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Laborführung

Interview: Die Umsetzung im Labor

... weil die neue europäische Medizinprodukte-Verordnung mehr Dokumentation fordert.

Laborarbeiten.
Laborarbeiten.
Laborarbeiten.

Herr Wojcicki, informieren Sie uns zunächst über Ihr Labor.

Ich bin 1994 als Mitinhaber in das 1976 von Lothar Katnawatos gegründete Labor in Wiesbaden eingestiegen, im Januar 2016 ist die vollständige Übernahme erfolgt. Mit kontinuierlich ca. 25 Mitarbeitern – derzeit vier davon Meister – sind wir ein Vollservice-Labor mit eigenem CAD/ CAM-Schwerpunkt und Fräsanlage. Unsere Spezialitäten sind Doppelkronen mit funkenerodierten Friktionsstiften, die Materialien Valplast für Interimsprothesen und Clearsplint für Aufbissschienen (GZM-qualifiziert; „Ganzheitliche Zahnmedizin“) sowie thermoplastische Sonderkunststoffe für Allergie-Patienten. Aus unserem Labor kommen mehrere Bundes- und Landessieger im Leistungswettbewerb der Handwerksjugend.

Was waren für Sie die Hauptgründe, ein Qualitätsmanagementsystem zu installieren?

Seit dem Jahr 2002 lag bei uns ein MPG/QM-Handbuch vor. Nun wollten wir die Strukturen auf Schwachstellen bezüglich Produktqualität und Umgang mit Kunden überprüfen lassen. Gleichzeitig wollten wir mehr Transparenz für Mitarbeiter schaffen, besonders für neu eingestellte. Weitere Ziele bestanden darin, Abläufe zu verschlanken und den Materialeinsatz zu optimieren. Außerdem wollten wir nicht warten, bis ein validiertes System Pflicht wird, denn die neue europäische Medizinprodukte-Verordnung (Medical Device Regulation – MDR) kommt unaufhaltsam auf uns zu, mit mehr Produktsicherheits-, Dokumentations- und Rückverfolgungspflichten. Wir wollten nicht erst in letzter Minute reagieren, um uns dann etwas überstülpen zu lassen – nur, um am Ende etwas Vorzeigbares zu haben. Damit, dass wir schon jetzt in der Weise gut aufgestellt sind, geben wir auch ein Signal an Kunden und Patienten und zeigen ihnen, wie wichtig uns Qualität ist.

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Hatten Sie Berater an Bord?

Bei uns war es so: Ich bin Gründungsmitglied des Labornetzwerkes CompeDent. Wir haben neben vielen eigenen Projekten (Laborsoftware, Ausbildungswerkstatt, Betriebsvergleiche, Persönlichkeitsbildung, Marketingunterstützung für Zahnarztpraxen …) auch ein gemeinsames QM-System aufgebaut. Das Grundgerüst haben wir durch professionelle Berater gemeinsam mit der „Projektgruppe QM“ für alle Netzwerkmitglieder erstellen lassen. Jeder Betrieb konnte das Gerüst dann nutzen und für sich umsetzen.

Welche Fragen hatten Sie an die Berater?

Wir wollten in erster Linie wissen: Welche Ressourcen benötigen wir (Personal, Finanzen, Zeit etc.)? Was bringt es uns am Ende? Und: Wie können wir unsere Mitarbeiter mitnehmen?

Was war besonders einfach, was besonders schwierig?

Das Schwierigste war, den Mitarbeitern die Angst nehmen. Man sollte nicht auf die Idee kommen, „nebenher“ personelle Ressourcen freizustellen. Als für die Mitarbeiter klar war, dass es weitergeht, ist der Weg zur Implementierung des QM-Systems einfach gewesen und sie haben toll an einem Strang mitgezogen.

Was hat sich mit der Implementierung des QM-Systems geändert?

Wir haben jetzt eine durchgängige Struktur und mehr Ordnung im System. Jeder weiß, wo was ist. Außerdem sind wir zu einer besseren Verteilung von Verantwortlichkeiten gekommen und es gibt auch mehr Transparenz dazu, ob Aufgaben auch erfüllt wurden. Wichtig: Dies ist für alle sichtbar. Was man aber auch wissen muss, wenn man an die QM-Frage herangeht: Es gibt einen Erhaltungsaufwand, der nicht mit der Zertifizierung abgeschlossen ist. Man muss ständig „dranbleiben“. Das gilt für die Geschäftsleitung genauso – sie muss das QM von Anfang an mittragen und überprüfen.

Inwieweit hatte das QM-System Einfluss auf Ihre Abläufe?

Das Auffälligste war, dass wir unser Ziel einer schlankeren Materialverwaltung erreicht haben. Das Prinzip „First in – First out“ hat bewirkt, dass nun weniger abgelaufenes Material entsorgt werden muss. Die Chargenrückverfolgung ist problemlos … allerdings mit einem erhöhten Aufwand für die Mitarbeiter verbunden. Es gehört auch eine Lieferantenbewertung dazu – was wir vorher nicht gemacht hatten.

