sowie auch eine Verlagerung der Kostenstruktur.
Auf diese fünf Aspekte gehe ich im Folgenden näher ein. Natürlich kann jeder Zahntechniker aus eigener Erfahrung noch Weiteres ins Feld führen, die Aufzählung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Der ständige Mitspieler heißt Effizienz
Bei allem liegt ein Fokus deutlich auf der Effizienzsteigerung im Dentallabor. Hier nenne ich Beispiele.
Als Vorzeigeobjekte für eine durch CAD/CAM gesteigerte Effizienz werden häufig Knirscherschienen und Aufbissbehelfe herangezogen. Der eigentliche Zeiteinsatz liegt bei ca. 60 Minuten, was durch die konventionelle Herstellung kaum zu toppen ist. Ein zusätzlicher Vorteil bei diesem Fertigungsverfahren liegt in der erweiterten Materialauswahl. CAM-Rohlinge aus hochvernetztem medizinischem Polycarbonat sind vor allem in ihren mechanischen Eigenschaften den bisher im Labor üblichen konventionell verarbeiteten Materialien deutlich überlegen.
Das Laserschmelzverfahren wird ebenfalls wegen seiner hohen Effizienz gelobt und es birgt erhebliches Potenzial. Seine Einsatzgebiete weiten sich immer weiter aus und u. a. lassen sich nun auch Edelmetallgerüste herstellen. Selbst so genannte Modell„guss“gerüste entstehen – ohne Umweg über die ausbrennbare Wachsmodellation – direkt durch SLM (Selektives Laser Melting). Das SLM-Verfahren einschließlich vorheriger virtueller Konstruktion ermöglicht die Herstellung von komplexen Bauteilen, deren konventionelle Fertigung nur weit aufwendiger möglich ist. Das eigentliche Produzieren vollzieht sich in drei Schritten:
- Auftragen einer Metallpulver-Schicht,
- selektives Belichten durch den Laser,
- Absenken der Bauplattform um den Betrag der im Slice-Prozess definierten Schichtstärke.
Diese Schritte werden zyklisch wiederholt, bis das Bauteil vollständig gefertigt ist. Auf breiter Front hat sich dieses vielversprechende Verfahren leider noch nicht durchgesetzt. Es ist noch nicht jeder mit der mikroskopischen Homogenität des Werkstückes zufrieden. Neben der vergleichsweise rauen Oberfläche bremsen Schwierigkeiten bei dünnen Randbereichen und die Notwendigkeit von Stützstrukturen vorläufig den größeren Erfolg. Außerdem birgt das schichtweise Auftragen und Verschmelzen des Metallpulvers die Gefahr von Verzügen (dem allerdings entgegengewirkt werden kann). Insgesamt sind aber die Entwicklungen beim SLM zielweisend.
Die digitalisierte Kieferrelationsbestimmung und 3D-Aufzeichnung der individuellen Kieferbewegungen machen das Erreichen von Funktion und Einstellen der Okklusion einfacher und sicherer als unter alleiniger Heranziehung des Gesichtsbogens und Artikulators.
Alle genannten Beispiele machen gleichzeitig augenfällig: Sie stehen für die Bedeutung des Gleichgewichtes zwischen zeitgemäßer Ausstattung und der dazugehörigen User-Kompetenz. Ohne zugrunde gelegtes zahntechnisches Wissen nutzt die größte finanzielle Investition nichts.
1. Personal
Schon heute und morgen erst recht ist der Zahntechniker mit umfassendem Wissen auf drei Gebieten gefordert (Abb. 1): Zahntechnik, IT, Werkstoffkunde von CAM-Materialien. Die Basis allen Einsatzes bildet immer das meisterliche Können. Am Ende stehen nach wie vor die mikroskopische Nacharbeit, das Finish, und die Überprüfung. Leidenschaft bleibt der Antrieb.
