Festsitzende Implantatprothetik

Harmonie und Ästhetik

„Aesthetic-Check“: Die Analyse der Ist-Situation


Eine prothetische Restauration sollte sich harmonisch in das orofaziale Gesamtbild einfügen. Um dies zu erreichen, müssen funktionelle, ästhetische, anatomische sowie werkstoffkundliche Aspekte bereits während der Planung berücksichtigt werden. Eine Forderung, die in manchen Fällen in ein Spannungsfeld münden kann. Mit einer entsprechenden Vorarbeit und einer guten Abstimmung zwischen Zahnmediziner, Zahntechniker und Patient sind aber in den meisten Fällen positive Resultate zu erwarten. Die Autorin beschreibt, wie es mit einem digitalen Planungstool („Aesthetic Check“) und CAD/CAM-gefertigten Test-Veneers („Testeneers“) gelingen kann, ein realistisches Ziel zu visualisieren. Im Mittelpunkt stehen in diesem Beitrag die ästhetischen Aspekte.

Mausklicks, Shortcut, Drag and Drop ... Häufig wird das Gefühl suggeriert, dass mit der computergestützten Herstellung von Zahnersatz alles möglich wird; zahntechnische Kompetenz ist aufgrund der digitalen Möglichkeiten quasi nicht mehr notwendig. Aber ist das wirklich so? Ohne Frage: Die CAD/CAM-gestützte Fertigung ist trotz anfänglich kritischer Diskussionen im Laboralltag etabliert. Für Zahntechniker haben sich dadurch neue Bereiche eröffnet. Die Zusammenarbeit zwischen Zahnarzt und Zahntechniker hat sich gewandelt, was der Entwicklung unseres Berufsstandes zugutekommt und dem Wohle des Patienten dient. Ein Beispiel ist die Planung einer prothetisch-restaurativen Therapie beziehungsweise die Analyse der Ist-Situation. Mit digitalen Tools ergeben sich vereinfachte Ansätze, die im konventionellen Ablauf zwar möglich sind – zum Beispiel die Fertigung eines Mock-ups zur Visualisierung des geplanten Ergebnisses –, aber letztlich scheitert es oft an der aufwendigen Umsetzung respektive dem Kosten-Nutzen-Verhältnis einer solchen „Vor“-Arbeit. Dieser Artikel beschreibt einen innovativen Weg: Die digitale Analyse der Ist-Situation mit der in unserem Labor entwickelten App „Aesthetic Check“ und die Visualisierung des anzustrebenden Ergebnisses mit CAD/CAM-gestützt gefertigten Test-Veneers aus einem Hochleistungspolymer (Testeneers). Die Idee dahinter ist, dem Patienten die Möglichkeit einer ästhetischen Verbesserung im Frontzahnbereich zu figurieren.

Ist Schönheit messbar?

Den abstrakten Begriff der „Schönheit“ haben Künstler und Philosophen bereits vor Jahrhunderten und sogar Jahrtausenden reflektiert. Es wurde versucht, Regeln dafür (etwa in Form von idealen Proportionen) aufzustellen; beispielhaft seien Leonardo da Vinci (1452 – 1519) und Albrecht Dürer (1471 – 1528) genannt. Entgegen der allgemeinen Floskel „Schönheit kommt von innen“ wurde versucht, Schönheit an äußeren Proportionen und Formen festzumachen. Doch folgt Schönheit ausschließlich objektiven Kriterien? In einer interessanten Studie des Wissenschaftlers John Cleese sollte diese Frage beantwortet werden. 15 Fotos von verschiedenen Gesichtern wurden zusammengestellt [Bates & Cleese 2001: Gesichter. Egmont Vgs Verlagsgesellschaft, 2001] und von Betrachtern unterschiedlicher Nationalitäten nach dem Grad ihrer Schönheit und Attraktivität geordnet. Vorrangiges Ziel der Studie war, das scheinbar subjektive Schönheitsempfinden des einzelnen Menschen auf objektive Parameter zu untersuchen. Das Ergebnis: Erstaunlicherweise wählten knapp neunzig Prozent der „Versuchspersonen“ dieselbe Bild-Reihenfolge. Demnach wurden dieselben Gesichter von der Mehrzahl der Personen als „schön“ bewertet. Das scheinbar subjektive Schönheitsempfinden muss also eine objektive Grundlage haben. Computergestützte Vermessungen ergaben, dass vor allem die Gesichter einheitlich als schön empfunden wurden, die einen hohen Grad an „Ordnung“, „Proportionalität“ und „Symmetrie“ aufwiesen.

