Ab wann ist man alt? Dafür gibt es keine allgemein gültige Regel, denn dies ist schon fast eine philosophische Frage, bei der auch medizinische, soziale und psychologische Faktoren eine Rolle spielen [1]. Der natürliche Alterungsprozess ist progredient und irreversibel; und auch pathologische Veränderungen können zur Pflegebedürftigkeit führen. Die Menschen werden immer älter. Die Lebenserwartung steigt Jahr für Jahr um einige Monate.
Altern ist ein Prozess, der auch im Bereich der Zahnmedizin erhebliche Auswirkungen hat. Physiologische und pathologische Veränderungen können Zähne, Nerven, Muskeln sowie Hart- und Weichgewebe betreffen und Kaufunktionalität, Phonetik sowie Ästhetik beeinflussen [2]. Mangelhafte Kaueffizienz und/oder Schmerzen an Zähnen oder Zahnersatz beeinflussen die Nahrungsaufnahme, was Folgen für die Allgemeingesundheit hat (Gefahr von Mangel- oder Unterernährung) [3]. Durch fehlende Zähne oder insuffizienten Zahnersatz kann die soziale Interaktion beeinträchtigt sein und das Selbstwertgefühl leiden [4]. Um die Lebensqualität im betagten Alter zu erhalten, ist die zahnärztliche Betreuung unabdingbar. Mundgesundheit bzw. Mundhygiene stehen an erster Stelle (Abb. 1), gefolgt von einer guten prothetischen Versorgung im Lückengebiss oder zahnlosen Kiefer. Grundsätzlich behalten die Menschen zwar ihre eigenen Zähne immer länger, trotzdem betrifft die völlige Zahnlosigkeit noch immer eine große Patientengruppe – vor allem sehr alte Patienten [5, 6]. Dieser Artikel beschäftigt sich mit der prothetischen Therapie von teilbezahnten und zahnlosen Patienten, wobei der Fokus auf zahntechnische Aspekte gelegt wird. Grundsätzlich gilt: Die komplexe Therapie kann nur in enger Interaktion zwischen Zahnarzt und Zahntechniker erfolgreich vorgenommen werden.
„Weiche“ Faktoren im Umgang mit dem Patienten
Es ist selbstverständlich, dass der Zahntechniker mit den Grundlagen der Teil- und Totalprothetik, der Statik sowie der Phonetik vertraut ist. Ebenso wichtig sind „weiche“ Faktoren im Umgang mit dem Patienten, was in vielen Fällen den persönlichen Kontakt mehr als angeraten erscheinen lässt, ja: geradezu obligatorisch. Hierbei sind die Besonderheiten des Alters zu bedenken. Dazu gehören etwaige Lebenskrisen nach dem Verlust des Partners, körperliche und psychische Erkrankungen, Medikamenteneinnahme, Ernährungsverhalten oder veränderte Anpassungs- und Reaktionsfähigkeit. Der Umgang mit dem (älteren) Menschen bedarf der Empathie und des Verständnisses für seine Situation. Hier sollte sich der Zahntechniker hin und wieder für die Grundaufgaben natürlicher Zähne sensibilisieren [7]:
- Zähne ermöglichen eine gute Kaufunktion und sind wichtig für den Schluckvorgang,
- Zähne sind wichtig für die Phonetik sowie Artikulation und damit für das Kommunikationsvermögen,
- Zähne bestimmen das ästhetische Bild und das Aussehen entscheidend und
- Zähne sind ein wichtiger Faktor für die Lebensqualität.
Mit dem Verlust der Zähne kommt es zu anatomischen und morphologischen Veränderungen, mit denen viele Patienten schwer klarkommen. Nur mit einem funktionierenden und den individuellen Bedürfnissen angepassten Zahnersatz kann die Lebensqualität wiederhergestellt werden.
