In den vorhergehenden Folgen ihres mehrteiligen Beitrags wurde unter diesem Blickwinkel die Materialwahl für Zahnersatz genauso unter die Lupe genommen wie das Befestigungssystem von natürlichen Zähnen im Vergleich zu Implantaten. Neben dem zahnärztlichen und zahntechnischen Wissen gilt es aber auch, die Befindlichkeiten und Wünsche eines Patienten zu berücksichtigen, insbesondere auch Limitationen. Dies zeigen die Autorinnen am Beispiel einer 62 Jahre alten Angstpatientin, die schon länger keine Zahnarztpraxis aufgesucht hatte. In diesem Fall mussten im Oberkiefer eine insuffiziente Keramikbrücke auf nicht mehr erhaltungswürdigen Restpfeilern und im Unterkiefer eine über zehn Jahre alte insuffiziente Teleskopprothese auf Wurzelresten entfernt werden. Dabei wurden alle Restzähne extrahiert und Implantate gesetzt. Nach der sorgfältigen Planung, den chirurgischen Schritten und der provisorischen Phase geht es jetzt um die Anfertigung und Fertigstellung des endgültigen Zahnersatzes.
Die Herstellung der definitiven Versorgung
Bereits nach der ersten prothetischen Patientensitzung (Abb. 59) konnten die Modelle hergestellt und einartikuliert werden. Mithilfe der Klarsichtschablone wurde auch gleichzeitig die Zahnaufstellung des Oberkiefers übertragen und diente so als Anhaltspunkt. Auf diese Weise kann man schnell und sicher weiterarbeiten (Abb. 60 u. 61).
Auf Abbildung 62 ist erkennbar, wie gut die zuvor geplante Position der Implantate eingehalten und übertragen wurde. So macht uns Zahntechnikern die Arbeit Spaß!
Damit für die Konstruktion der Abutments die Oberkiefersituation besser eingescannt werden konnte, wurde die Klarsichtprothese noch einmal in rosa Plattenwachs als Wax-up umgesetzt (Abb. 63), im Unterkiefer wurden konfektionierte Zähne dazu aufgestellt. Im Fräsgerät legten wir nun den optimalen Einschub fest (Abb. 64) und fixierten die ermittelte Richtung mithilfe eines Bohrers und Klebewachs am Modellboden (Abb. 65); dies sollte eher im dorsalen Bereich des Gaumendaches geschehen. Wir sandten unsere eingescannten Daten für die individuellen Abutments zu Atlantis (Dentsply Sirona/Atlantis WebOrder). Hat man keine Möglichkeit selbst zu scannen, kann man auch die Modelle per Post zu Atlantis schicken.
Danach erhält man einen virtuellen Design-Vorschlag, den man noch individuell verändern kann (Abb. 66 u. 67). Die angelieferten Abutments waren feinstgefräst und wurden im Labor kontrolliert und nur noch hochglanzpoliert. Die Größe und die Ausdehnung der Abutments wurden mithilfe der Aufstellung im Unterkiefer und der Oberkiefer-Klarsichtprothese kontrolliert (Abb. 68 u. 69).
Im nächsten Schritt wurde die Unterkiefer-Aufstellung über die Abutments für die Einprobe angepasst. Im Oberkiefer wurde das Wax-up durch eine Wachs-Aufstellung ersetzt (Abb. 70–72).
Die Optimierung der Aufstellung in der Front erfolgte zusammen mit der Patientin nach phonetischen Gesichtspunkten, da der gesamte „orale“ Raum, bestehend aus Wange, Zunge und Lippe, entscheidend für die Ästhetik und Sprachbildung ist**. Über die Abutments wurden Verblendschalen (Novolign, bredent/Senden) aufgestellt, da diese im Gegensatz zu Vollzähnen nicht ausgeschliffen werden müssen und trotzdem eine gute Ästhetik bieten. Danach ging es zur Abutmenteinprobe und Kontrolle sowie zur Ästhetikeinprobe in die Praxis. Dort konnte der Behandler mithilfe der mitgelieferten und gedruckten Insertion- Guides die Abutments schnell und sicher einschrauben (Abb. 73–76). Als zusätzliche Passungskontrolle dienten laborgefertigte Schienen aus lichthärtendem Kunststoff (Abb. 77 u. 78). Sollten sich dabei Ungenauigkeiten herausstellen, muss die Abformung noch einmal wiederholt werden. Nachdem aber bei unserer Patientin alles spannungsfrei passte, erfolgten abschließend die Wachseinprobe und Bisskontrolle mit Verschlüsselung der Bisssituation (Abb. 79–81).