Die als ideal bezeichneten, fazialen Proportionen können auch auf die Zahnmedizin übertragen werden. Detaillierter auf die grundlegenden Parameter einzugehen oder gar philosophische Betrachtungen über die Schönheit einzubringen, sprengt den Rahmen dieses Artikels. Diese kleine Einleitung soll lediglich zeigen, wie vielschichtig das Thema ist und wie sinnvoll Tools wie die nachfolgend beschriebene App sein können, um Begriffe wie „Ästhetik“ beziehungsweise „schöne Zähne“ für den Patienten greifbar werden zu lassen.

Der Aesthetic Check – „Made in Berlin“

  • Abb. 1: Der „Molecule Man“ in Berlin. Der Bildhauer J. Borofsky: „Die Skulptur soll daran erinnern (…), dass sowohl der Mensch als auch die Moleküle in einer Welt der Wahrscheinlichkeit existieren und es das Ziel aller kreativen und geistigen Traditionen ist, Ganzheit und Einheit (...) zu finden.“ Übertragen auf die Aussage des Artikels: Der einzelne Zahn ist Teil eines Ganzen und sollte sich harmonisch in das orofaziale Umfeld einfügen. Bildnachweis: lexan shutterstock

  • Abb. 1: Der „Molecule Man“ in Berlin. Der Bildhauer J. Borofsky: „Die Skulptur soll daran erinnern (…), dass sowohl der Mensch als auch die Moleküle in einer Welt der Wahrscheinlichkeit existieren und es das Ziel aller kreativen und geistigen Traditionen ist, Ganzheit und Einheit (...) zu finden.“ Übertragen auf die Aussage des Artikels: Der einzelne Zahn ist Teil eines Ganzen und sollte sich harmonisch in das orofaziale Umfeld einfügen. Bildnachweis: lexan shutterstock
Dank zahlreicher Studien und vielfältiger Literatur zur Erhebung ästhetischer Parameter kann sich jeder Zahnmediziner und Zahntechniker umfassend mit dem Thema auseinandersetzen und einen Weg für sich finden. Ob eine Planung konventionell über das diagnostische Wax-up oder digital über eine Software erfolgt, ist nicht entscheidend. Hauptsache, es liegt ein Konzept zugrunde. Ziel ist, dass der einzelne Zahn Teil des Ganzen wird und sich harmonisch in das Gesicht einfügt (Abb. 1).

Objektive Parameter wie Symmetrie, Form, Stellung, Farbe oder Oberflächentextur bestimmen das ästhetische Bild der Zähne im fazialen Umfeld maßgeblich. Ein weiteres Kriterium ist der Patient selbst, also dessen individuelle und subjektive Vorstellung. Hierbei spielt die „Psychologie“ eine große Rolle. Der gestiegene ästhetische Anspruch zeigt, dass „Schönheit“ im sozialen Alltag enorm an Relevanz gewinnt. Das Gesicht trägt in hohem Maße zur Attraktivität bei; insbesondere der Mund mit all seiner Komplexität. Die Erwartungshaltung der Patienten ist gestiegen und damit auch die Verantwortung des Behandlungsteams. Die Patienten wünschen sich vom Zahnmediziner, dass er ihnen ein „schönes“ Lächeln wiedergibt. Nicht selten nehmen sie hierfür einen finanziellen Aufwand, ähnlich dem für einen kleinen Neuwagen oder für einen Traumurlaub, in Kauf. Daher ist es gut nachzuvollziehen, dass es schwerfällt, eine solche Therapie-Entscheidung einzig anhand von Aufklärungsgesprächen und Schaumodellen zu fällen. Wir können dem Patienten im Vorfeld mehr bieten. Hierfür arbeiten wir mit einer App (Aesthetic Check), die für uns ein ideales Kommunikationsmittel, eine Art Übersetzungshilfe, geworden ist.

Gemeinsam mit Zahnärzten wurde der Aesthetic Check sukzessive erarbeitet. Der Anwender navigiert sich anhand von zehn frei wählbaren Punkten durch das Programm. Bei der Beurteilung der Ästhetikparameter sollte bedacht werden, dass es keine dogmatischen Grundsätze gibt. Die bekannten ästhetischen Parameter folgen zwar Regeln, aber letztlich ist die Harmonie im orofazialen Umfeld ausschlaggebend.