Chefsache: Hohe Erwartungen an den Zahnersatz
Nicht nur die Lebenserwartung steigt, sondern auch der Anspruch der Patienten an Qualität, Funktionalität und Ästhetik einer prothetischen Versorgung. Wir erleben gerade einen Generationswechsel bei den alten Patienten – von der Nachkriegsgeneration hin zu den Babyboomern [8]. Diese Patienten haben sich an das hohe Niveau zahnärztlicher und zahntechnischer Leistungen gewöhnt und möchten dieses im Alter nicht missen. Viele ältere Menschen wünschen sich ästhetische Versorgungen, die nicht als Zahnersatz wahrgenommen werden (Abb. 2). Diesbezüglich gewinnt die Implantatprothetik an Relevanz. Unter anderem im zahnlosen Kiefer können dem Patienten mit Implantaten unterschiedliche Therapiewege angeboten werden – von einfach und funktionell bis hin zur funktionell-ästhetischen High-End-Lösung. Grundsätzlich benötigt der Zahntechniker für die Herstellung einer solchen Restauration komplexes Wissen rund um Aufstellung, Materialien und Funktion. Erforderlich sind ebenso das Verständnis für die Zusammenhänge der einzelnen Aspekte und das Gefühl für die Notwendigkeit des von ihm erstellten Zahnersatzes.
Leider werden abnehmbare Prothetik und Totalprothetik im Dentallabor häufig stiefmütterlich behandelt. Was Zahntechniker in vielen anderen Disziplinen – z. B. Einzelzahnversorgung – mit Perfektion machen, sollte auch selbstverständlich bei abnehmbarem Zahnersatz angewendet werden. Hier lautet der Ruf: „Chefsache!“. Es bedarf hochqualifizierter Zahntechniker, um gemeinsam im Behandlungsteam den zahnlosen oder teilbezahnten Kiefer zu therapieren und aus der Vielfalt der Versorgungsmöglichkeiten den individuell optimalen Weg zu wählen. Dies wird in absehbarer Zeit keine Maschine übernehmen können. Die Totalprothetik beim hochalten Patienten ist sicher eines der anspruchsvollsten Felder in der rekonstruktiven Zahnmedizin. Da die Versorgungen immer komplexer werden, wird im Therapieprozess ein „Leader“ benötigt, der die Gesamtübersicht hat. Hierbei verändert sich die Kommunikation respektive der Austausch zwischen Zahnärzten, Patienten und Zahntechnikern. Digitale Kommunikationsmittel spielen zunehmend eine Rolle.
Aspekte für die Wahl des Versorgungskonzeptes
Versorgungen auf Implantaten
Die Implantattherapie ist ein bewährter Weg zur Rehabilitation des teilbezahnten oder zahnlosen Kiefers. Die Planung der Versorgungsart erfolgt im Behandlungsteam. Einbezogen werden gerostomatologische Gegebenheiten, wie z. B. Multimorbidität, manuelle Fähigkeit und ggf. eingeschränkte Geschicklichkeit sowie reduzierte Adaptationsfähigkeit. Es ist zu bedenken, dass der Zahnersatz später eventuell umgerüstet werden muss, um ihn an eine abnehmende Kraft und Geschicklichkeit der Hände („Handkraft“) anpassen zu können. Bei zunehmender Multimorbidität sollte ein Rückbau auf einen leicht zu handhabenden Zahnersatz möglich sein, um ggf. dem Pflegepersonal eine einfache Hygienefähigkeit zu gewähren. Außerdem fließen in die Planung die individuellen Bedürfnisse des Patienten ein, sein Allgemeinzustand und die monetären Möglichkeiten [9]. Letztlich entscheiden subjektive Faktoren und die individuelle Adaptationsfähigkeit über Erfolg oder Nichterfolg der prothetischen Therapie.
Es stellt sich die wichtige Frage: eine festsitzende oder abnehmbare Lösung wählen? Zusätzlich zum Tragekomfort ist bei dieser Entscheidung die Möglichkeit einer guten Mundhygiene zu bedenken. Der abnehmbare, auf Implantaten verankerte Zahnersatz bietet eine einfache Hygienefähigkeit, wenn man die entsprechenden Prinzipien berücksichtigt (Abb. 3a). Wird ein festsitzender Zahnersatz hergestellt, muss unbedingt auf die hygienefähige Gestaltung geachtet werden (Abb. 3b u. c).
Klammerprothesen
Zusätzlich zu klassischen Kronen- und Brückenrestaurationen kommen bei Patienten im dritten oder vierten Lebensabschnitt häufig die abnehmbaren Rekonstruktionen zum Einsatz. Bei teilbezahnten Patienten sind Klammerprothesen oft die erste Wahl, häufig aus Kostengründen. Angestrebt werden so wenig Klammern wie möglich und so viele wie nötig; z. B. sind bei günstiger Pfeilerverteilung und dementsprechender Abstützung zwei Klammern ausreichend [10] (Abb. 4). Das Gerüst sollte derart gestaltet werden, dass bei einem weiteren Zahnverlust ohne großen Aufwand Zähne angesetzt werden können. Vollplatten haben gegenüber den skelettierten Platten Vorzüge bei der Kraftverteilung und beim Übergang zur Totalprothese, werden aber manchmal vom Patienten nicht toleriert. Auch hier rückt die parodontal und interdental offene Gestaltung des Gerüstes in den Vordergrund, damit auch im hohen Alter eine gute Mundhygiene sichergestellt ist [11] (Abb. 5 u. 6).
