Digitale Technologien haben sich in Teilbereichen der Kieferorthopädie schnell etabliert. Dazu zählen die Zusammenführung von Röntgenbildern und Modellscan-Daten sowie die anschließende Vermessung mithilfe von Orientierungspunkten. Diese werden per Mausklick gesetzt, Strecken und Winkel automatisch errechnet. Das alles erleichtert nicht zuletzt das gemeinsame Backward-Planning im zahnärztlich- zahntechnischen KFO-Team.
Digitalisierung: Backward-Planning im Team, flexible Fertigung
Bei klassischem Vorgehen stellt man aus einer Abformung mit Elastomer Gipsmodelle her und artikuliert sie ein, um die Lagebeziehung der beiden Kiefer zueinander zu bestimmen. Die Alternative besteht in einem Intraoralscan sowie einer Fallplanung unter Heranziehung virtueller Setups und einer rein digitalen Archivierung – bis hin zum gänzlichen Verzicht auf physische Studienmodelle (Abb. 1–5).
Idealerweise ist der Zahntechniker bereits in der Planungsphase beteiligt. Er kann dann zum Beispiel, nach Übermittlung der digitalen Daten, die Erstellung des virtuellen Setups und die Festlegung der Bracketpositionen als Dienstleistung des Labors erbringen. Später wird er die kieferorthopädischen Apparaturen herstellen. Dabei hat er alle Möglichkeiten: Zum Beispiel lassen sich die Apparaturen am Bildschirm planen, in Wachs fräsen oder drucken und die so erhaltenen Objekte als Gießgerüste verwenden. Alternativ dazu wird die virtuell erarbeitete Form der Apparatur direkt als Datensatz in die CAM-Fertigung gegeben. Durch zerspanende Verarbeitung ist dabei heute auch der Werkstoff Titan zugänglich; grundsätzlich steht dafür auch der Guss unter Schutzgasatmosphäre zur Verfügung.
Für die Fertigstellung inklusive der finalen Aufpassarbeiten wird der Zahntechniker allerdings auf dem Stand der Technik in der Regel nach wie vor ein physisches Modell benötigen. Auch wird er, außer den Apparaturen selbst, natürlich auch das Übertragungstray „real“ herstellen, üblicherweise im Druckverfahren.
In der Pipeline: Optimierung beim Druck von Alignern
Weitere Fortschritte werden für die Zukunft bei Alignern und Positionierern erwartet, denn der Druck von Silikonen im Allgemeinen und im Speziellen von dünnen und dennoch zuverlässig stabilen Alignern stellt nach wie vor eine Herausforderung dar. Mit hoher Sicherheit gelingt dagegen die Herstellung konventioneller herausnehmbarer Apparaturen auf gedruckten Modellen. Die Passgenauigkeit der dabei verwendeten Streukunststoffe ist, nach Erfahrungen von Anwendern [1], sogar größer als bei Verwendung von Gipsmodellen.
Zusammenfassend lässt sich festhalten: Digitale Verfahren erlauben es aktuell, den Service eines Labors im Bereich „Kieferorthopädie“ und die Zusammenarbeit im zahnärztlich- zahntechnischen Team auf ein ganz anderes Niveau zu heben (Abb. 6). Die Praxis hat die Möglichkeit, sehr flexibel bei einer ganzen Reihe von Arbeitsschritten die Unterstützung durch das Labor in Anspruch zu nehmen (z.B. Erarbeitung virtueller Setups, digitale Archivierung von Kieferscans, Modellen und auch von Apparaturen). Dabei heißt digital nicht automatisch „volldigital“, sondern es geht eher um eine teildigitale Vorgehensweise – dazu ein Beispiel: Der Guss mit edelfreien Legierungen ist ein übliches Verfahren und kann im Zusammenspiel mit einem vorhergehenden Digitaldruck der Form in Wachs eine gute Option sein. Die Alternative des Fräsens „direkt aus der Software heraus“ produziert naturgemäß mehr Materialausschuss, reduziert aber auch die manuelle Nacharbeit. Hier ist der Zahntechniker frei, den besten Weg je nach dem Einzelfall zu wählen (Abb. 7 u. 8).
Spezielle Chancen: komplexe Apparatur, internationaler Service
Zuweilen machen digitale Verfahren sogar kieferorthopädische Geräte zugänglich, die sich konventionell nicht oder mit geringerer Präzision oder mit deutlich höherem Aufwand hätten fertigen lassen. Dies betrifft vor allem komplexe Apparaturen. Wer hat sich in solchen Fällen nicht schon einmal die Frage gestellt: Wie soll ich diesen Teilbogen eigentlich sinnvoll biegen, wenn durch eine Vielzahl von Schrauben schlicht kein Platz dafür vorhanden ist? Oder: Wie soll ich in diesem unzugänglichen Winkel meiner Apparatur den optimalen Schweißpunkt überhaupt sicher treffen, wo ich doch mit dem Schweißgerät gar nicht nahe genug herankomme? Die Herstellung der kompletten Apparatur im Laserschweißverfahren kann einen Ausweg darstellen und dabei die gesamte Therapie schneller und sicherer machen.
Eine weitere große Chance für das Labor stellt der Riesenmarkt dar, der sich international erschließt: keine Zeitverzögerungen durch mehrfachen Postversand von Zwischenstufen, kieferorthopädische Planung in Echtzeit über dentale Internetplattformen oder per E-Mail. Die Beschleunigung des Prozesses macht auch Praxen in weiter Entfernung zu möglichen Kunden, auf jeden Fall immer dann, wenn sich das eigene Labor mit einer speziellen Dienstleistung differenzieren kann.
Roboter am Start
Eine Erweiterung des Leistungsspektrums eines Labors stellen zukünftig womöglich spezielle Roboter dar, sobald sie können, wofür heute noch kaum eine digitale Option zur Verfügung steht: das Biegen von Bögen oder Teilbögen zum Beispiel oder das Zusammensetzen herausnehmbarer Geräte aus Einzelkomponenten (z.B. Dehnplatten, Aktivatoren). Der Aufgabenkreis des Zahntechnikers erstreckte sich dann auch auf das Beherrschen eines Roboters mit beweglichem Arm, Greifer und Sechs-Achs-Kraft-Momenten-Sensoren.
Die Chancen digitaler Technologien für Labordienstleistungen generell und im Besonderen für die Kieferorthopädie zeigt in einzigartiger Fülle die Internationale Dental- Schau, 12. bis 16. März 2019, in Köln (Abb. 9 u. 10).
Literatur:
[1] Hostettler, Jonas und Jürg; Meier, Heinz und Nicole: Erfahrungsbericht zur Digitalisierung in der Kieferorthopädie. Quintessenz Zahntechnik 2017;43(10):1359-1363.
Bildquellen sofern nicht anders deklariert: Unternehmen, Quelle oder Autor/-in des Artikels
Keine Kommentare.