Die Fotodokumentation

Voraussetzung für die Analyse der Ist-Situation ist ein Fotostatus. Mit dem iPad oder einem anderen Tablet-Computer (alternativ mit einer digitalen Spiegelreflexkamera) werden drei Bilder des Patienten aufgenommen (Abb. 2). Während der Aufnahme sollte der Patient aufrecht stehen. Die optimale Position für die Analyse der Gesichtslinien: Der Patient hält seinen Kopf gleichmäßig im Lot „balanciert“, hat die Augen geöffnet und lächelt entspannt. Als horizontale imaginäre Bezugslinie dienen die Bipupillarlinie sowie die Kauebene. Die drei Bilder werden in die App geladen (Abb. 3a bis c). Es besteht die Möglichkeit, zu jedem Bild oder jedem Patientenfall allgemeine Informationen hinzuzufügen (Patientenwünsche, Vorgeschichte et cetera).

  • Abb. 2: Voraussetzung für den Aesthetic Check ist ein Fotostatus, der direkt mit dem iPad oder einem anderen Tablet-Computer aufgenommen werden kann.
  • Abb. 3a–c: Bild 1 – Porträtaufnahme des Gesichtes. Der Patient sollte entspannt und in aufrechter Position sitzen oder stehen. Während der Aufnahme sollte der Patient so lächeln, dass die Zähne sichtbar werden. Bild 2 – Der Mund sowie der untere Teil der Nase werden aufgenommen. Die obere Frontzahnreihe sollte sichtbar sein. Bild 3 – Dieses Bild dient der Bewertung der Rot-Weiß-Ästhetik. Gegebenenfalls kann ein Wangenhalter bei der Aufnahme hilfreich sein.
  • Abb. 2: Voraussetzung für den Aesthetic Check ist ein Fotostatus, der direkt mit dem iPad oder einem anderen Tablet-Computer aufgenommen werden kann.
  • Abb. 3a–c: Bild 1 – Porträtaufnahme des Gesichtes. Der Patient sollte entspannt und in aufrechter Position sitzen oder stehen. Während der Aufnahme sollte der Patient so lächeln, dass die Zähne sichtbar werden. Bild 2 – Der Mund sowie der untere Teil der Nase werden aufgenommen. Die obere Frontzahnreihe sollte sichtbar sein. Bild 3 – Dieses Bild dient der Bewertung der Rot-Weiß-Ästhetik. Gegebenenfalls kann ein Wangenhalter bei der Aufnahme hilfreich sein.

Via Touchscreen können die Bezugslinien an die Position geschoben und der Ist-Zustand dargestellt werden. Nachfolgend wird die Analyse im Aesthetic Check schrittweise dokumentiert. Exemplarisch wird hier ein Patientenfall dargestellt.

1. Position der Mittellinie

  • Abb. 4a und 4b: Position der Mittellinie – Vertikale Bezugslinie definiert die (dynamische) „Symmetrie“ der beiden Kieferhälften. Patientenfall: Hier ist die Mittellinie leicht verschoben.

  • Abb. 4a und 4b: Position der Mittellinie – Vertikale Bezugslinie definiert die (dynamische) „Symmetrie“ der beiden Kieferhälften. Patientenfall: Hier ist die Mittellinie leicht verschoben.
Eines der wichtigsten Kriterien der ästhetischen Analyse stellt die Mittellinie zwischen den beiden oberen Einsern dar (Abb. 4a und 4b). Als vertikale Bezugslinie definiert sie die bilateralen Zahnreihen, die „eigentlich“ symmetrisch angelegt sind [5]. Generell versteht man unter „Symmetrie“ eine harmonische Anordnung verschiedener Elemente zueinander. Genau betrachtet, ist es die Eigenschaft von Figuren beidseits einer gedachten Achse, die ein spiegelgleiches Bild ergeben. Bei der „dynamischen Symmetrie“ (menschliche Körperhälften) ähneln sich die Figuren beidseits der gedachten Achse stark, sind aber nicht identisch. Ein Beispiel ist das Gesicht. Die diskreten Asymmetrien der Gesichtshälften geben Individualität und vermitteln einen lebendigen, natürlichen Effekt.