Alters- und funktionsabhängiges Versorgungskonzept
Wir erachten ein alters- und funktionsabhängiges Konzept als sehr empfehlenswert – das gilt natürlich auch für die implantatgetragene Overdenture-Versorgung. An den Zahnmedizinischen Kliniken der Universität Bern verfolgen wir ein abgestuftes implantatprothetisches Konzept, das sich an der manuellen Kraft und Geschicklichkeit des Patienten orientiert. Deshalb muss sich die implantologische Behandlung daran ausrichten, ob der Patient die Restauration selbstständig ein- und ausgliedern sowie reinigen kann [12]. Denn der Implantaterfolg sollte möglichst bis an das Lebensende sichergestellt werden. Zudem muss die Möglichkeit eines Rückbaus des Zahnersatzes gegeben sein. Bevorzugt werden zweiteilige Implantate sowie ein minimalinvasiver chirurgischer Eingriff, der Begleiterkrankungen berücksichtigt. Länge und Durchmesser der Implantate werden so klein wie möglich gewählt [13].
Folgende funktionelle Einteilung der implantatprothetischen Konzepte begleitet unsere Arbeit (Abb. 7):
- bei „jungen“ Alten: maximale Rigidität durch eine Stegversorgung;
- bei vertikal reduziertem Platzangebot und potenziellen Schwierigkeiten, eine Stegversorgung zu reinigen: retentive Verankerung (Novaloc, Straumann, Basel/Schweiz) oder CM Loc (Cendres+Métaux, Biel/Schweiz);
- bei Pflegebedürftigkeit und stark reduzierter Geschicklichkeit: Magnete (z. B. Titanmagnetics K-Line, steco, Hamburg).
Beispiele für zahn- und implantatgetragene Versorgungen
Uns steht eine weite Palette an Verankerungsmöglichkeiten zur Verfügung. Wir wählen hieraus je nach Patientenfall aus (Abb. 8).
Verankerung über Kugelkopfanker bei Restzahnbestand (abnehmbar)
In der Schweiz ist nach wie vor die Versorgung von wurzelbehandelten Zähnen mit Wurzelstiftkappen und einer Kugelkopfverankerung eine häufig angewandte Methode. In Kombination mit Implantaten kann dem Patienten eine festsitzend-abnehmbare Restauration angeboten werden (Abb. 9a u. b). Die Verankerung des Zahnersatzes erfolgt über Kugelpatrizen (Zähne, Implantate) und Matrizen. Der Zahnersatz kann gaumenfrei gestaltet werden. Diese Variante ist eine vergleichsweise einfache Art der implantatprothetischen Versorgung, insbesondere auch für die Nachsorge. Mit einfachen Handgriffen kann die Haltekraft (z. B. Dalbo Plus Matrize von Cendres+Métaux) erhöht oder die Matrize ausgewechselt werden. Im Falle einer Erweiterung ist eine zusätzliche Verankerung problemlos in den bestehenden Zahnersatz integrierbar.
Verankerung über nietenförmige Retentionskappen (abnehmbar)
Es sind mindestens zwei Implantate im Unterkiefer und vier Implantate im Oberkiefer notwendig, wobei vier bzw. sechs Implantate zu bevorzugen sind [14, 15]. Das Verankerungselement besteht aus einem ringförmigen Retentionsanteil und einer transmukosalen Manschette (Abb. 10a u. b). Während die Patrize auf dem Implantat adaptiert ist, wird die Matrize in den basalen Bereich der Prothese eingearbeitet. Nachteil: Bei Erweiterungen ist die Abformung manchmal etwas schwierig, da ein größeres Platzangebot benötigt wird. Die Prothese muss großzügig ausgeschliffen werden. Beispiele für moderne Retentionssysteme sind Novaloc (Straumann) und CM Loc (Cendres+Métaux) [13, 16]. Unser Vorgehen: Die Retentionskraft wird über die Retentionskappen individuell so eingestellt, dass der Patient den Zahnersatz selber handhaben kann. Dies muss zwingend klinisch ausgetestet werden, da die „Handkraft“ sehr oft überschätzt wird.
