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Teil 2: Der Workflow mit Startpunkt Intraoralscanner

Von der Ganzkieferabformung bis zur umfassenden Rehabilitation

Während Zahnärzte die optische Abformung schon seit längerer Zeit als Grundlage für Einzelzahnrestaurationen und kleinere Brücken nutzen, stellen sie heute immer öfter die Frage: Ist es auch möglich, von diesem Startpunkt aus komplexe Restaurationen oder Implantatarbeiten anzufertigen? Dr. Ingo Baresel und ZTM Florian Schmidt – beide Mitglieder der Deutschen Gesellschaft für digitale orale Abformung (DGDOA) – haben sich konkret dieses Themas angenommen: Hier stellen sie einen Patientenfall vor, der vom ersten Schritt an digital gelöst wurde.

Placeholder – News shutterstock

Teil 1 (Link siehe unten) dieses Beitrags schilderte den generellen Workflow vom digitalen A wie Abformung bis zum digitalen Z wie Zahnersatz. Bei der Frage nach komplexen Restaurationen muss man zusätzlich klären, welche Voraussetzungen dafür nötig sind.

Wann sind Intraoralscanner für große Arbeiten einsetzbar?

Abb. 1: Handstücke verschiedener Scannerhersteller. Für Ganzkieferabformungen muss auch der ungehinderte Zugang zu den Molaren möglich sein.
Abb. 1: Handstücke verschiedener Scannerhersteller. Für Ganzkieferabformungen muss auch der ungehinderte Zugang zu den Molaren möglich sein.

Um komplexe Restaurationen mit vielen Pfeilern präzise herstellen zu können, ist es natürlich unabdingbar, dass die Intraoralscanner (Abb. 1), die man einsetzen möchte, sehr präzise Daten liefern. Dass dies gelingt, konnten u. a. Ender oder Patzelt [1-4] in ihren Untersuchungen auch für den Ganzkieferscan nachweisen.

Entscheidend ist sodann die Scanstrategie bei Zahnersatzarbeiten mit vielen Pfeilern. Diese wird vom Scannerhersteller vorgegeben.

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Manche Intraoralscanner bieten nur die Möglichkeit eines Scans der Gesamtsituation an. Da es – wie bei der klassischen Abformung auch – bei mehreren präparierten Zähnen nicht möglich ist, diese alle trocken und blutungsfrei zu halten, ist es im Anschluss nötig, die gescannten Präparationen durch Ausschneiden und Nachscannen zu korrigieren. Auch die Option eines Scans vor der Präparation mit anschließendem Ausschneiden der zu scannenden Region und Einrechnen der präparierten Pfeilerzähne in diesen Vorscan ist aufgrund der zu geringen Informationen zur Überlagerung (Matching) nur bei Einzelzahnrestaurationen möglich. Möchte man so mehrere nebeneinander liegende präparierte Pfeiler einrechnen, sind die verbleibenden Informationen der umliegenden Strukturen zu gering, um die genaue Position des einzeln gescannten Pfeilers zu bestimmen. Man hat also zwar die genaue Abformung des Zahnes, allerdings keine genaue Information über die Stellung dieses Zahnes innerhalb des Kiefers.

Es gibt aber auch Intraoralscanner, die die Präparationen einzeln in hoher Auflösung aufnehmen und diese dann in einen Scan der gesamten Kiefersituation nach Präparation einrechnen. Dies bietet den Vorteil, dass man sich beim Scanvorgang – gerade im Fall der Präparation von mehreren Pfeilern – jedem dieser Pfeiler einzeln widmen kann und somit die notwendigen Retraktionsmittel erst kurz vor dem Scan entfernen muss. Aufgrund dieser Scanstrategie eignen sich derartige Scanner auch sehr gut zum Scannen von Ganzkiefersituationen: nicht nur zur Herstellung von Zahnersatz, sondern auch für die Therapie mit Aufbissschienen oder als Grundlage zur Herstellung von Bohrschablonen für die Implantologie.

Digitales Abformen für Implantatversorgungen und Weiterarbeiten im Labor

Die Abformung von Implantatversorgungen gehört ebenfalls zu einem der großen Vorteile der digitalen Vorgehensweise. Die Übertragung der Implantatsituation im Mund war bisher für Patienten und Arzt mit konventionellen Methoden häufig unkomfortabel und diffizil. Durch lange Übertragungspfosten war gerade im Molarenbereich das Entfernen der Abformung häufig sehr schwierig. Zudem war die Abformung von Implantaten und Zähnen zugleich oft nicht in allen Bereichen präzise, sodass Wiederholungen der Abformung nötig wurden. Diese Problematiken liegen bei der digitalen Abformung nicht vor. Moderne Intraoralscanner bieten die Möglichkeit, zunächst den Restkiefer inklusive der offenen Implantatschraube zu scannen, um das Emergenzprofil darzustellen (Abb. 2).