Zu der Mittellinie zwischen den oberen Einsern gesellt sich die Gesichtsmittellinie als Verbindungslinie von Glabella und Subnasale. In etwa siebzig Prozent stimmen die Lage und Achsenneigung der dentalen Mittellinie mit der Gesichtsmittellinie überein [9]. Die Gesichtsmitte steht als vertikale Bezugslinie im rechten Winkel (ideal als „T“) auf der Bipupillarlinie [3,4,13]. Je stärker sich die Gesichtsmittellinie in Bezug auf die Bipupillarlinie einer zentralen und senkrechten Ausrichtung annähert, desto harmonischer wirkt das Gesicht [7]. Mit dem Einzeichnen der vertikalen Mittellinie können Abweichungen zur Gesichtsmitte (Nasenspitze) analysiert werden. Eine durchschnittliche Abweichung der Zahnmittellinie zur Gesichtsmitte bis zu zwei Millimeter wird vom Betrachter als ästhetisch akzeptabel empfunden [2,9].

2. Die Lachlinie

Es gibt Umfragen, die besagen, dass einem lächelnden Menschen mehr Vertrauen geschenkt wird. Aber nicht nur die äußere Wahrnehmung wird durch das Lächeln oder Lachen beeinflusst, sondern auch das psychosoziale Wohlbefinden des Menschen selbst. Der Wunsch einer optischen Verbesserung des Lächelns ist unserer Erfahrung nach einer der Hauptgründe für Patienten, die den Zahnarzt aus ästhetischen Gründen kontaktieren.

  • Abb. 5a und b: Lachlinie – Mit dem Einzeichnen dieser Bezugslinie wird unter anderem der Verlauf der Schneidekanten der oberen Frontzähne mit der Unterlippe verglichen. Patientenfall: Die Inzisalkanten der Zähne 12 bis 22 sind zu kurz.

  • Abb. 5a und b: Lachlinie – Mit dem Einzeichnen dieser Bezugslinie wird unter anderem der Verlauf der Schneidekanten der oberen Frontzähne mit der Unterlippe verglichen. Patientenfall: Die Inzisalkanten der Zähne 12 bis 22 sind zu kurz.
Mit dem Einzeichnen der „Lachlinie“ wird der Verlauf der Schneidekanten der oberen Frontzähne mit der Unterlippe verglichen. Idealerweise entsteht eine Harmonie (Abb. 5a und 5b). Die Schneidekanten müssen nicht identisch mit der Lippenlinie verlaufen, sondern sollten mit ihr harmonieren. Je nach Länge der Eckzähne entsteht ein mehr oder weniger großer, nach unten gewölbter Bogen. Ein negativer Bogen wirkt unästhetisch und impliziert Handlungsbedarf. Ebenso ist eine gerade Linie nicht vorteilhaft. Bei einem „schönen“ Lächeln berühren die Eckzahnspitzen die Unterlippe beziehungsweise werden leicht von ihr verdeckt.

Ein Kriterium – welches nicht im Aesthetic Check bestimmt wird – ist der Verlauf der oberen Lippe (Unterkante) zum Gingivaverlauf der oberen Zahnreihe. Hier gilt zu beachten, dass dies je nach Patient variiert. Bei einigen Menschen ist die „rote Ästhetik“ beim Lachen nicht sichtbar, andere wiederum beindrucken mit einer ungewöhnlich hohen Gingivasichtbarkeit (Gummy Smile). Diese Variabilität sollte bei der Bewertung des „korrekten“ Gingivaverlaufs beachtet werden. Eine Studie von J. Morley [14] beschreibt, dass bei einem jugendlich wirkenden Lächeln etwa 75 bis 100 Prozent der Oberkieferfrontzahnreihe unterhalb einer imaginären Linie (Verbindung der Mundwinkel) zu sehen ist. Je weniger Zahn unter der Linie erscheint, desto älter wirkt der Patient.

3. Farbe

Die Zahnfarbe ist ein wichtiger Aspekt bei der Analyse der Ästhetik, ist jedoch vom Empfinden des Betrachters abhängig. Auf dieses komplexe Thema soll jedoch in diesem Artikel nicht näher eingegangen werden.

4. Breite des Lächelns (bukkaler Korridor)

Der „Bukkalkorridor“ beschreibt das Dreieck in den Mundwinkeln, das beim Lachen entsteht, und definiert den dunklen Raum zwischen den bukkalen Zahnoberflächen der Seitenzähne und dem Innenrand der Mundwinkel (Abb. 6a und 6b). In der Literatur wird dieser Parameter kontrovers diskutiert. Einige Autoren finden, dass ein schmaler bukkaler Korridor „attraktiv“ wirkt. Andere Autoren verweisen auf das Gegenteil – ein breites Lächeln ohne bukkalen Korridor strahle „Schönheit“ aus. Das Ausmaß des bukkalen Korridors hängt größtenteils von der Weite des Oberkieferbogens ab. Wir setzen auch hier auf eine Harmonie – es gibt keine festen Richtwerte für die Breite des bukkalen Korridors.

