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Teil 8: Wie man außerhalb Deutschlands Zahntechniker wird

Die Zahntechniker-Ausbildung in Ungarn

Waren Sie mit dabei auf unserer tollen Reise 2018 durch europäische Länder wie Spanien, Dänemark oder England, um die jeweilige landestypische Zahntechniker-Ausbildung kennenzulernen?* Weiter geht’s in diesem Jahr und unser erstes Reiseziel ist Ungarn.

Die Kettenbrücke in Ungarns Hauptstadt Budapest überspannt die Donau, im Hintergrund der Burgpalast. hince/Pixabay.com
Die Kettenbrücke in Ungarns Hauptstadt Budapest überspannt die Donau, im Hintergrund der Burgpalast.
Die Kettenbrücke in Ungarns Hauptstadt Budapest überspannt die Donau, im Hintergrund der Burgpalast.

Erinnern Sie sich an die schönen Urlaube früher am Balaton? Das deftige, würzige Essen in den ungarischen Lokalen? Die malerischen Weinterrassen und das wunderschöne Budapest? Noch heute ist Ungarn ein beliebtes Urlaubsziel – und das nicht ohne Grund! Sehenswürdigkeiten, gutes Essen und eine unvergleichliche Idylle bietet „Magyarország“ im Überfluss. Auch die Qualität der schulischen und universitären Bildung hat in den vergangenen Jahren einen Aufschwung erlebt. Ziel der ungarischen Bildungspolitik ist es, das Niveau weiter zu erhöhen, um die Wettbewerbsfähigkeit Ungarns zu steigern und qualifizierte Arbeitskräfte im Land zu halten. Wie sieht es also für angehende Zahntechniker in Ungarn aus?

Schulbildung: Zehn Jahre sind Pflicht

Zuerst einmal müssen die jungen Ungarn ihre Schulpflicht absolvieren: Im Alter von sechs Jahren geht es für acht Jahre in die Grundschule, die „általános iskola“. Danach steht ihnen offen, je nach Interesse und Leistung, ihren weiteren Weg zu wählen. Zehn Jahre Schule sind jedoch für alle Pflicht.

Sie können das vierjährige Gymnasium, „gimnázium“, besuchen, das sie nach bestandener Prüfung zum Studium an einer Universität befähigt. Die ungarischen Schüler können sich aber auch für die vierjährige berufsbildende Sekundarschule – die „szakközépiskola“ – entscheiden. Sie umfasst allgemeine und berufsbildende Elemente mit Praxisanteil und endet mit einer Doppelqualifikation. Nach erfolgreichem Abschluss erlangen die Schüler die fachgebundene Hochschulreife ebenso wie ein Zertifikat, das zur Ausübung fachbezogener Fähigkeiten berechtigt.

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Im Anschluss an den Besuch einer berufsbildenden Sekundarschule haben die ungarischen Schüler die Option, zweijährige Fortgeschrittenen-Berufsbildungsgänge („felsöoktatási szakképzég“) zu absolvieren und dadurch eine höhere Qualifikation (z.B. eine Technikerqualifikation) zu erlangen. Diese Bildungsgänge werden seit 2013 ausschließlich von Hochschulen und Universitäten angeboten und variieren in ihrer Dauer zwischen vier und fünf Semestern. Der Besuch der Fortgeschrittenen-Berufsbildungsgänge führt zu keinem Hochschulabschluss, kann jedoch (teilweise) auf ein Bachelor- Hochschulstudium angerechnet werden. Die Schüler können sich nach der achtjährigen Grundschule aber auch für eine Berufsausbildung an einer Berufsschule, der „szakiskola“, entscheiden. Diese dauert üblicherweise drei Jahre und wird seit 2013/2014 in Anlehnung an unser deutsches Modell dual durchgeführt.

Alle beruflichen Abschlüsse sind im Nationalen Verzeichnis der Berufsabschlüsse aufgelistet – der ungarische Begriff hierfür ist „Országos Képzési Jegyzék“, kurz OKJ – aus diesem Grund ist die Bezeichnung „OKJ-Abschlüsse“ geläufig. Die Klassifikation der Qualifikation wird anhand einer achtstelligen Nummer vorgenommen. Die ersten beiden Ziffern spiegeln das Qualifikationsniveau wider.

  • An der Berufsschule können berufliche Qualifikationen erworben werden, deren Klassifikationsnummern mit den Ziffern 21, 31, 32, 33 oder 34 beginnen.
  • Berufliche Qualifikationen, welche den Erhalt der Hochschulreife oder den Abschluss der beruflichen Sekundarschule (Sekundarstufe II) voraussetzen, besitzen Klassifikationsnummern, die mit den Ziffern 51, 52, 53, 54, 55 oder 71 beginnen.

Die Zahntechniker-Ausbildung

Und was muss ein ungarischer Schüler wissen, wenn er eine Ausbildung zum „fogtechnikus“ – also zum Zahntechniker – in Angriff nehmen möchte?

Zuerst einmal ist die Grundvoraussetzung für diese Ausbildung ein erfolgreich bestandenes Abitur und ein medizinischer Eignungstest. Sind diese beiden Voraussetzungen erfüllt, kann sie auch direkt losgehen – die „fogtechnikus képszés“.

Der in Westungarn liegende Balaton (deutsch Plattensee) ist eines der wichtigsten Touristenziele des Landes. PIC1861/Pixabay.com
Der in Westungarn liegende Balaton (deutsch Plattensee) ist eines der wichtigsten Touristenziele des Landes.

