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Diagnostik

Teil 2: Die diagnostisch aufgewachste Stabilisierungsschiene – Klinik und Zahntechnik

Den Autoren Dr. Reinhard F. Nölting und ZTM Sergej Pede ist die Arbeit im Team ein Anliegen und gelebter Alltag. Hier stellen sie deshalb einen Patientenfall in seiner Gänze dar. Nach den zahnärztlichen Schritten in Teil 1, die sich wesentlich um die patientenindividuelle Kieferrelationsbestimmung, Gelenkbahnneigung und Gewinnung von Registraten drehten, geht es nun im Labor weiter. Thema ist ein CMD-Fall.

Modellation der „Eckzahnführung“ auf dem Schienenzahn 24.
Modellation der „Eckzahnführung“ auf dem Schienenzahn 24.
Modellation der „Eckzahnführung“ auf dem Schienenzahn 24.

Im ersten Teil waren auch zielführende Abformverfahren besprochen worden. Denn lebenswichtig für den späteren Erfolg ist die perfekte Abformung als Grundlage für das ebenso perfekte Modell.

Modellherstellung

Als Erstes werden die Abformungen im Labor einer Eingangsdesinfektion unterzogen. Die Abformung des Unterkiefers erhält eine linguale Ausblockung aus Knetsilikon. Zusätzlich wird in etwa 5 mm Abstand von der dargestellten Umschlagfalte an der OK- und UK-Abformung ein Balkon aus Knetsilikon angebracht (Abb. 14 u. 15). Die Abformungen werden mit einem für das Material geeigneten Oberflächenentspanner nach Herstellerangaben besprüht und die Überschüsse verblasen.

Abb. 14: UK-Abformung zur Modellherstellung vorbereitet.
Abb. 14: UK-Abformung zur Modellherstellung vorbereitet.
Abb. 15: OK-Abformung zur Modellherstellung vorbereitet.
Abb. 15: OK-Abformung zur Modellherstellung vorbereitet.

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Zur Modellherstellung dient ein Klasse-IV-Gips, der im Vakuumverfahren nach Herstellerangaben angemischt wird. In kleinen Portionen wird Zug um Zug der Gips z. B. mit einem kleinen Pinsel in die Abformung auf dem Rüttler eingebracht. Auf eine langsame und blasenfreie Vorgehensweise ist zu achten. Wenn der Zahnkranz komplett gefüllt ist, wird mit dem Anmischspatel ein leichter Überschuss auf die gefüllte Abformung aufgetragen und unter leichtem Fingerklopfen eine genoppte Verpackungsfolie als Retentionsgeber adaptiert. Das Abbinden des Gipses hat unbedingt bei auf dem Rücken liegendem Abformlöffel zu erfolgen. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass die Gipspartikel innerhalb der Abformung in Richtung der abgeformten Kauflächen hin sedimentieren. So ist in diesem Bereich die Güte des Gipses am besten. Erst nach der kompletten Abbindung der ersten Phase wird die Noppenfolie entfernt und der gleiche Gips, falls erforderlich, zur Sockelung der Modelle in einem Modellsockler verwendet. Die Entformung nach Abbinden des Sockels wird durch einen Luftbläser erleichtert. Zuvor wird der zirkuläre Knetsilikonbalkon entfernt. Die Modelle werden auf die Fertigungsgüte hin untersucht und getrimmt. Gegebenenfalls vorhandene Gipsperlen in den Kauflächen lassen sich mit einem kleinen X-Acto® Messer absprengen.

Modellmontage des OK-Modells

Die Impressionen im Silikonmaterial auf der Bissgabel werden mit einem scharfen großen X-Acto® Messer zurückgeschnitten (Abb. 16). Der Bissgabelträger wird mit einem Montagestand direkt in den Artikulator positioniert. Eine Bissgabelstütze unterstützt und sichert die räumliche Lage der Bissgabel. Das OK-Modell wird auf die Bissgabel positioniert und eine Distanzkontrolle zur oberen Montageplatte vorgenommen.