  • Abb. 6a und b: Breite des Lächelns – Definiert wird der Bereich zwischen den bukkalen Flächen der oberen Seitenzähne und der Mundwinkel beim Lächeln. Patientenfall: Der bukkale Korridor ist hier relativ weit.
  • Abb. 7a und b: Zahnachsen – Die Achse eines Zahnes wird mit einer Verbindungslinie durch die Mitte der Schneidekante sowie die Mitte der Schmelz-Zement-Grenze definiert. Patientenfall: Die Neigung des Zahnes 11 ist nicht ideal.
  • Abb. 6a und b: Breite des Lächelns – Definiert wird der Bereich zwischen den bukkalen Flächen der oberen Seitenzähne und der Mundwinkel beim Lächeln. Patientenfall: Der bukkale Korridor ist hier relativ weit.
  • Abb. 7a und b: Zahnachsen – Die Achse eines Zahnes wird mit einer Verbindungslinie durch die Mitte der Schneidekante sowie die Mitte der Schmelz-Zement-Grenze definiert. Patientenfall: Die Neigung des Zahnes 11 ist nicht ideal.

5. Zahnachsen

Die „Zahnachsen“ dienen der Bewertung der Zahnstellung und -neigung und werden durch eine Verbindung der Mitte der Schneidekante und der Wurzelspitze definiert (Abb. 7a und 7b). Je nach Betrachtungsrichtung (frontal, lateral) kann es hier Abweichungen geben, doch finden sich grundlegende Gemeinsamkeiten [1,10]. Die Achsen der Oberkieferfrontzähne sind in einem ästhetisch ansprechenden Gebiss so geneigt, dass sie koronal zur Mittellinie hin und apikal von ihr weg orientiert sind. In vielen Fällen nimmt die Neigung nach distal hin zu, wobei sich dies mit einer großen Variabilität darstellt. Die lateralen Schneidezähne sind in der Regel stärker nach distal geneigt als die mittleren Schneidezähne. Einen wesentlichen Stellenwert nehmen die charismatischen Eckzähne ein. Die Zahnachsen verlaufen leicht zur Mittellinie geneigt.

6. Der Goldene Schnitt

Der „Goldene Schnitt“ beschreibt das harmonische Breitenverhältnis der Frontzähne zueinander (Abb. 8a und 8b). Wie eingangs erwähnt, haben bereits vor Jahrtausenden Künstler und Architekten versucht, Proportionen zu definieren, die besonders ästhetisch wirken. Bekannt ist der „Goldene Schnitt“. Dessen Anwendung in der Zahnmedizin beziehungsweise die Umsetzung auf das Breitenverhältnis der Zähne zueinander wurde erstmals von Lombardi [11] erwähnt. Aktuelle Untersuchungen beschäftigen sich damit, dass der „Goldene Schnitt“ in diesem Zusammenhang nicht immer natürlich erscheint [8,12,15]. Diese Erfahrung haben auch wir in unserem Arbeitsalltag gemacht – die „Attraktivität“ bewegt sich in einer gewissen Spanne. Trotzdem ist der Goldene Schnitt eine wertvolle Arbeitsgrundlage.

  • Abb. 8a und b: Der Goldene Schnitt – Dieser Parameter beschreibt das Breitenverhältnis der Zähne zueinander: Bei einem Wert von 1 für die sichtbare Breite des seitlichen Schneidezahnes hat der mittlere Schneidezahn idealerweise einen Wert von 1,6 und der Eckzahn einen Wert von 0,6. Patientenfall: Die Zähne 13 und 23 sowie 12 und 22 entsprechen nicht dem „Ideal“ (Goldener Schnitt).
  • Abb. 9a und b: Das Breiten-Längen-Verhältnis bezeichnet die Proportion zwischen mesiodistaler Breite eines Zahnes und dessen inziso-zervikaler Höhe. Patientenfall: Das Längen-Breitenverhältnis ist nicht ideal, der Zahn wirkt zu kurz. Indem das „Kästchen“ etwas nach unten verschoben wird, kann das Ideal visualisiert werden.
  • Abb. 8a und b: Der Goldene Schnitt – Dieser Parameter beschreibt das Breitenverhältnis der Zähne zueinander: Bei einem Wert von 1 für die sichtbare Breite des seitlichen Schneidezahnes hat der mittlere Schneidezahn idealerweise einen Wert von 1,6 und der Eckzahn einen Wert von 0,6. Patientenfall: Die Zähne 13 und 23 sowie 12 und 22 entsprechen nicht dem „Ideal“ (Goldener Schnitt).
  • Abb. 9a und b: Das Breiten-Längen-Verhältnis bezeichnet die Proportion zwischen mesiodistaler Breite eines Zahnes und dessen inziso-zervikaler Höhe. Patientenfall: Das Längen-Breitenverhältnis ist nicht ideal, der Zahn wirkt zu kurz. Indem das „Kästchen“ etwas nach unten verschoben wird, kann das Ideal visualisiert werden.