Die Mitarbeiter mit ins Boot zu nehmen ist ja essenziell, wie Sie es selbst erlebt und gesagt haben. Wie haben Sie das geschafft?

Ein zentraler Punkt war für mich, rechtzeitig Informationsveranstaltungen abzuhalten. Darin wurde der Nutzen erklärt und es ging darum, die Angst vor Veränderung und Arbeitsplatzverlust zu nehmen. Die Aufgaben wurden verteilt, mit dem Gedanken und nach dem Motto: Wer mitwirken kann, steht auch leichter dahinter.

Waren im Rahmen der Einführung des QM-Systems größere Investitionen in die Infrastruktur notwendig?

Es wurden zwei QM-Beauftragte aus dem Mitarbeiterkreis ernannt, und einer davon wurde für mehrere Monate von seinen anderen Aufgaben freigestellt. Das war also kostenintensiv. Außerdem mussten wir „QM-Expert“ installieren. Das ist eine Software von BSD, Freiburg. Diese Gesellschaft für Bürokommunikation, Softwareentwicklung und EDV-Dienst hat diese Software extra für CompeDent entwickelt. Weiteres kam hinzu: Wir haben eine große Magnettafel als „QM-Wand“ anfertigen lassen, darüber hinaus Sortiersysteme, Behälter für Umfüllmaterialien, abteilungsbezogene Bohrerständer und mehr angeschafft.

Wie lange hat es gedauert, das QM-System „zum Laufen zu bringen“ – vom ersten Gespräch bis zur Zertifizierung?

Na, ich würde sagen: irgendetwas zwischen einem Dreivierteljahr und einem Jahr.

Wie verlief die Prüfung?

Es war für alle sehr aufregend. Allerdings war der damalige Auditor fachfremd – das machte es etwas schwierig, da extremer Wert auf Normenerfüllung und weniger auf Nutzen gelegt wurde. Deshalb sollte man darauf achten, dass der Auditor vom Fach ist.

Hängt das Zertifikat „nur“ in Ihrem Büro, oder haben Sie es öffentlich gemacht?

Unsere Kunden wurden informiert. Dass wir ISO-zertifiziert sind, findet sich außerdem auf allen Geschäftspapieren, und die Info hängt im Labor im öffentlichen Bereich aus. Auf unserer Homepage kommunizieren wir dies unter dem Menüpunkt „Über uns“.

Haben Sie jetzt ein Regal mehr in Ihrem Büro stehen, ein QM-Regal, das es zu pflegen gilt? Beziehungsweise einen eigenen Ordner im PC?

Ja!! Ein ganzer Schrank ist voll mit Ordnern für die Mitarbeiter (Verfahrensanweisungen, Handbücher, Sicherheitsdatenblätter …), und es besteht eine gigantische elektronische Datensammlung.

Wie war die Resonanz bei Ihren Zahnärzten?

Nun, da kamen schon Fragen wie: „Wofür ist das gut?“, „Lohnt denn der Aufwand?“ – Und es war etwas Angst zu spüren, dass es sie auch bald treffen werde.

Was empfehlen Sie aus heutiger Sicht unseren Lesern?

Schwarzes Brett.
Schwarzes Brett.

Vorausschicken will ich, dass man sich die Implementierung genau überlegen sollte. Wenn das Rad erst einmal rollt, kommt man nicht mehr so ohne Weiteres davon weg, was ein schlechtes Signal für Kunden und Mitarbeiter wäre. Deshalb sollte man zuerst auch herausfinden, was man möchte: die DIN EN ISO 9001, die DIN EN ISO 13485 oder z. B. QS-Dental.

Ich betone: Sodann ist die Auswahl der richtigen Zertifizierungsgesellschaft mit Fachauditoren essenziell. Deshalb haben wir die letzte Rezertifizierung mit mdc – medical device certification – aus Stuttgart gemacht und waren mit dem Auditor auch sehr zufrieden. Vorher wurden wir über viele Jahre gut von der DEKRA betreut und zertifiziert. Hierzu kann ich allerdings sagen, dass ganz andere Kosten entstehen. Man sollte sich folglich vor der Auswahl der zertifizierenden Stelle erkundigen.

Was ich aus meiner Sicht nur zur Nachahmung empfehlen kann: Als Mitglieder im CompeDent-Netzwerk haben wir heute eine QM-Fachfrau, die unseren Betrieben bei Bedarf zur Seite steht. Sie führt auch interne Überprüfungsaudits durch. Einmal im Jahr treffen sich alle QM-Beauftragten der Betriebe zum gemeinsamen Ideenaustausch sowie der Weiterentwicklung des Systems.

Bevor man Schritt A geht, sprich die Implementierung, muss man bei allem auch an die Folgen denken. Im Schritt B sind die hohen Unterhaltskosten nicht zu vernachlässigen.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Wojcicki!

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