Urlaub verfällt bei langer Arbeitsunfähigkeit
In einem aktuellen Urteil hat das Landesarbeitsgericht Stuttgart entschieden, dass bei durchgehender Arbeitsunfähigkeit spätestens 15 Monate nach Ende des jeweiligen Urlaubsjahres die Urlaubsansprüche des Arbeitnehmers verfallen. Diese sind daher bei einer späteren Beendigung des Arbeitsverhältnisses auch nicht abzugelten (LArbG Baden-Württemberg, Urteil vom 21.12.2011, Az. 10 Sa 19/11).
Der Klage lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Arbeitnehmer war bis zum 31.11.2010 beim Arbeitgeber angestellt, jedoch von 2006 bis zu seinem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis arbeitsunfähig erkrankt. Mit der Klage macht er die Abgeltung von Urlaubsansprüchen der Jahre 2007 bis 2009 geltend. Diese Abgeltungsansprüche sind ihm zwar für das Jahr 2009 zugesprochen worden, für die Jahre 2007 und 2008 dagegen nicht, da die Urlaubsansprüche aus diesen Jahren zum Zeitpunkt des Ausscheidens bereits verfallen waren. Der Urlaubsanspruch geht gemäß § 7 Abs. 3 BUrlG am Ende des ersten Quartals des Folgejahres unter. Als Folge einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (Urt. v. 20.01.2009 – C-350/06) hat das Bundesarbeitsgericht im Wege der unionsrechtskonformen Rechtsfortbildung mit Urteil vom 24.03.2009 (9 AZR 983/07) entschieden, dass gesetzliche Urlaubsabgeltungsansprüche nicht erlöschen, wenn Arbeitnehmer bis zum Ende des Urlaubsjahres und/oder des Übertragungszeitraums erkrankt und deswegen arbeitsunfähig sind.
Nach einer weiteren Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom 22.11.2011 (C-214/10) ist aber eine Ansammlung von Urlaubsansprüchen über mehrere Jahre nicht geboten und eine nationale Regelung mit einer Begrenzung des Übertragungszeitraums von 15 Monaten unionsrechtlich nicht zu beanstanden. Eine solche Ansammlung entspricht nämlich nicht mehr dem doppelten Zweck des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub. Dieser besteht darin, es dem Arbeitnehmer zu ermöglichen, sich zum einen von der Ausübung der ihm nach seinem Arbeitsvertrag obliegenden Aufgaben zu erholen und zum anderen über einen Zeitraum für Entspannung und Freizeit zu verfügen. Der Anspruch eines während mehrerer Bezugszeiträume in Folge arbeitsunfähigen Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub kann diesen Zwecksbestimmungen nur insoweit entsprechen, als der Übertrag eine gewisse zeitliche Grenze nicht überschreitet. Über eine solche Grenze hinaus fehlt dem Jahresurlaub nämlich seine positive Wirkung für den Arbeitnehmer als Erholungszeit, erhalten bleibt ihm lediglich seine Eigenschaft als Zeitraum für Entspannung und Freizeit.
Eine Abweichung der deutschen Gerichte von der durch den nationalen Gesetzgeber geschaffenen Befristungsregelung in § 7 Abs. 3 BUrlG im Wege der unionsrechtlichen Rechtsfortbildung ist nur möglich, soweit das Unionsrecht dies erfordert, was wie dargelegt hier nicht der Fall ist. Urlaubsansprüche gehen daher bei durchgehender Arbeitsunfähigkeit spätestens 15 Monate nach Ende des Urlaubsjahres unter und sind somit bei einer späteren Beendigung des Arbeitsverhältnisses auch nicht abzugelten.