Abb. 2: Emergenzprofil nach Intraoralscan.
Abb. 2: Emergenzprofil nach Intraoralscan.
Abb. 3: Scanbodys verschiedener Hersteller.
Abb. 3: Scanbodys verschiedener Hersteller.
Abb. 4a u. b: Situation ohne und mit Scanbody.
Abb. 4a u. b: Situation ohne und mit Scanbody.

Anschließend wird ein zu Implantatsystem und Implantatgröße passender Scanpfosten, auch Scanbody genannt, eingeschraubt (Abb. 3, 4a u. b), um die Implantatposition zu übertragen. Dieser wird ebenfalls gescannt. Die Software des Scanners rechnet diesen automatisch in den ersten Scan ein.

Nach Abformung des Gegenkiefers und der digitalen Bissnahme ist der Vorgang der Abformung beendet und die Daten können ins Labor versandt werden (Abb. 5a u. b). Sollten weitere präparierte Zähne in dieser Abformung enthalten sein, können diese natürlich einzeln präzise abgeformt und sofort am Monitor überprüft werden.

Abb. 5a u. b: Auch komplexe Implantatfälle lassen sich mit dem Startpunkt Intraoralscanner lösen.
Abb. 5a u. b: Auch komplexe Implantatfälle lassen sich mit dem Startpunkt Intraoralscanner lösen.
Abb. 6a u. b: Matching der Implantatbibliothek mit dem Scanbody über drei Punkte.
Abb. 6a u. b: Matching der Implantatbibliothek mit dem Scanbody über drei Punkte.
Abb. 7: Ermittlung der genauen Implantatposition.
Abb. 7: Ermittlung der genauen Implantatposition.

Im Labor wird der Scanbody durch einen in der Bibliothek vorhandenen „Muster“-Scanbody mit drei Punkten gematcht (Abb. 6a u. b). Da es in der Bibliothek dann auch das passende digitale Laboranalog dazu gibt, kann die genaue Implantatposition errechnet werden (Abb. 7).

Auf dem dentalen Markt gibt es mittlerweile eine große Anzahl an verschiedenen Scanbodys. Jedoch sind nur wenige für den digitalen Workflow qualitativ geeignet und auch kompatibel. Das hängt damit zusammen, dass die meisten Geometrien, die man über die Implantathersteller oder Drittanbieter beziehen kann, zuerst für den Desktop- Scanner entwickelt wurden. Diese können zwar alle intraoral gescannt werden und es kann im Labor daraus auch ein Abutment generiert werden, jedoch ist eine anschließende Modellherstellung nicht möglich. Das hängt damit zusammen, dass bei solchen Desktop-Bibliotheken kein Laboranalog für das gedruckte oder gefräste Modell vorhanden ist. Daher ist es wichtig, zuerst abzuklären, ob im Labor die passende Bibliothek für den digitalen Workflow mit dem Intraoralscanner vorhanden ist.

Neben der Kompatibilität spielt auch die Geometrie des Scanbodys eine entscheidende Rolle. Je komplexer ein Scanbody aufgebaut ist, desto leichter wird dieser vom Scanner erfasst. Da der Scanner beim Scanvorgang die einzelnen Scans zusammenfügt, d. h. matcht, sind runde bzw. zylindrische Formen schwieriger zu erfassen als kantige. Somit kann es passieren, dass Rundungen vom Scanner nicht richtig erkannt werden und der Matching- Prozess im Labor fehlerhaft abläuft (Abb. 8). Ein Querschnitt durch den Scanbody zeigt, dass dieser nicht rund, sondern oval erfasst wurde (Abb. 9a u. b).

Abb. 8: Hier wurden die Rundungen vom Scanner nicht richtig erkannt.
Abb. 8: Hier wurden die Rundungen vom Scanner nicht richtig erkannt.
Abb. 9a u. b: Der Scanbody wurde aufgrund der runden Geometrie falsch vom Scanner erfasst.
Abb. 9a u. b: Der Scanbody wurde aufgrund der runden Geometrie falsch vom Scanner erfasst.

