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Was ändert sich, was bleibt gegenüber der konventionellen Abformung gleich?

Teil 1: Der Workflow mit Startpunkt Intraoralscanner

Schafft sich der Zahnarzt einen Intraoralscanner an, rücken Praxis und Labor enger zusammen. Nun kommt kein Auftragszettel mit beigefügter steril verpackter Abformung mehr in der Auftragsannahme an. Es ändert sich jedoch nicht nur der Arbeitsbeginn, wie im Folgenden Zahnarzt Dr. Ingo Baresel und ZTM Florian Schmidt schildern.

Placeholder – News shutterstock

Die digitale Abformung der Mundsituation gewinnt immer weiter an Bedeutung. Eine Untersuchung und Auswertung der deutschen Gesellschaft für digitale orale Abformung (DGDOA) 2015 von 23 Vergleichsstudien zur Passgenauigkeit festsitzender Restaurationen bei intraoraler digitaler und konventioneller Abformung zeigte, dass die Genauigkeit der optischen Abformung jener klassischer Abformungen in vielen Fällen überlegen ist. Dies galt bisher vor allem für die Einzelzahnversorgung und kleinere Brücken. Mittlerweile sind aber auch Ganzkieferversorgungen, große Implantatarbeiten oder Aufbissschienen mit Startpunkt Intraoralscan möglich. Es stellt sich also nicht mehr die Frage, ob oder wann Zahnärzte auf die Abformung mittels eines Intraoralscanners umsteigen, sondern nur noch, warum sie es noch nicht getan haben. Aus diesem Grund sollten sich Labore zukünftig wappnen und die dazu nötigen Workflows erarbeiten.

Vorteile besonders auch für Labore

Eine Untersuchung des zahntechnischen Labors Stroh & Scheuerpflug aus Ansbach – vorgestellt anlässlich der 2. Jahrestagung der DGDOA im Oktober 2016 in Mainz –, die über vier Jahre ca. 2.500 digital abgeformte Restaurationen mit Restaurationen nach konventioneller Abformung vergleicht, zeigt (Abb. 1): Die Notwendigkeit der Neuanfertigung einer prothetischen Arbeit sank von ca. 3,5 % bei physischen Abformungen mit dem Löffel auf ca. 0,5 % bei digitalen Abformungen. Dies deckt sich mit den klinischen Erfahrungen von digital abformenden Zahnärztinnen und Zahnärzten.

Abb. 1: Neuanfertigungen von Restaurationen aufgrund schlechter Passung. Blau: nach konventioneller Abformung mit dem Löffel. Orange: nach optischer Abformung mit dem Intraoralscanner und digitalem Arbeitsablauf von Anfang an. Zeitraum: 2. Quartal 2012 bis einschl. 2. Quartal 2016.
Abb. 1: Neuanfertigungen von Restaurationen aufgrund schlechter Passung. Blau: nach konventioneller Abformung mit dem Löffel. Orange: nach optischer Abformung mit dem Intraoralscanner und digitalem Arbeitsablauf von Anfang an. Zeitraum: 2. Quartal 2012 bis einschl. 2. Quartal 2016.
Abb. 2: Intraoralscan einer Patientin mit sofortiger Kontrolle am Bildschirm des Stehelements.
Abb. 2: Intraoralscan einer Patientin mit sofortiger Kontrolle am Bildschirm des Stehelements.

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Vorgehen in der Zahnarztpraxis

Prinzipiell gilt bei einem Umstieg auf die digitale Abformung (Abb. 2), dass sich der Workflow sowohl in der Praxis als auch im Labor verändert und das neue Vorgehen mit seinen Konsequenzen gemeinsam besprochen werden muss. Hier ist es sehr hilfreich, durch einen gegenseitigen Besuch die Notwendigkeiten und Probleme des jeweils anderen anhand eines Falles kennenzulernen und detailliert durchzusprechen.

Grundvoraussetzung für die Herstellung einer präzise passenden Restauration ist – wie im analogen Abformverfahren auch – eine exakte und definierte Präparationsgrenze. Ist diese sichergestellt, lassen sich auch subgingivale Präparationen mit einem Intraoralscanner abformen.

Entscheidend hierbei ist die genaue Darstellung dieser Grenzen, denn: Nur was ein Scanner „sehen“ kann, wird dieser auch aufnehmen. Es eignen sich sowohl Fadentechniken wie auch Retraktionspasten. Während der Retraktionsphase wird zunächst der Gegenkiefer gescannt. Dies kann von der Assistenz durchgeführt werden und auch vor der Präparation erfolgen. Je nach Scannermodell unterscheidet sich dann der folgende Ablauf ein wenig.