Verankerung über einen Steg (abnehmbar)
Manchmal ist weniger mehr. Natürlich können wir im Zeitalter der CAD/CAM-Technologie individuelle Stege fräsen und mittels Galvanotechnik den Stegreiter konzipieren. Betrachten wir aber die Zunahme der Lebenserwartung und die Befindlichkeitsänderung mit zunehmendem Alter, sollte das Ziel die Einfachheit sein. Wir haben mit CAD/CAM-gefertigten Steggeschieben nach Dolder (Abb. 11a) (CM) gute Erfahrungen gemacht [17]. Als Verankerungselement bevorzugen wir die passenden Goldmatrizen (Abb. 11b). Diese können einfach aktiviert oder deaktiviert werden und verlieren während der Tragedauer nicht ihre Haltekraft. Es sind mindestens zwei Implantate im Unterkiefer und vier Implantate im Oberkiefer notwendig, wobei vier und sechs Implantate zu bevorzugen sind [14]. Mittels parallel gefrästem Steg werden die Implantate verblockt und eine Deckprothese (gaumenfrei) hergestellt (Abb. 11c u. d). Je nach Wunsch und Anspruch kann sowohl die rote als auch die weiße Ästhetik individualisiert werden. Dieser Therapieweg hat viele Vorzüge und wird von den Patienten sehr gut angenommen. Dank der CAD/ CAM-Technologie kann ein optimaler passiver Sitz erzielt werden.
Zu bedenken ist, dass die Mindestbauhöhe der Stege gerade im Oberkiefer starke Auswirkungen auf die Lautbildung haben kann. Für den vertikalen Platzbedarf werden mindestens 12 mm angegeben [18]. Es ist darauf zu achten, dass das anteriore Phonationsdrittel nicht zu stark eingeschränkt wird. Ist die Knochenresorption noch nicht stark fortgeschritten, muss entweder eine Osteoplastik bei der Implantatchirurgie erfolgen oder ein kleineres Verankerungselement verwendet werden.
Verankerung über Doppelkronen (abnehmbar)
Doppelkronenprothesen stellen eine hochwertige Art der Versorgung mit vielen Vorzügen dar, z. B. sind sie einfach umrüstbar, erweiterbar, reparierbar und auch für manuell eingeschränkte Patienten geeignet. Zudem können Eigenbezahnung und Implantate vorteilhaft kombiniert werden. Bezüglich des Materials stehen wir vor der „Qual der Wahl“. Mittlerweile gibt es zahlreiche Materialien, die für diese Indikation geeignet sind. Dank der CAD/CAM-gestützten subtraktiven sowie additiven Fertigung können verschiedene Materialien zum Einsatz kommen. Letztlich werden aber erst die klinischen Langzeiterfahrungen zeigen, wie diese sich dauerhaft bewähren.
Früher hauptsächlich aus hochgoldhaltigen Legierungen gefertigt, haben sich in den vergangenen Jahren auch NEM-Legierungen für die Doppelkronentechnik etabliert [19]. Nachteilig sind der hohe Herstellungsaufwand und die Kombination verschiedener Materialien, wobei die CAD/CAM-Technologie (vom Fräsen bis zum Selective Laser Melting) günstigere Wege in Aussicht stellt (Abb. 12a-d).
Einfache Rekonstruktionen auf Implantaten (bedingt abnehmbar)
Mit dem Straumann Pro Arch-Konzept können auf effizientem Weg festsitzende Versorgungen für zahnlose Patienten hergestellt werden. Zum Konzept wird derzeit eine Studie an der Klinik für Rekonstruktive Zahnmedizin und Gerodontologie (ZMK Bern) zusammen mit der Queen‘s University Belfast/ Großbritannien (Nordirland) vorgenommen. Hier werden den Patienten im Unterkiefer (randomisiert) entweder vier oder sechs Implantate inseriert. Interforaminal kommen Standard Tissue Level Implantate mit einer Mindestlänge von 8 mm zum Einsatz, die hervorragende klinische Langzeitergebnisse zeigen. Posterior werden ultrakurze (4 mm) Tissue Level Implantate verwendet. Auf eine zeitaufwendige und kostspielige Knochenaugmentation kann dann oft verzichtet werden. Die Idee dahinter ist, eine festsitzende implantatgetragene Versorgung herzustellen, ohne lange schräge Implantate setzen oder Knochen aufbauen zu müssen. Zudem sind die posterioren 4-mm-Implantate leicht zu entfernen, falls die Prothese im hohen Alter zu einer Deckprothese umgebaut werden soll (vgl. Abb. 3b u. c und 13a-c).
