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Zahntechnikerschaft

Zahntechnik: Was hat sich getan in den letzten 25 Jahren?

ZTM Matthias Schenk blickt zurück und lässt für uns – stets mit einem Augenzwinkern und so mancher Anekdote – die letzten 25 Jahre im Kontext der Zahntechnik Revue passieren. Was war gut, was fraglich und was vielleicht ganz und gar überflüssig? Wer weiß, vielleicht erkennen Sie sich in Teilen seiner Beitragsreihe wieder.

. Matthias Schenk
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1989 begann ich mit meiner Ausbildung zum Zahntechniker. Allerdings lernt man nie aus und ich wollte ohnehin immer besser werden. Das ist auch heute noch so.

Damals fotografierte ich meine Arbeiten auf dem Modell – Patienten bekam ich als Stift ja nicht zu Gesicht“. Ich war ein stolzer junger Zahntechniker. Mit meiner Prüfungsarbeit wurde ich sogar Bundessieger.

Es folgte die Meisterschule München. Friktion durch Bohren nach Pfannenstiel, hieß das Credo. Während der Weihnachtsferien baute ich mir erst einmal einen Werkzeugkoffer, der genau in den Spind im Keller der Schule passte und bündig neben dem Arbeitstisch seinen Platz fand.

Schließlich wollte ich die Schulzeit nicht nur mit Ein- und Ausräumen meines Arbeitsplatzes verbringen. Im Grunde besuchte ich die Schule nur, um zu erfahren, was die Prüfungskommission von mir erwarten würde. Allerdings schien dies eine Information zu sein, die unter höchster Geheimhaltungsstufe stand. Denn, so die Erklärung, es wäre ja zu einfach, wenn wir bereits wüssten, was man von uns erwarten würde.

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Leider habe ich das pädagogisch Wertvolle dieses Prinzips bis heute nicht verstanden. Verstehen konnte ich außerdem nicht, warum so ein großer Wert auf die Feinmechanik gelegt wurde. Daher schraubte ich statt nur einer Schraube gleich 13 in eine Kaufläche – „eine echte Unverschämtheit“.

Viel sinnvoller hätte ich es gefunden, wäre es um Funktion und Ästhetik gegangen. Aber Funktion muss man beherrschen und über Geschmack kann man streiten. Also wurden Einzelfaktoren kontrolliert und auf einem Formular abgehakt. Danach: Prüfung gut und tschüss! Ab nach Afrika.

Arbeit am Patienten

In Afrika fertigte ich „nur“ Prothesen aus Kunststoff – und das war wirklich super! Direkt am Patienten konnte ich das APF-System nebst Gerber-Aufstellung testen und selbst sehen, wo die Vor- bzw. Nachteile der verschiedenen Theorien liegen. Ich durfte zahntechnische Grundlagen erleben und so noch besser verstehen: wie etwa die Auswirkungen des muskulären Gleichgewichtes, wie sie uns der „Alte Lehmann“ an der Meisterschule näherbrachte.

Die kannte ich in der Praxis gar nicht, denn auf meinem Gipsmodell waren sie nicht existent. Aber sie sind wichtig, sogar sehr.

Und der Gesichtsbogen? Meines Erachtens wird er immer nur dann verwendet, wenn er als Abrechnungsposition bei Privatpatienten herangezogen werden kann. Es stellt sich mir auch in diesem Zusammenhang oft die Frage, weshalb sich eigentlich der Linefinder von Jan Langner nicht durchgesetzt hat – denn der liefert auch noch wesentliche Informationen.

Abb. 1: Manchmal half nur noch beten und Ultracain. Matthias Schenk
Abb. 1: Manchmal half nur noch beten und Ultracain.

All das durfte ich in Afrika selbst am Patienten erfahren (Abb. 1 und 2). Denn im praktischen Mund ist vieles anders als im theoretischen Gebiss. Wenn man einmal selbst schauen darf, sich mit Hingabe dahinterklemmt und angesichts des Patienten dessen „Zähne“ herstellt, sieht das „Kunststoffzeug“ sogar oft besser aus als eine hochgelobte implantatgetragene Keramikarbeit, bei der der Techniker den Patienten nie zu Gesicht bekommt (Abb. 3).

Abb. 2: Alles relativ: Dieser Patient war mit seiner alten Prothese auch glücklich. Matthias Schenk
Abb. 2: Alles relativ: Dieser Patient war mit seiner alten Prothese auch glücklich.
Abb. 3: Zahn 11 wurde mit einer Interimsprothese ersetzt. An Stelle von 13 stand 53. Matthias Schenk
Abb. 3: Zahn 11 wurde mit einer Interimsprothese ersetzt. An Stelle von 13 stand 53.