Wichtig ist, die vorgegebene Scanstrategie exakt einzuhalten (Abb. 3). Dies sichert die erforderliche Qualität des Scanergebnisses, gerade bei der Darstellung ausgedehnter Abformbereiche. Nach dem Scan der Präparation und des Präparationskiefers erfolgt der Scan der Bisssituation. Nun kann nach dem Zusammenrechnen der Daten die gesamte Arbeit nochmals in Bezug auf die genaue Darstellung der Präparation, das Platzangebot und die Einschubrichtung kontrolliert werden (Abb. 4a u. b). Sollten hier Probleme zu sehen sein, kann der Behandler einzelne Bereiche jederzeit korrigieren, ohne den gesamten Scan nochmals durchführen zu müssen. Die Abformung kommt ins Labor Abschließend wird der Scan versendet und erscheint – je nach Anbieter – nach 10 Minuten bis 24 Stunden im Portal des zahntechnischen Labors. Dieses Portal muss für die meisten Mundscanner vom Labor erworben werden. Die Scan-Portale sind nichts anderes als „Cloud-Server“, auf die die Scans aus der Praxis hochgeladen werden. Das Labor holt sie sich von dort wieder herunter. Fast jeder Scanner verfügt über ein eigenes Scan-Portal (Abb. 5). Im Folgenden wird die weitere Verarbeitung von iTero-Scans (Align Technology, San Jose/Kalifornien, USA) im zahntechnischen Labor beschrieben. Je nach Scansystem werden in der Regel alle in der Zahntechnik gängigen Konstruktionsprogramme für die Weiterverarbeitung der Scans unterstützt. Dabei ist es sehr hilfreich, den Scan per Zuschaltung des Zahnarztes im Online-Meeting (z. B. per TeamViewer) zu analysieren und die Randlinie gemeinsam festzulegen (Abb. 6). Nach der Festlegung kann der Scan nun aus dem Scan-Portal exportiert und anschließend in eine Konstruktionssoftware importiert werden.

Abb. 3: Scanstrategie am Beispiel des iTero-Elements.
Abb. 3: Scanstrategie am Beispiel des iTero-Elements.
Abb. 4a u. b: Kontrolle der Okklusion.
Abb. 4a u. b: Kontrolle der Okklusion.
Abb. 5: Oberfläche der Scanner-Cloud eines Scans (iTero Case Manager).
Abb. 5: Oberfläche der Scanner-Cloud eines Scans (iTero Case Manager).
Abb. 6: Der Zahnarzt muss nicht zugegen sein, sondern kann über Fernwartung die Randlinien gemeinsam mit den Zahntechnikern festlegen.
Abb. 6: Der Zahnarzt muss nicht zugegen sein, sondern kann über Fernwartung die Randlinien gemeinsam mit den Zahntechnikern festlegen.

Der CAD/CAM-Prozess schließt sich an

Im hier vorgestellten Fall wurde im Dental-Designer der Firma 3Shape (Kopenhagen/Dänemark) weitergearbeitet. Der erste Schritt vor dem Anklicken der Importfunktion besteht aus dem Generieren eines neuen Falls (Abb. 7). Die Art der Versorgung kann hier nun völlig unabhängig vom angelegten iTero-Auftrag bestimmt werden.

Abb. 7: Für den Import des Scans wird ein neuer Auftrag angelegt.
Abb. 7: Für den Import des Scans wird ein neuer Auftrag angelegt.
Abb. 8: Das anatomische Design hilft wesentlich, das Chipping-Risiko zu minimieren.
Abb. 8: Das anatomische Design hilft wesentlich, das Chipping-Risiko zu minimieren.
Abb. 9: Im virtuellen Artikulator können Funktionsbewegungen ausgeführt werden, um Störkontakte zu entfernen.
Abb. 9: Im virtuellen Artikulator können Funktionsbewegungen ausgeführt werden, um Störkontakte zu entfernen.
Abb. 10: Die Randlinien werden aus dem iTero Case Manager übernommen.
Abb. 10: Die Randlinien werden aus dem iTero Case Manager übernommen.

Der Zahnersatz sollte aus einem verblendeten Zirkoniumdioxidgerüst bestehen. Um das Chipping-Risiko zu minimieren, war wie immer ein höckerunterstütztes Gerüstdesign notwendig. Deswegen wurde zuerst anatoform konstruiert (Abb. 8-10) und das Ergebnis anschließend unter Angabe der notwendigen Schichtstärken auf das Gerüst heruntergerechnet.

Das virtuelle und das physische Modell

Abb. 12: Fertigung der Modelle per 3D-Druck. Hier: durch schichtweise Maskenbelichtung des Kunstharzbades.
Abb. 12: Fertigung der Modelle per 3D-Druck. Hier: durch schichtweise Maskenbelichtung des Kunstharzbades.