Nachdem die Einprobe zufriedenstellend verlaufen war, konnten nun die Gerüste angefertigt und alle Arbeiten fertiggestellt werden. Zuerst wurde die Okklusion noch nach der neuen Bissnahme überprüft und angepasst. Danach erfolgte die Fixierung der Zähne mithilfe von transparentem Vorwall-Silikon (Abb. 82), bevor die Modelle für das Einstückguss- und Pressverfahren vorbereitet und dubliert wurden. Für beide Verfahren wurden Einbettmassen und Materialien der Firma bredent verwendet, die in unserem Labor genau darauf abgestimmt wurden und so ein sehr gutes Ergebnis (Abb. 83) liefern. Sowohl im Unterkiefer als auch bei den Oberkiefer-Teleskopkronen wurde distal eine zusätzliche Friktionshilfe (TK-Soft, Si-tec/Herdecke) eingearbeitet. Mithilfe dieser „Feinjustierung“ kann man den Tragekomfort und das Ein- und Ausgliedern der Sekundärkonstruktion besser einstellen und langfristig erhalten (Abb. 84).
Nach dem Ausarbeiten und Aufpassen wurden beide Gerüste mit einem Opaker versehen und für die Fertigstellung vorbereitet (Abb. 85 u. 86). Die konfektionierten Verblendschalen wurden sauber gestrahlt, gebondet und im Vorwall fixiert.
Die Komplettierung mit Kunststoff erfolgte dann bei beiden Gerüststrukturen gleich. Zuerst wurden die Verblendschalen mit Befestigungskomposit (Combolign, bredent) am Gerüst fixiert und lichtgehärtet (Abb. 87). Durch diese Methode entsteht eine Art „Sandwich“-Effekt: Hochvernetzte Komposit-Schalen sind elastisch befestigt und sollen den Druck abfedern. Wir haben sehr gute und langjährige Erfahrungen mit diesem System gemacht und können es auch weiterempfehlen. Wichtig dabei ist nur, sich genau an die Verarbeitungsanleitung zu halten und kein Fremdmaterial zu verwenden. Denn PEEK ist chemisch inert und verträgt keine Experimente (vgl. auch die Beiträge von ZTM Horst-Dieter Kraus „Metallfreie Teleskopprothesen im Ober- und Unterkiefer“ unter www.ztm-aktuell.de/kraus und von Dr. Angelika Rzanny et al. „PEEK: Werkstoffkundliche Eigenschaften – mit Blick auf die dentale Anwendung“ unter www.ztm-aktuell.de/rzanny).
In dieser Phase kann man auch noch farbliche Individualisierungen vornehmen (Abb. 88 u. 89), bevor man alles mit einem rosa Kaltpolymerisat (Unilign PF40, bredent) vervollständigt (Abb. 90–94).
Im Zuge der Fertigstellung nutzten wir die vorhandenen Modelle und den Vorwall, um gleichzeitig eine einfache Ersatzprothese anzufertigen (Abb. 95). Da der Aufwand nicht sehr hoch ist, kann dies kostengünstig umgesetzt werden. So sind die Patienten nie ohne Zähne bei Reparaturmaßnahmen oder auf Reisen.
Nach der letztmaligen Anprobe und Eingliederung zeigte sich unsere Patientin sehr zufrieden mit ihrem neuen Lächeln (Abb. 96 u. 97). Sie konnte nun der Hochzeit ihres Sohnes mit schönen und festen Zähnen entgegensehen und das Fest genießen.
Schlussbemerkung: Acht Wochen nach der endgültigen Eingliederung war noch eine Unterfütterung der Oberkieferbasis notwendig geworden, nachdem sich noch leichte Veränderungen der Bindegewebsanteile einstellten. Dieser Umstand war der schnellen Anfertigung in dem kurzen Zeitraum geschuldet. Mittlerweile trägt die Patientin die Versorgung jedoch seit über zwei Jahren und die Situation ist stabil.