Hygienefähigkeit
Oberste Prämisse bei der Gestaltung einer implantatprothetischen Therapie ist der Erhalt der Hygienefähigkeit. Hierbei bieten abnehmbare Versorgungen klare Vorteile gegenüber festsitzenden Brücken. Bei manuell eingeschränkten Patienten sind unverblockte Verankerungselemente (z. B. Kugelkopf, Novaloc) zu bevorzugen. Kann die Mundhygiene durch den Patienten, die Familie oder das Pflegepersonal sichergestellt werden, sind implantatgetragene Brücken oder steggetragene Deckprothesen ab vier Implantaten möglich. Bei festsitzenden Restaurationen sind entsprechende Putznischen zu gestalten (Abb. 14a u. b).
Materialkonzepte
Hinsichtlich der Materialien für prothetische Versorgungen hat sich in den vergangenen Jahren viel verändert. Die CAD/CAM-Technologie erlaubt die Verarbeitung zahlreicher innovativer Materialien (Abb. 15). Doch welche Materialien spielen hinsichtlich der prothetischen Versorgung des teibezahnten oder des zahnlosen Kiefers eine Rolle?
Gerüste aus Metall
VMK blickt auf die ausführlich dokumentierte Klinik zurück. Neben die Gusstechnik sind nun zur Gerüstherstellung das maschinelle Fräsen und additive Fertigen mittels Laserstrahl im Pulverbett getreten.
Metallfreie Gerüste
Als bewährt gelten mittlerweile auch vollkeramische Versorgungen auf hochfesten Zirkoniumdioxid-Gerüsten. Diese bieten durch die CAD/CAM-gestützte Fertigung eine hervorragende Passung.
Derzeit stehen als Gerüstmaterialien auch Hochleistungskunststoffe im Fokus des Interesses. Bei grundsätzlicher Betrachtung gibt es zahlreiche Vorzüge, allerdings einen zu beachtenden wesentlichen Nachteil. Für die Hygienefähigkeit des Zahnersatzes muss eine gute Putzbarkeit ermöglicht werden (Selbstreinigung, offene Interdentalräume für das Interdentalbürstchen). Um das Gerüst dementsprechend zu gestalten, ist Distanz zur Gingiva zu wahren, was das Verwenden von PEEK, PEKK oder Pekkton oft schwierig macht. Es ist aufgrund der Materialeigenschaften eine ausreichende Gerüstdimension einzuhalten. Kann diese gewährt werden, sind solche Kunststoffmaterialien geeignete neue „Partner“ innerhalb der Implantatprothetik (Abb. 16). Das Material hat eine gewisse Elastizität, „lebt mit“ und passt sich im Mund besser an als ein hochfester Werkstoff [20-22]. Der Tragekomfort wird von vielen unserer Patienten als angenehm empfunden.
Ästhetische Veredlung
Für die ästhetische Gestaltung können je nach Indikation und Patientenwunsch Lithium-Disilikat, Zirkoniumdioxid, Komposit oder konfektionierte Zähne verwendet werden. Erneut stehen das auf den Fall zugeschnittene Versorgungskonzept und die Bedürfnisse des Patienten im Vordergrund [23]. Aus Erfahrung wissen wir, dass man bei Kompositen und/oder Kunststoffzähnen (Abb. 17) den Abrieb einkalkulieren muss. Sind die Abrasionen (zu) stark, führt dies zum deutlichen vertikalen Verlust oder zur verminderten Kaufunktion. In diesen Fällen müssen die Zähne je nach Belastung nach einigen Jahren ausgewechselt werden.