Abb. 16: Zurückschneiden der OK-Zahnimpressionen auf der Bissgabel.
Abb. 16: Zurückschneiden der OK-Zahnimpressionen auf der Bissgabel.
Abb. 17: Bißgabel mit Stütze gesichert. Montagegips zuerst auf die Montageplatte klopfend auftragen.
Abb. 17: Bißgabel mit Stütze gesichert. Montagegips zuerst auf die Montageplatte klopfend auftragen.
Abb. 18: Auftrag des Montagegipses auf Modell („C“-Griff mit der linken Hand wurde nur aus Darstellungsgründen weggelassen!).
Abb. 18: Auftrag des Montagegipses auf Modell („C“-Griff mit der linken Hand wurde nur aus Darstellungsgründen weggelassen!).

Starke Dimensionsunterschiede müssen am Sockel weggetrimmt werden. Empfehlenswert ist ein etwa kleinfingerdicker paralleler Abstand zwischen Modellsockel und Montageplatte. Das Artikulator-Oberteil wird über einen Abstützstift komplett geöffnet. Als Montagematerial dient in unserem Fall sahnig angemischter Kerr Snow-White®. Mit dem Gipsspatel werden zunächst die Retentionen der Montageplatte klopfend gefüllt. So fließt das Material auch sicher in die Unterschnitte (Abb. 17). Das Modell wird mit der Hand durch einen C-Griff auf der Bissgabel gesichert. Der Montagegips wird wie üblich aufgebracht (Abb. 18). Das Artikulator-Oberteil wird jetzt in leichten Auf- und Abbewegungen immer weiter geschlossen. So kann der überschüssige Montagegips verteilt werden, ohne Spannung auf die Bissgabel auszuüben. Erst jetzt wird der C-Griff gelöst. Überschüsse können vorsichtig entfernt werden.

Einstellen des UK-Modells

Abb. 19: Passungskontrolle des Registrats mit zurückgeschnittenen UK-Impressionen.
Abb. 19: Passungskontrolle des Registrats mit zurückgeschnittenen UK-Impressionen.

Das Registrat wurde vom Zahnarzt auf der Oberkieferseite reduziert. Um die Modelle einstellen zu können, müssen – wie oben beschrieben – auch die Unterkiefer-Impressionen unter fließendem kaltem Wasser zurückgeschnitten werden. Es folgt die Passungskontrolle des Registrats auf den Modellkauflächen (Abb. 19).

Die über die Registrate verbundenen Modelle werden in einer Hand mittig mit Daumen und Mittelfinger gehalten. Mit einer Heißklebepistole wird in der Umschlagfalte von OK- und UK-Modell in der Front je ein kleiner Klebepunkt angebracht. Darauf wird ein Stahlnagel gelegt und mit einer weiteren Heißklebung fixiert. Der Kleber wird mit Kältespray gekühlt. Es folgen unter Beibehaltung des Fingerdrucks Fixierungen im Bereich der 8er links und rechts.

Montage des Gegenkiefers

Der auf den Kopf gedrehte Artikulator befindet sich in einem Montagestand. Das Artikulator-Unterteil wird auf Inzisalstifthöhe „+ 3 mm“ geschlossen und die Dimensionierung des Abstandes von Modellsockel und Montageplatte überprüft (Abb. 20). Kann die Parallelität oder gleichmäßige Stärke der Fuge durch Trimmen des Modells nicht erzielt werden, ist zweizeitig zu montieren.

Abb. 20: Gegenkiefer-Montage, Ausgangssituation.
Abb. 20: Gegenkiefer-Montage, Ausgangssituation.
Abb. 21: „Erstmontage-Dummy“ mit Noppenfolien-Impressionen.
Abb. 21: „Erstmontage-Dummy“ mit Noppenfolien-Impressionen.

Zum Ausgleich der Dimensionsunterschiede dient ein „Erstmontage-Dummy“. Dies ist eine Montageplatte, auf die eine etwa 1 cm starke Knetsilikonschicht mit Noppenfolien- Impressionen aufgebracht wurde (Abb. 21).

Im ersten Montageschritt wird auf den UK-Sockel eine ausreichende Menge Montagegips aufgebracht und das Artikulator-Unterteil mit dem „Erstmontage-Dummy“ geschlossen. Die Montagegips-Überschüsse werden entfernt. Erst nachdem der Gips seine thermische Abbindephase komplett abgeschlossen hat, wird der Dummy entfernt und durch eine neue Montageplatte ausgetauscht. Die Montage wird wie gewohnt vervollständigt.

Das Artikulator-Unterteil wird wieder in leichten Auf- und Abbewegungen immer weiter geschlossen, bis der Inzisalstift sicher mit dem Inzisaltisch kontaktiert. Dabei ist das verschlüsselte Modellpaar wieder mit dem C-Griff vor Verkippungen zu sichern.