Der straffe Zeitplan
Der vorgelegte Zeitplan war wegen der guten Planung und Vorbereitung in dieser Weise umsetzbar:
- 02. März: Extraktion und zeitgleiches Eingliedern OK-Provisorium
- 10. März: Implantation im OK
- 09. Juni: Implantation im UK, OK/UK-Provisorien anpassen und unterfüttern • Einheilphase
- 20. Juli: Freilegung
- 27. Juli: Abformung
- 04. August: Kontrolle, Abformung und Bissnahme
- 07. August: Frontaufstellung, Optimierung im Labor
- 11. August: Einprobe
- 16. August: Eingliederung
- 18. Oktober: Unterfütterung Oberkiefer
Fazit
Durch eine gute und gemeinsame Planung im Team sind auch komplexe Versorgungen erfolgreich machbar. Wichtig dabei ist unserer Meinung nach, dass alle Beteiligten bereits im Vorfeld zusammen mit dem Patienten die notwendigen Maßnahmen und das gewünschte Ergebnis festlegen und besprechen. Dies sehen wir vor allem dann als wesentlich oder gar bindend an, wenn neue Verfahren oder alternative bzw. experimentelle Werkstoffe zur Anwendung kommen – wie in unserem Fall PEEK – und die Anzahl der inserierten Implantate auf ein Minimum reduziert ist.
Bei allem nutzen wir die „Zeitfenster“ der Natur, indem nach Zahnverlust/-extraktion die Implantate so zügig wie möglich in die vorhandenen Alveolen inseriert werden. Dadurch erspart man dem Patienten aufwendige Zusatzmaßnahmen und kann auch bei finanziell limitierten Patienten hochwertige und langlebige Lösungen erreichen. Jedoch müssen alle Beteiligten genügend Wissen und Erfahrung mitbringen, um in Grenzbereichen der Medizin, Zahnmedizin und Technik trotzdem sichere Ergebnisse erzielen zu können. Gerade hier zeigt sich auch die Notwendigkeit, Zahntechniker und Chirurgen von Anfang an mit „ins Boot“ zu holen. Auf dieser Basis entsteht beim Patienten ein Gefühl des Vertrauens und der Sicherheit. Läuft dann einmal etwas nicht ganz „rund“, stellt es meistens kein Problem dar. Leider erleben wir immer wieder mal die Situation, dass bei Komplikationen gegenseitige Schuldzuweisungen stattfinden und der Patient zwischen die „Fronten“ gerät und allein gelassen wird. Das fördert auch ein negatives Meinungsbild über unseren Berufsstand und kann zu Verunsicherung und Vertrauensverlust bei den Patienten führen. Das vermeiden wir von Anfang an durch eine enge und überlegte Zusammenarbeit.
Über das Ergebnis können sich dann Patienten und auch wir uns aus unseren jeweiligen Berufen heraus freuen. Wir bemühen uns, naturkonforme Implantatversorgungen anzufertigen, die der Evolution und der Natur folgen. Dazu wählen wir erstens die geeigneten Materialien, die dem Abrasionsverhalten natürlicher Zähne nahekommen und somit eine Anpassung ermöglichen, außerdem eine elastische und schockabsorbierende Wirkung besitzen und reparaturfähig sind. Zweitens sorgen wir für eine stabile, funktionelle Okklusion und drittens wählen wir die Stellung und Größe der gewählten Implantate so naturnah wie möglich aus, um eine optimale Krafteinleitung in den Knochen zu gewährleisten. Der Zahnersatz fügt sich damit störungsfrei in den Mund ein. Er soll weder die Zunge einengen noch das Sprechen beeinträchtigen und zudem gut reinigbar sein. Bei Beachtung dieser Kriterien können Implantate so effizient und langlebig wie möglich versorgt werden, denn genau das hat die Evolution im ausdifferenzierten heterodonten und gleichzeitig thekodonten (mit im Zahnfach verankerten Zähnen) Gebiss des Menschen erreicht. Deshalb sollten auch wir versuchen – wie es die Natur vorgesehen hat – in Qualität und nicht in Quantität zu investieren.
Literaturhinweise:
** Anregungen zur Aufstellung mithilfe der Sprachmotorik gibt z.B. Fachliteratur der Kollegen Jürg Stuck und Karl-Heinz Körholz:
- Stuck J. Zahnaufstellung in der Totalprothetik. Quintessenz Verlags-GmbH, Berlin, 1982, S. 341–423.
- Stuck J. Das Aufstellen von Frontzähnen nach logopädischen Prinzipien. Phillip Journal 7–8 1997.
- Körholz KH. TiF® Totalprothetik in Funktion. Quintessenz Verlags-GmbH, Berlin, 1999.
Weiterführende Links
- Teil 1: Implantatprothetik – aus der Evolution heraus betrachtet
- Teil 2: Implantatprothetik – aus der Evolution heraus betrachtet
- Teil 3: Implantatprothetik – aus der Evolution heraus betrachtet
- Teil 4: Implantatprothetik – aus der Evolution heraus betrachtet
Näheres zu den Autoren des Fachbeitrages: ZTM Petra Streifeneder-Mengele
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