Die 3D-Navigation schließt sich an

Der Einsatz des intraoralen Scanners spielt für die Planung der Implantate eine wichtige Rolle. Neben der Digitalen Volumentomografie (DVT), der virtuellen Festlegung der Implantatposition und dem 3D-Druck der Bohrschablone liegt es nahe, die Abformung der Zähne und Weichgewebe ebenfalls digital vorzunehmen. Dadurch werden Fehlerquellen wie Abbindekontraktion und Gipsexpansion vermieden und die digitalen Abläufe bei der Planung erleichtert. Für die virtuelle Implantatplanung werden der Dicom-Datensatz aus dem DVT und der STL-Datensatz aus dem Intraoralscanner über drei Punkte zusammengefügt (Abb. 10).

Abb. 10: Der Dicom- und der STL-Datensatz werden über drei Punkte gematcht.
Abb. 10: Der Dicom- und der STL-Datensatz werden über drei Punkte gematcht.
Abb. 11: Anzeichnen des Kanals des N. alveolaris mandibulae ...
Abb. 11: Anzeichnen des Kanals des N. alveolaris mandibulae …
Abb. 12: ... als Orientierung bei der virtuellen Implantation.
Abb. 12: … als Orientierung bei der virtuellen Implantation.
Abb. 13: Bei der Planung wird zuerst ein Zahn konstruiert (digital aufgewachst).
Abb. 13: Bei der Planung wird zuerst ein Zahn konstruiert (digital aufgewachst).
Abb. 14: Festlegen der Implantatposition unter Berücksichtigung des Knochens und des Mandibularkanals.
Abb. 14: Festlegen der Implantatposition unter Berücksichtigung des Knochens und des Mandibularkanals.
Abb. 15: Auf Grundlage des geplanten Implantates wird eine virtuelle Bohrschablone erzeugt.
Abb. 15: Auf Grundlage des geplanten Implantates wird eine virtuelle Bohrschablone erzeugt.

Anschließend wird der N. alveolaris mandibulae im Scan markiert (Abb. 11 u. 12). Um die Implantatposition auch unter prothetisch-ästhetischen Gesichtspunkten planen zu können, wird zuerst virtuell ein virtuell aufgewachster Zahn in der Region des Implantates platziert (Abb. 13). Nun kann das Implantat digital gesetzt (Abb. 14) und daraus eine Bohrschablone erzeugt werden (Abb. 15).

Modelle und Schienenherstellung

Komplexe Restaurationen und Implantatversorgungen gehen oft auch mit anderen Behandlungen einher. Hier seien Schienen im digitalen Workflow herausgegriffen. Hat man die virtuellen Daten aus der Abformung (als Negativ) vorliegen, lassen sich diese per Knopfdruck in das digitale Modell (als Positiv) umwandeln. Dieses kann als Grundlage für die Herstellung von Nachtschienen zum Schutz der Restauration dienen, ebenso für Aligner und schließlich für Aufbissbehelfe in Rahmen der Schienentherapie. Zahntechniker, die ihre Schienen frästechnisch oder im 3D-Druck gewinnen wollen, konstruieren diese zunächst virtuell auf dem Modell und senden dann die Daten an die Software des jeweiligen Produktionsgerätes. Wenn man zur Schienenherstellung das Tiefziehverfahren vorzieht, druckt man das Dentalmodell der Zahn- und Kiefersituation aus (vgl. in Teil 1 dieses Beitrags). Dieses ist selbstverständlich auch für die Kontrolle des physisch umgesetzten Zahnersatzes nützlich.

Schlussbetrachtung: Zweigleisig arbeiten – und intensiver kommunizieren

Durch die digitale intraorale Abformung eröffnen sich heute viele Möglichkeiten, die bislang auf Grundlage der konventionellen Abformung in der Form gar nicht denkbar waren. Gerade im zahntechnischen Labor wird das digitale Spektrum immer breiter und durch den Startpunkt Intraoralscan erübrigen sich Fertigungsschritte. Das Arbeiten am PC ist effizient … aber: Ein Zahntechniker muss aktuell auch noch eine individuelle Schichtung manuell herstellen oder mit anderen konventionellen Techniken z. B. eine perfekte Friktion schaffen können. Darüber hinaus soll er auch über digitale Abläufe Bescheid wissen. Zurzeit werfen die Schnittstellen zu Scannern oder Implantatbibliotheken immer wieder Fragen auf, die nur im Team Zahnarzt/Zahntechniker gut gelöst werden können. Insgesamt ist das Erfordernis der Abstimmung, Kommunikation und Zusammenarbeit gewachsen. Das wird von Behandler- und Technikerseite begrüßt. 

Weiterführende Links

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