Montagekontrolle

Nach Erkalten der zweiten Montage erfolgt die Montagekontrolle. Der Artikulator wird aus dem Montagestand genommen. Eine Hand sichert das verschlüsselte Modellpaar. Mit der anderen Hand wird das Artikulator-Oberteil gegen die Magnetkraft geöffnet. Der Magnet im Oberteil wird entfernt und der Artikulator geschlossen (Abb. 22). Es folgt die Überprüfung des Kontaktes von Inzialstift und -tisch mit Shimstock-Folie. Wenn dieser gegeben ist, kontrolliert man den Halt der Folie in den Einschnitten zwischen den Montageplatten und des Montagesockels. Erst wenn die Folie an allen Einschnitten sowie am Inzisalstift hält, kann die Verschlüsselung der Modelle gelöst werden. Andernfalls wird die zweite Phase der Unterkiefermontage mit beibehaltener Verschlüsselung wiederholt.

Abb. 22: Shimstock-Kontrolle des Inzisalstift-Kontaktes ohne Magnetplatte.
Abb. 22: Shimstock-Kontrolle des Inzisalstift-Kontaktes ohne Magnetplatte.
Abb. 23: Mit dem Protrusionsregistrat verschlüsselte Modelle, nachjustierter Stützstift.
Abb. 23: Mit dem Protrusionsregistrat verschlüsselte Modelle, nachjustierter Stützstift.

Programmierung der Kondylargehäuse

Das Protrusionsregistrat wird bis auf leichte Impressionen wie gewohnt zurückgeschnitten. Handgehalten interkuspidiert man die gesockelten Modelle in das Registrat. Es erfolgt die Verschlüsselung mit Heißkleber und Stahlnägeln. Im Artikulator werden die Zentrikschlösser und das Kondylargehäuse gelöst. In das auf den Kopf gestellte Artikulator- Oberteil wird das verschlüsselte Modellpaar eingesetzt. Das Artikulator-Unterteil wird frei auf die Montageplatte des Unterkiefermodells eingeordnet. Nun bringt man den Inzisalstift auf Kontakt mit dem Inzisalteller. Mit mäßigem Druck des freien Handballens wird das Unterteil des Artikulators fixiert (Abb. 23).

Abb. 24: Programmiertes Kondylargehäuse – hier mit ca. 38 ° Neigung.
Abb. 24: Programmiertes Kondylargehäuse – hier mit ca. 38 ° Neigung.

Ein Kondylargehäuse wird so gedreht, dass die Kondylarkugel mit der Kondylarbahn des Gehäuses Kontakt macht. Dann wird das Gehäuse in dieser Position angezogen. Mit dem anderen Kondylargehäuse wird entsprechend verfahren.

Durch die Protrusion hat der gesamte Unterkiefer der anatomischen Gelenkbahn folgend eine kaudoventrale Positionsverlagerung vollzogen. Natürlich sind auch die Kondylen des Patienten dieser Bahn folgend nach kaudoventral verlagert worden. Indem, wie oben beschrieben, die Kondylargehäuse im Artikulator programmiert worden sind, haben wir uns indirekt über das Christensensche Phänomen dem sagittalen Verlauf der Gelenkbahnneigung des Patienten annähern können (Abb. 24).

Distanzkontrolle – Modellation

Das Protrusionsregistrat wird entnommen, um die Zentrikschlösser zu schließen. Wir heben das Artikulator-Oberteil an, stellen den Inzisalstift hoch, senken das Oberteil federleicht bis auf den ersten Kontakt von OK- zu UK-Modell ab, ziehen den Inzisalstift wieder auf Kontakt und drehen die Schraube des Stiftes fest. Mit Shimstock-Folie wird gecheckt, ob der Stift auch sicher mit dem Teller in Kontakt ist. Bei jeder Okklusionskontrolle im Artikulator ist dieses Proze-dere zu beachten. Ein plötzliches Zuklappen des Artikulator- Oberteils bei nicht gesichertem Inzisalstift würde das Modell beschädigen.