So wird es in der 3. Welt gemacht. Selbstverständlich würde ein solcher Zeitaufwand in einer florierenden Zahnarztpraxis in Deutschland den ganzen Ablauf durcheinanderbringen. Außerdem: Wo kämen wir denn da hin, wenn der, der die Arbeit herstellt, selbst mal schauen darf, was er eigentlich machen soll? Ich hoffe, Sie verzeihen mir die Ironie.

Millennium

Nach einem Jahr Arbeitsurlaub kehrte ich schließlich zurück in den kalten deutschen Winter. Der Millenniumswechsel näherte sich. Das Internet war plötzlich überall und Windows 98 brachte die legendäre Meldung: „Sie haben den schweren Ausnahmefehler.“

Schon damals fragte ich mich, weshalb die Spezialisten diesen Fehler, der ja offensichtlich bekannt war, nicht beseitigten. Wir würden doch auch nicht eine fehlerhafte Arbeit zum Zahnarzt bringen und einen Zettel hineinlegen: „Passt leider nicht, wissen wir schon.“ Außerdem klingt mir noch ein Slogan dieser Zeit im Ohr, der einen umfassenden gesellschaftlichen Paradigmenwechsel widerspiegelte – und zwar: „Geiz ist geil!“.

Es prägte sich eine BWL-lastige Gesellschaft aus, in der gefeilscht wurde wie auf dem Eiermarkt in Bagdad. Denn wer zu viel bezahlte, war dumm, wenn nicht gar blöde, wie es in der einschlägigen Werbung damals hieß. Das Kaufverhalten änderte sich, jeder wollte nur noch das Billigste.

Zwei Drittel unserer Kollegen verschwanden aus ihrem geliebten Zahntechnikerberuf. Sie haben es nicht bereut, sind aber im Herzen immer Zahntechniker geblieben. Goodbye Großraumlabor – ab ins Ausland. Zurück blieben die kleinen flexiblen Labore, dank enorm hoher Leistungsbereitschaft.

Globalisierung und Festzuschuss-System

Und dann war da noch die Globalisierung. Sie „erfreut“ heute nicht nur unsere Branche, hat aber zum Glück noch nicht zu 100% durchgeschlagen. Vielleicht hilft uns die Digitalisierung, dies auch noch zu vollenden.

Ich meine damit die Digitalisierung als Krönung der Bürokratie. Denn warum müssen wir z.B. Rechnungen in XML-Format digital übermitteln? Wen hat das neue MDR aufwandtechnisch entlastet?

Und wer profitierte von der Einführung des Festzuschuss-Systems? Diese Frage, darf jeder für sich selbst beantworten. Die Transparenz dessen, wer, was, wo, wie fertigt und wie es abgerechnet wird, nahm jedenfalls rapide ab – Tür und Tor für den Auslandszahnersatz öffneten sich.

Zuletzt sei noch CAD/CAM erwähnt. Denn das ist es ja wohl, was uns die letzten 25 Jahre so wirklich in der Zahntechnik beschäftigt hat. Wie waren sie, die langen Nächte vor dem rauschenden Bunsenbrenner? Heute sitzen wir vor dem Rechner, dessen Lüfter hochtönig pfeift und bläst.

Wir kämpfen mit Softwareproblemen, nur um etwas zu gestalten, was teils analog in Sekunden zu bewerkstelligen wäre. Mir fällt da als Beispiel ein Abutment ein: Der Rohling hätte es zugelassen, den Rand tief und breit zu gestalten, es wäre ein ideales Austrittsprofil geworden, wenn die Software es zugelassen hätte.

Wann das Update kommt? Wir wissen es nicht. Oft sind es aber auch die ganz banalen Dinge, wie Dokumente, die sich einfach nicht ausdrucken lassen wollen, oder Curser, die einfach verschwinden.

Ja, daran merke ich, dass ich alt werde. Hat es mir doch mit 23 Jahren auch Spaß gemacht, Teleskope aus Titan zu gießen. Ich habe es geschafft – mit Friktion.

Wäre doch gelacht, wenn ich die Maus nicht bezwingen könnte. Ja, die Zeiten ändern sich, die essenziellen Probleme bleiben die gleichen. Damals wie heute besteht ein großes Manko im Zwischenmenschlichen: der Kommunikation und Teamarbeit.

Beides sollte sich im Zusammenspiel zwischen Praxis und Labor verbessern. Das war vor 25 Jahren so und ist es bis heute – finden Sie nicht auch?

In diesem Sinne bis zum nächsten Mal
Ihr Matthias Schenk

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