2. Investitionsbereitschaft und Kooperationsfreudigkeit
Große Technikneugierde und in der Folge Investitionsbereitschaft und Freude (Abb. 2) bringen wir Zahntechniker meistens mit. Was sich mit spitzem Bleistift rechnet, um uns auch in Zukunft konkurrenzfähig zu halten, führe ich in Teil 2 dieses Beitrags aus. Momentan ist zu sehen: Mehr als früher legen Labore heute Kooperationsfreudigkeit an den Tag – denn neben der Fertigung auf Geräten im eigenen Labor nutzen sie die Alternative der Vergabe an Kollegen und ausgewiesene Dienstleister (Fräszentren).
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Abb. 1: Der Dentaltechnologe und Zahntechnikermeister René Sonnborn hat drei Kenntnisschwerpunkte: gründliches zahntechnisches Wissen, High-end-Fachwissen im IT-Bereich sowie Know-how zu den verschiedenen Material- und Verarbeitungseigenschaften von Fräsrohlingen wie etwa Zirkoniumdioxid, PMMA, Metallen. Damit verkörpert er den modernen Zahntechniker von heute und morgen.
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Abb. 2: Die Bestückung des Geräteraums hat sich in vielen Laboren schon verändert und die Entwicklung geht weiter. Aber: Nur was sich nüchtern rechnet, sollte angeschafft werden.
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Abb. 3a u. b: Was zeichnet ein Qualitätslabor aus: die Investition und breite Ausstattung in CAD/CAM? Nein, es ist letztlich die Passgenauigkeit der Versorgung im Patientenmund. An dieser Messlatte müssen sich alle Verfahren ausrichten, die das Labor einsetzt.
3. Qualität
Die Konkurrenzfähigkeit gegenüber Auslandszahnersatz mit Augenmerk auf dem Vorsprung durch Anhebung der Qualitätsstandards bewegt jedes Labor, das in die Zukunft investieren möchte. Dabei bleibt der Dreh- und Angelpunkt die Übertragbarkeit der Mundsituation auf das (virtuelle) Modell und der Objekte zurück in den Mund sowie das Erreichen der patientengerechten Funktion (Abb. 3a u. b). Wir Zahntechniker sind aufgerufen, neue (CAD/CAM-)Verfahren auf ihre diesbezügliche Qualität hin zu prüfen.
4. Vergrößerung der Einsatzgebiete und des Dienstleistungsangebots
Was uns Zahntechniker „rettet“ und weiterbringt, ist die Mehrwert-Vermittlung gegenüber den Zahnarztkunden vor Ort. Wir können neue zahntechnische Arbeitsgebiete aufnehmen, die die Praxis und uns voranbringen, am besten gepaart mit weiterem Service. So intensivieren wir den Kontakt zu unseren Zahnärzten, die unsere Standortnähe schätzen. Selbstverständlich wollen wir dabei durch Modernität und Qualität punkten.
Zum Beispiel bei der Herstellung von Implantatprothetik werden die Vielfalt der Möglichkeiten, die Ausweitung der Dienstleistungen und der Vorteil des weitergehenden Fortschritts gut sichtbar. Mithilfe von 3D-Planungssoftware gewinnt die Patientenversorgung an Qualität, Zahnarzt und Zahntechniker arbeiten zusammen, wie wir es uns wünschen, wir im Labor gewinnen an Effizienz.
Schauen wir, was effizientes Arbeiten angeht, auf Abutments! Bei Anschlussgeometrien ohne Rotationsschutz wie bei Brücken oder Stegen üblich ist die Qualitätsfertigung im Gießprozess bei den meisten von uns wirtschaftlich noch möglich. Aber bei Implantatversorgungen mit Rotationsschutz, wie sie im Falle nicht primär verblockter Abutments üblich sind, stellt sich die gewünschte Präzision bei konventioneller Fertigung mit Gießgerät oft als Problem dar. Selbst mit den heute in den Laboren befindlichen CAD/CAM-Tischgeräten ist, wenn es um aufwendige Basisgeometrien geht, häufig eine überzeugende Qualität nur mit einem unwirtschaftlichen Zeit- und Materialaufwand zu erreichen. Der Fortschritt bringt uns jedoch weiter: Denn eine mögliche Lösung können hier Rohlinge mit industriell vorgefertigten Anschlussgeometrien darstellen (Abb. 4a u. b). Die Präzision kann auf einfache Weise sichergestellt werden, nur der Aufbau wird situationsgerecht designt und vor Ort im Dentallabor individuell gefräst, auch auf kleiner Maschine. Die so erreichte Effizienz bringt uns zurück in die Gewinnzone. Und wir punkten bei unseren Zahnärzten mit moderner Technik und Qualität.