7. Länge / Breite der Frontzähne

Das „Längen-Breiten-Verhältnis“ unterstützt die ästhetische Beurteilung der Zahnform beziehungsweise der Breitenverhältnisse der Zähne zueinander (Abb. 9a und 9b). Der mittlere Frontzahn bestimmt mit seiner Dominanz die Proportionen der Zahnreihe. Daher sollte bei der Analyse des Breiten- Längen-Verhältnisses mit diesem Zahn begonnen werden. Das Ergebnis der Analyse zeigt, ob ein Zahn lang und schmal oder breit und kurz ist. Der ästhetisch ansprechende Bereich ist im Mittel durch ein Verhältnis von 0,75 bis 0,80 definiert [3,16]. Letztlich wird „Ästhetik“ weder ausschließlich durch den Goldenen Schnitt noch durch das Längen-Breiten-Verhältnis exakt definiert, sondern variiert zwischen den verschiedenen Verhältnissen.

8. Interinzisales Dreieck

Die interinzisalen Dreiecke im Oberkiefer resultieren aus den approximalen Kontaktflächen der Frontzähne (Abb. 10a und 10b). Diese Flächen liegen zwischen den zentralen Inzisivi in der Regel im inzisalen Bereich; bei intakten Schneidekanten ergibt sich hier ein kleines inzisales Dreieck. Da die Kontaktflächen von der Gesichtsmitte aus von inzisal nach zervikal wandern, befinden sie sich an den lateralen Schneidezähnen und Eckzähnen zunehmend zervikal und es präsentieren sich größere Einschnitte (interinzisale Dreiecke). Der Bereich mit dem größten Winkel ist in der Regel zwischen den seitlichen Inzisivi und den Eckzähnen zu finden. Die zum Eckzahn hin größer werdenden interinzisalen Dreiecke lockern die Zahnreihe auf und verleihen dem Lächeln einen individuellen und natürlichen Ausdruck.

  • Abb. 10a und b: Interinzisale Dreiecke – Die Dreicke zwischen den Inzisalkanten der Zähne werden durch die approximalen Kontaktflächen bestimmt. Patientenfall: Ungleichmäßig geöffnete Interdentale Dreiecke (siehe zwischen 12 / 13 und 22 / 23).
  • Abb. 11a und b: Rot-Weiß-Ästhetik – Der Gingivasaum im oberen Frontzahnbereich sollte harmonisch und annähernd parallel zu den Inzisalkanten der oberen Schneidekanten sowie zur Unterkante der Oberlippe verlaufen. Zur Überprüfung legt man eine Tangente an die höchsten Punkte der Gingiva des mittleren Schneidezahns und des Eckzahns; unterhalb dieser Linie befindet sich der Gingivasaum der seitlichen Schneidezähne. Patientenfall: Relativ harmonisch verlaufender Gingivasaum.
  • Abb. 10a und b: Interinzisale Dreiecke – Die Dreicke zwischen den Inzisalkanten der Zähne werden durch die approximalen Kontaktflächen bestimmt. Patientenfall: Ungleichmäßig geöffnete Interdentale Dreiecke (siehe zwischen 12 / 13 und 22 / 23).
  • Abb. 11a und b: Rot-Weiß-Ästhetik – Der Gingivasaum im oberen Frontzahnbereich sollte harmonisch und annähernd parallel zu den Inzisalkanten der oberen Schneidekanten sowie zur Unterkante der Oberlippe verlaufen. Zur Überprüfung legt man eine Tangente an die höchsten Punkte der Gingiva des mittleren Schneidezahns und des Eckzahns; unterhalb dieser Linie befindet sich der Gingivasaum der seitlichen Schneidezähne. Patientenfall: Relativ harmonisch verlaufender Gingivasaum.