Nach virtueller Konstruktion des Gerüstes auf Basis der optischen Abformung stellt sich die Frage der Modellherstellung – denn bis hierhin liegt ja kein Gipsmodell wie bei konventionellem Arbeiten vor. Je nach Scanner gibt es hier unterschiedliche Vorgehensweisen. Eine Modellherstellung wird bei wenigen Scannern (iTero Scanner oder auch 3M True Definition Scanner, 3M Espe, Seefeld) direkt über das Scan-Portal angeboten. Bei allen anderen muss das Labor in eine Konstruktionssoftware für die Erstellung eines Modelldatensatzes investieren. In unserem Fall wurde das Modell über den Model Creator von exocad (exocad, Darmstadt) erzeugt (Abb. 11). Auch hier konnte der Scan problemlos in die exocad-Software importiert werden.

Nach Schaffung des virtuellen Modells kann momentan auf ein physisches nicht verzichtet werden. Als Fertigungsmethode hat sich der 3D-Druck bereits bewährt. Allerdings liegt die Schwierigkeit bei der Modellherstellung darin, die passenden Parameter für die Einzelstümpfe zu finden. Je nach Fertigungsprozess bzw. Hersteller des 3D-Druckers müssen unterschiedliche Passungsparameter getestet werden, um ein optimales Ergebnis zu erzielen. Das Fräsverfahren ist generell auch möglich und liefert ebenfalls eine hohe Genauigkeit. Jedoch macht es durch lange Maschinenzeiten und die Schwierigkeit der subtraktiven Bearbeitung wenig Sinn, ein Modell im Laborgerät zu fräsen. Neben verschiedenen 3D-Druckern, die im Labor eingesetzt werden, gibt es auch Dienstleister, die das konstruierte Modell in ein gedrucktes umsetzen.

3D-Druck im Labor

Die Hauptindikation für den 3D-Druck war lange – und ist heute oft auch noch – das Herstellen von Modellen aus digitalen Scans. Der 3D-Druck hat sich von Anfang an optimal in den digitalen Workflow integriert – mit der einzigen Hürde, die herausnehmbare Stümpfe bilden. Diese können je nach 3D-Drucker bzw. Konstruktionssoftware variieren. Hat man jedoch die richtigen Parameter gefunden und hält die regelmäßigen Wartungszyklen konsequent ein, kann man auf sehr präzise und vor allem wiederholbare Ergebnisse zurückgreifen. Neben der Möglichkeit, Modelle durch additive Fertigung zu gewinnen (Abb. 12), kennen die Labordrucker auch die Funktion, adjustierte Aufbissschienen, Bohrschablonen, ausbrennbare Modellgussformen (Wachs/Kunststoff- Gemisch) und anderes zu generieren. Das physische Modell, wie auch immer entstanden, halten wir nicht nur bei großen Arbeiten für unverzichtbar, um die gefrästen Versorgungen (Abb. 13a, b u. 14) vor der Patientenanprobe zu überprüfen.

Abb. 12: Fertigung der Modelle per 3D-Druck. Hier: durch schichtweise Maskenbelichtung des Kunstharzbades.
Abb. 12: Fertigung der Modelle per 3D-Druck. Hier: durch schichtweise Maskenbelichtung des Kunstharzbades.
Abb. 13a u. b: Maschinelles Fräsen von Zirkoniumdioxidarbeiten.
Abb. 13a u. b: Maschinelles Fräsen von Zirkoniumdioxidarbeiten.
Abb. 14: Sowohl das Zirkoniumdioxidgerüst für die Region 25-27 als auch das OK- und UK-Modell wurden im Labor gefertigt.
Abb. 14: Sowohl das Zirkoniumdioxidgerüst für die Region 25-27 als auch das OK- und UK-Modell wurden im Labor gefertigt.

Ausblick

Der hier beschriebene digitale Workflow behandelt nur einen Weg von vielen. Dabei spielen die Schnittstellen zwischen den verschiedenen Intraoralscannern und Konstruktionsprogrammen eine wichtige Rolle. Ob die Daten des vom Zahnarzt gewählten Scanners im Labor verarbeitet werden können, muss immer individuell geprüft und besprochen werden. Leider gibt es noch Scannerhersteller, die einen geschlossenen bzw. teilweise geschlossenen Workflow anbieten. Aus Sicht der Praxen und Labore jedoch soll und wird sich ein offener Workflow in Zukunft vollkommen durchsetzen. Denn erst durch ein offenes Datenformat kann das komplette digitale Spektrum mit seinen Vorteilen bis hin zur Materialvielfalt voll ausgeschöpft werden.

Im zweiten Teil dieses Berichtes (Link siehe unten) werden die Behandlung komplexer Fälle einschließlich Implantatarbeiten mittels digitaler Abformung und das Erstellen von Aufbissbehelfen Thema sein. 

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