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Abb. 4a u. b: Das Arbeitsgebiet Implantologie hat als Vorreiter gezeigt, wie sinnvoll der Einsatz computergestützter Technik sein kann. Hier das Beispiel Abutment mit vorgefertiger Anschlussgeometrie.
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Abb. 5: Das weite Feld der Totalprothetik befindet sich in Aufbruchstimmung – CAD/CAM stellt sich neben analog.
© Wieland Dental
Daneben gewinnt aktuell die Totalprothese aus dem CAD/ CAM an Bedeutung (Abb. 5). Es wird schon daran gearbeitet, sie aus verschiedenen Materialien zu drucken. Soll das Labor den Zwischenschritt des Fräsens gehen oder lieber abwarten? Alleine die Verbindungsstellen zwischen den verschiedenen Kunststoffen bergen eine chemische Schwierigkeit: Es kann durch chemische Reaktionen mit dem Speichel zu Verfärbungen kommen. Das gilt auch für die gefräste – und nicht weniger die gedruckte – Basis an der Verbindungsstelle zu den Konfektionszähnen. Wir müssen uns also fragen, ob wir diese Schwachstelle in Kauf nehmen wollen. Eine Ausweitung der Dienstleistungen bringt die computergestützt erstellte Totale schon, denn die Software bietet ja die einfache Möglichkeit der wiederholten Ausführung. Darüber hinaus bleibt die Überlegung, ob die Zeit, was Qualität, Effizienz und Modernität angeht, reif ist.
5. Kostenstruktur
Der Wandel hin zur Digitalisierung wirkt sich nicht zuletzt auf die Kostenstruktur und die Bilanz unter dem Strich aus. Auf jeden Fall gilt bei Investitionen: Die Anschaffungskosten sollten sich nach der Afa amortisiert haben. Das heißt: Es muss ein mehr oder weniger sicherer Auftragseingang zu verbuchen sein.
Nun stellt sich die Frage, ob es für jeden Betrieb sinnvoll ist, diese Investitionen zu tätigen und das ganze Gebiet der digitalisierten Zahntechnik anzubieten. Bis wann sollte man die Leistungen outsourcen und sich auf das Wesentliche konzentrieren? Lesen Sie hierzu Teil 2 meines Beitrags.
Schlussgedanken
Eines ist bei allem abzusehen: Das Handwerk begibt sich immer mehr in die Abhängigkeit von Software und computergesteuerten Maschinen. Dies kann man als Bedrohung sehen, die es abzuwehren gilt. Dazu fällt mir jedoch nur der Spruch ein: „Entweder man geht mit der Zeit – oder man geht mit der Zeit!“ Was nichts anderes bedeutet, als den Paradigmenwechsel als Chance zu sehen.
Wenn wir zurückschauen, stellen wir fest: Neue Techniken gehören seit jeher zu unserem Beruf. Zugegeben – das „neue digitale Handwerkszeug“ unterscheidet sich deutlich vom „althergebrachten“, aber die Möglichkeiten sind revolutionär. Sie können beispielsweise zur Steigerung der Produktivität oder Qualität genutzt werden. Die Entscheidung, welche Weichenstellung vorzunehmen ist, trifft hier jeder selbst und mit der Frage sollte sich am besten auch das alt eingesessene Labor mit Pensionierungsaussicht des Geschäftsführers beschäftigen.
Zum Trost und zur Selbstvergewisserung sei betont: Ohne einen guten Handwerker werden wohl auch in naher Zukunft keine wirklich guten Zähne entstehen. Aber: Eine solide Berechnung bleibt das A und O, um welche Techniken es auch geht.
Teil 2 dieses Beitrages finden Sie unten verlinkt.