9. Rot-Weiß-Ästhetik

Um den Gingiva-Verlauf und damit einen wichtigen Aspekt eines ästhetischen „Frontzahnbildes“ zu beurteilen, muss die sogenannte Rot-Weiß-Ästhetik beachtet werden (Abb. 11a und 11b). ZTM Willi Geller hat den kurzen, aussagekräftigen Satz geprägt: „Ohne rote Ästhetik gar keine Ästhetik“. Der girlandenförmig verlaufende Gingivasaum im oberen Frontzahnbereich sollte sich harmonisch und annähernd parallel zu den Inzisalkanten der oberen Schneidekanten sowie zur Unterkante der Oberlippe präsentieren. Insbesondere gilt dies bei einer hohen Lachlinie (Gummy Smile). Idealerweise liegt an den oberen Eckzähnen sowie den mittleren Schneidezähnen der Saum etwas weiter apikal als an den seitlichen Schneidezähnen [3]. Der am weitesten apikalwärts liegende Punkt des Gingivasaums sollte beim mittleren Schneidezahn distal der Zahnachse liegen. Wird die Tangente der höchsten Punkte der Gingiva, des mittleren Schneidezahns und des Eckzahns, verbunden, erhält man eine Linie: Die ästhetische Gingivalinie (GAL). Der Gingivasaum der seitlichen Schneidezähne liegt etwas unterhalb dieser Linie.

10. Papillen

Ein wesentlicher Anteil an der Zahnform wird den Papillen zugesprochen. Sie definieren die Form des zervikalen Drittels und separieren die Zähne optisch voneinander (Abb. 12a und 12b). Bei einem gesunden Gebiss füllen die Papillen die Zahnzwischenräume vollständig aus, ohne dass „schwarze Löcher“ entstehen. Die Papillenspitzen steigen nach distal hin an (apikal). Die durchschnittliche Höhe der Papille zwischen den oberen Frontzähnen beträgt zwischen 4 und 4,5 Millimetern. Offene interdentale Bereiche – schwarze Löcher – sind für ein ästhetisches Ergebnis zu schließen. Doch auch bei dieser Aussage sei nochmals darauf verwiesen, dass es keine Dogmen gibt. Ausnahmen bestätigen die Regel: So ist es beispielsweise nicht immer anzustreben, eine natürliche Lücke zwischen den beiden oberen Einsern zu füllen. Ausschlaggebend ist die Harmonie.

  • Abb. 12a und b: Papillen – In der Regel sind die zervikalen Zahnzwischenräume von den Papillen vollständig gefüllt. Patientenfall: Die Papillen sind natürlich und gesund ausgebildet. Hier besteht kein Handlungsbedarf.
  • Abb. 13: Gesamtbewertung (PDF): Eine ästhetische Verbesserung kann durch die Verlängerung der Inzisalkanten der Zähne 22 bis 12 sowie einer etwas größeren Gestaltung der seitlichen Inzisivi erreicht werden.
  • Abb. 12a und b: Papillen – In der Regel sind die zervikalen Zahnzwischenräume von den Papillen vollständig gefüllt. Patientenfall: Die Papillen sind natürlich und gesund ausgebildet. Hier besteht kein Handlungsbedarf.
  • Abb. 13: Gesamtbewertung (PDF): Eine ästhetische Verbesserung kann durch die Verlängerung der Inzisalkanten der Zähne 22 bis 12 sowie einer etwas größeren Gestaltung der seitlichen Inzisivi erreicht werden.