„Digital Dentistry“ in der Alterszahnheilkunde
Wir können mit neuen Konzepten den Patienten im dritten oder vierten Lebensabschnitt zahleiche Therapieoptionen anbieten. Gerade im Bereich des zahnlosen Kiefers ermöglichen digitale Lösungsansätze patientenfreundliche Wege [24]; so können z. B. im digitalen Workflow je nach Umständen und System Behandlungssitzungen eingespart werden [25]. Ein Beispiel: Gerade „sehr alte“ Patienten haben oft Mühe, sich an eine komplett neue Versorgung zu gewöhnen. In diesen Fällen können wir beispielsweise mit dem Avadent-System (Global Dental Science Europe, Tilburg, Niederlande) einfach die „alte Prothese“ kopieren und auf dieser Basis neue Totalprothesen herstellen (Abb. 18a-c). Auch eine verlorengegangene Prothese, die bereits digital erfasst worden ist, kann innerhalb kurzer Zeit und ohne großen Aufwand neu angefertigt werden.
Außerdem gilt es festzuhalten: Mittlerweile können wir implantatgetragenen Zahnersatz mit Stegen oder auf verschraubten Rekonstruktionen ohne Modell im komplett digitalen Workflow herstellen (Abb. 19a-c).
Zusammenfassung
Es gibt viele Möglichkeiten, den teilbezahnten oder zahnlosen Kiefer mit „neuen Zähnen“ zu versorgen. Der Zahntechniker sollte die Vor- und Nachteile der Versorgungskonzepte sowie der Materialien kennen, um im Team „Patient-Zahnarzt-Zahntechniker“ sein berufliches Können einbringen zu können. Es kommt hinzu: Bei der Planung des Zahnersatzes müssen u. a. wirtschaftliche Aspekte berücksichtigt werden. Moderner Zahnersatz kann dank CAD/CAM-Technologie individuell sowie preisspezifisch hergestellt und durch die Kombination von manuellen mit digitalen Fertigungstechniken wirtschaftlich produziert werden. Nicht zuletzt ist die Art der Versorgung von den finanziellen Möglichkeiten und den Bedürfnissen des Patienten abhängig.
Der kostengünstigste Weg bei Zahnlosigkeit ist sicher die Vollprothese, die auf digitalem Weg effizient gefertigt werden kann, aber oftmals das Adaptationsvermögen eines alten oder sehr alten Patienten überfordert. Für den zahnlosen Patienten sind die schleimhautgetragene Vollprothese im Oberkiefer und die Implantatdeckprothese auf zwei Implantaten die zu bevorzugende Versorgung [26, 27]. Bei höheren Ansprüchen seitens des Patienten sind aufwendigere implantatgetragene Lösungen möglich, müssen aber die manuelle Geschicklichkeit berücksichtigen. Solche Konzepte sind modifizierbar zu halten, um die Prothesen bei Bedarf an die progredienten Alterserscheinungen anpassen zu können. Im Bereich der bedingt abnehmbaren Versorgung gilt das Pro Arch-Konzept (Straumann) als hochwertige festsitzende Therapielösung mit vergleichsweise geringem Aufwand.
Fazit
Mit Blick auf die Zukunft stellen sich etliche Fragen. Können sich Patienten in Zukunft den Zahnersatz mit Implantaten leisten? Sind die „Boomjahre“ der gut finanzierten Renten bald vorbei? Was passiert bei steigender Lebenserwartung und einer derzeit problematisch diskutierten Rentenfinanzierung? Schon heute können viele ältere Patienten den für eine gute Lebensqualität unverzichtbaren Zahnersatz nur durch staatlich gestützte Zusatzleistungen finanzieren. Hier bedarf es kostengünstiger Möglichkeiten. Wie in jedem anderen Bereich der prothetischen Zahnmedizin sollte der Patient mit unbezahntem Kiefer die Möglichkeit haben, zwischen unterschiedlichen Versorgungsvarianten zu wählen, ohne dass bei der Qualität des Zahnersatzes bemerkenswerte Abstriche gemacht werden müssen. Ob abnehmbare Vollprothese, abnehmbare Implantatprothese oder bedingt festsitzender Zahnersatz – dieser Bereich ist wichtiger Bestandteil der Zahntechnik und sollte mit der nötigen Aufmerksamkeit bedacht werden. Der anspruchsvolle Patient mit teilbezahntem oder zahnlosem Kiefer wird in der Zukunft Praxis sowie Labor häufig konsultieren. Und hier gilt es, für jeden Anspruch ein passendes Konzept bieten zu können. Letztlich gibt es für einen Zahntechniker kaum ein schöneres Gefühl, als einem zahnlosen Patienten mit einer funktionierenden Versorgung wieder zu einer guten Lebensqualität zu verhelfen.
Näheres zu den Autoren des Fachbeitrages: Prof. Dr. Martin Schimmel, ZTM Patrick Zimmermann
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