In Ungarn besteht diese aus zwei Teilen: Zuerst müssen die Azubis die Ausbildung zum „fogtechnikus gyakornok“ absolvieren. „Gyakornok“ kann in etwa mit „Trainee“ übersetzt werden und beinhaltet die Vermittlung grundlegender anatomischer Kenntnisse und Basiswissen zum Fertigen von Prothesen. Die Nummerierung „54 724 01“ zeigt durch ihre ersten beiden Ziffern an, dass diese Ausbildung auf gehobenem Anforderungsniveau ist. Sie ist außerdem die Grundvoraussetzung für das Hauptprogramm, die eigentliche Ausbildung zum „fogtechnikus“ mit der OKJ-Klassifizierungsnummer „55 724 01“. Hier werden die Grundkenntnisse stark vertieft und die Azubis dazu befähigt, unter präziser Handarbeit feinste Teil- und Vollprothesen herzustellen. Sie erlernen umfassende anatomische Kenntnisse und werden außerdem im Umgang mit CAD- und CAM-Programmen geschult.

Ganz nach dem dualen Ausbildungssystem in Deutschland besteht die ungarische Zahntechnikerausbildung zu 25% aus Theorieunterricht in entsprechenden Schulen und zu 75% aus Praxisarbeit in einem Dentallabor. Wie die deutschen Zahntechniker leisten sie Präzisionsarbeit und geben ihr Bestmögliches, um den Patienten schlussendlich mit einem strahlenden Lächeln zu sehen. Jedoch teilen ungarische Zahntechniker das Leid der deutschen: sie dürfen ebenso nicht am Patienten arbeiten, sondern einzig mit der Abformung, die der Zahnarzt ihnen zukommen lässt.

Die Ausbildungsdauer variiert

Über die Dauer der jeweiligen beiden Ausbildungen in Ungarn kann keine allgemeine Aussage getroffen werden, da es hier verschiedene Optionen gibt. Ungarische Schüler haben die Möglichkeit, diese Ausbildung über eine schulische staatliche Institution zu absolvieren – hier dauert der Grundkurs in der Regel ein halbes bis ein Jahr und die eigentliche Ausbildung zum „fogtechnikus“ weitere drei Jahre. Diese Ausbildung ist kostenlos.

Jedoch gibt es sehr viele weitere nicht staatliche Institutionen, die Ausbildungsprogramme für Zahntechniker anbieten; die Dauer variiert hier stark je nach Anbieter. Viele werben damit, entweder in Abendprogrammen auszubilden, was besonders bereits Berufstätige anspricht. Ebenso gibt es etliche „High-Speed-Programme“, die in kurzer Zeit mit Intensivtraining die Azubis zum Zahntechniker ausbilden. Diese Art der Ausbildung muss jedoch aus eigener Tasche finanziert werden. Die Preisspanne ist hierbei recht groß.

Um ein Beispiel zu geben: Das „Pannon Kincstar“-Ausbildungszentrum in Budapest bietet die Grundausbildung zum „fogtechnikus gyakornok“ mit einer Dauer von 10 Monaten für umgerechnet etwa 800 Euro an. Dies beinhaltet jedoch nur den schulischen Teil, der praktische Teil kostet die Azubis noch einmal etwa 2.000 Euro. Die Prüfungskosten am Ende belaufen sich auf etwa 220 Euro. Anschließend folgt die Ausbildung zum „fogtechnikus“ am „Pannon Kincstar“-Ausbildungszentrum mit einer Dauer von 8 Monaten. Die Kosten für den schulischen Teil betragen 2.000 Euro, die für den praktischen Teil 1.000 Euro. Die Prüfungskosten sind wieder in Höhe von 220 Euro zu entrichten. Dies ist, wie bereits erwähnt, nur eines von sehr vielen Beispielen dafür, wie ungarische Ausbildungsprogramme zum Zahntechniker ablaufen können.

Der Meistertitel

Eine identische Meisterprüfung wie hierzulande gibt es in Ungarn nicht. Ein „fogtechnikus“ kann sich auch ohne den Meistertitel selbstständig machen, jedoch haben die Ungarn dennoch die Möglichkeit, „Meister“ zu werden. Die Meisterprüfungen – „mesterviszga“ –, die von der ungarischen Industrie- und Handelskammer und der ungarischen Landwirtschaftskammer organisiert werden, setzen nicht den Erwerb eines beruflichen Abschlusses, jedoch den Besuch von Meisterlehrgängen und einschlägige Berufserfahrung voraus. Bei Bestehen der Prüfung erhalten die Teilnehmer einen Meisterbrief, den „mesterlevél“.

Auch in Ungarn gibt es etliche Interessenvereinigungen, die der Handwerksbranche Unterstützung bieten. So ist als ein Beispiel das „Magyar Országos Szakmai Ipartestület“ – kurz MOSZI – zu nennen. Hier geht es um nationale professionelle Handwerkskunst. Sie bieten für verschiedene handwerkliche Berufe – Zahntechniker eingeschlossen – Fachkongresse, Weiterbildung und Ausstellungen an und stellen ein großes Informationsportal dar.

Fazit

Mit Blick auf Ungarn sehen wir ein weiteres europäisches Land, das sich ein Beispiel am dualen Ausbildungssystem nimmt und so im Wechsel von Theorie und Praxis professionelle Fachkräfte ausbildet, auch wenn sich alles in allem die Aus- und Fortbildung zum Zahntechniker und Meister in Ungarn gerade auch inhaltlich schon deutlich von der in Deutschland unterscheidet.

Nathalie Ottiger (MDZI) 

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