Nach der Analyse

Nachdem die Zehn-Punkte-Analyse im Aesthetic Check gespeichert ist, wird eine Gesamtbewertung (PDF) erstellt und ausgedruckt (Abb. 13). Die Bewertung kann der Patientenakte angefügt werden und dem Zahnmediziner, dem Zahntechniker sowie dem Patienten als Grundlage für das weitere Vorgehen dienen. Jetzt können die Behandlungspartner die Ausgangssituation beurteilen und gegebenenfalls aus zahnmedizinischer, zahntechnischer sowie aus patientensubjektiver Sicht ein Ziel definieren. Um das mögliche Ergebnis für den Patienten dreidimensional darzustellen, wird bei uns in vielen Fällen ein rein ästhetisch orientiertes Mock-up hergestellt: Hier kommen die sogenannten Testeneers zum Einsatz. Auf digitalem Weg erfolgt die Modellation der anzustrebenden Situation (basierend auf der Analyse). In der Software (offene Modelliersoftware) wird jeder Zahn entsprechend den Möglichkeiten an das ästhetische Maximum heranmodelliert und das jeweilige virtuell erarbeitete Testeneer CAD/CAM-gestützt gefertigt. Als Material dient ein spezieller Kunststoff von Merz Dental, Lütjenburg, auf Polymethylmethacrylat-Basis (Abb. 14). Das Material lässt sich hervorragend fräsen, besitzt hochästhetische Eigenschaften und hat einen geringen Restmonomergehalt (< 1 Prozent). Mit den eingesetzten Testeneers erlebt der Patient aktiv „seine neuen Zähne“ (Abb. 15a und b). Ein Vorteil der Testeneers liegt darin, dass die Schalen jederzeit ein- und ausgegliedert werden können – ähnlich wie Kontaktlinsen. Ein spezielles wasserlösliches Fixiergel wird in die Schalen adaptiert und diese im Mund reponiert. Der Patient kann sich aktiv (!!) mit der anzustrebenden Situation auseinandersetzen und sich in seinem sozialen Umfeld „präsentieren“. Die Meinung der Familie beziehungsweise der Freunde kann einen großen Einfluss haben. Bei der Entscheidung für eine prothetische Rekonstruktion bekommt der Patient mit den Testeneers die Zeit, die er benötigt – die hohe Materialqualität machen die Testeneers bei richtiger Handhabung quasi unbegrenzt haltbar. Das Ergebnis einer prothetischen Behandlung wird also nicht nur visualisiert, sondern der Patient hat die Möglichkeit, die anzustrebende Situation zu „erleben“. Entscheidet er sich für eine restaurative Versorgung, kann der gespeicherte Datensatz (Testeneers) aufgerufen und die definitive Versorgung gefertigt werden. Die gefrästen Testeneers lassen sich auch sehr gut in Provisorien überführen und unterstützen somit den effizienten Behandlungsablauf.

  • Abb. 14: Als Material-Blanks dient ein spezieller Kunststoff auf PMMA-Basis (Merz Dental).
  • Abb. 15a und b: Vorher (rechts) und nachher (links). Basierend auf dem Aesthetic Check wurden „Testeneers“ (rein ästhetisch basiert) gefertigt. Die Patientin bekommt damit einen Eindruck von dem zu erwartenden Ergebnis bei einer etwaigen Rekonstruktion. Die zahnmedizinische Machbarkeit obliegt ausschließlich dem Zahnmediziner.
  • Abb. 14: Als Material-Blanks dient ein spezieller Kunststoff auf PMMA-Basis (Merz Dental).
  • Abb. 15a und b: Vorher (rechts) und nachher (links). Basierend auf dem Aesthetic Check wurden „Testeneers“ (rein ästhetisch basiert) gefertigt. Die Patientin bekommt damit einen Eindruck von dem zu erwartenden Ergebnis bei einer etwaigen Rekonstruktion. Die zahnmedizinische Machbarkeit obliegt ausschließlich dem Zahnmediziner.

Fazit

Zum Thema „Ästhetik in der Zahnmedizin“ gibt es viel Literatur und fundierte Konzepte. Einst haben sich Künstler und Forscher wie Leonardo da Vinci in Zeichnungen mit diesem Thema auseinandergesetzt und teilweise noch heute gültige Parameter definiert. Heute können wir uns mit den digitalen Möglichkeiten im Vorfeld einer prothetischen Restauration auf relativ einfachem Weg an die realistisch-ideale Situation heranarbeiten. Das Verständnis für die zahnmedizinischen, anatomischen, prothetischen sowie werkstoffkundlichen Grundlagen ist Voraussetzung und bedarf einer eingehenden Beschäftigung mit dem Thema sowie der Erfahrung. Kombiniert mit etwas Gespür für den Menschen, seinen individuellen Wünschen sowie innovativen Ideen („Aesthetic Check“ oder „Testeneers“), lassen sich im Behandlungsteam (Zahnmediziner, Zahntechniker, Patient) unkompliziert hochwertige Versorgungen planen. Neugier, Interesse und Ideen motivieren dazu, neue Wege zu gehen.

Näheres zum Autor des Fachbeitrages: ZT Anja Fechner

Bilder soweit nicht anders deklariert: ZT Anja Fechner