Mit Shimstock-Folie folgt die Darstellung des oder der zentrischen Kontakte in der Modellsituation. Die Vertikale der zentrischen Kontaktbeziehung am Inzisalstift wird notiert. Der Inzisalstift wird nun so weit angehoben, dass über den zentrischen okklusalen Kontakt eine Sperrung von etwa 0,8–1 mm einzustellen ist. Als Faustregel kann man sagen, dass eine Anhebung von 1 mm am Inzisalstift eine vertikale Modellsperrung von 0,5 mm in der Front und ca. 0,3 mm im Molarenbereich erzeugt. Nachdem der Stift angehoben wurde, kann mit erwärmtem Aluwax® und einem Tasterzirkel die Vertikalsperrung überprüft werden (Abb. 25 u. 26). Der Techniker weiß, wie hoch der „S“-Sprechabstand ist, und stellt sicher, dass sich die Schienen-Vertikale noch unterhalb dieser Sperrung bewegt. In dieser Vertikalen beginnt der Techniker mit der Modellation der Schienenkauflächen.

Abb. 25: Aluwax-Check über dem ersten zentrischen Kontakt.
Abb. 25: Aluwax-Check über dem ersten zentrischen Kontakt.
Abb. 26: Messen der eingestellten Vertikalsperrung für die Schiene – Distanzkontrolle.
Abb. 26: Messen der eingestellten Vertikalsperrung für die Schiene – Distanzkontrolle.
Abb. 27: Orale Ansicht links in diagnostischer Schienen-Vertikale.
Abb. 27: Orale Ansicht links in diagnostischer Schienen-Vertikale.
Abb. 28: Orale Ansicht rechts in diagnostischer Schienen-Vertikale.
Abb. 28: Orale Ansicht rechts in diagnostischer Schienen-Vertikale.

In dem Kiefer, für den die Schiene hergestellt wird, erfolgt ideal zu den Antagonisten die Modellation der Kauflächen (Abb. 27 u. 28).

Als vorteilhaft hat sich die Aufwachstechnik nach H. M. Polz erwiesen. Durch die Modellation von „Polzschen Rucksäcken“ werden nahe der Zentralfissur stabile axiale statische Kontaktbeziehungen in transversaler und sagittaler Richtung eingestellt, ohne den „immediate sideshift“ bei UK-Bewegungen zu behindern. Durch eine sinnvolle Höcker-Fossa-Beziehung orientieren sich dann die größeren Höckerspitzen der Schienenkauflächen an den Fossae der Antagonisten.

Die Verfasser bevorzugen eine konkave Frontzahnführung, wie sie der natürlichen palatinalen Zahnform eines oberen Einsers entspricht. Die Neigung des Frontzahnführungswinkels wird ca. 10 ° steiler als der Winkel der Kondylarbahnneigung eingestellt.

Zudem sollen eine symmetrische Führung über die Einser und eine gleichmäßige Kante-Kante-Beziehung zwischen den Schienen- und Naturfrontzähnen möglich sein. In der Kante-Kante-Stellung müssen sämtliche Seitenzähne sicher diskludieren.

Bei der Gestaltung der Eckzahnführung wird ebenfalls eine konkave Führungsfläche angelegt. Die Neigung ist etwa 15 ° steiler als die des Kondylargehäuses. Die Stelle, an der tatsächlich die Eckzahnführung modelliert wird, richtet sich nach der Position des antagonistischen Natureckzahnes. Das bedeutet: Bei einer Distalverzahnung kann die „Schienen-Eckzahnführung“ durchaus an der Stelle des ersten OK-Prämolaren modelliert werden (Abb. 29 u. 30).

Abb. 29: Okklusalansicht der diagnostischen Modellation.
Abb. 29: Okklusalansicht der diagnostischen Modellation.
Abb. 30: Okklusalansicht der fertigen Schienen-Outline. Die Striche stellen die Führungsflächen dar. „Eckzahnführung“ mesial auf 24!
Abb. 30: Okklusalansicht der fertigen Schienen-Outline. Die Striche stellen die Führungsflächen dar. „Eckzahnführung“ mesial auf 24!

Betrachten wir an dieser Stelle den Eckzahn etwas genauer. Ab dem prothetischen Äquator inzisalwärts hat der Eckzahn vereinfacht die Form einer dreiseitigen, gleichflächigen Pyramide (Tetraeder). Diese ist im Zahnbogen so eingebaut, dass eine Fläche nach labial zeigt und die Kanten der Pyramide in Richtung der Inzisiven und Prämolaren zeigen sowie eine Kante frei nach oral reicht. Diese Flächenorientierung hat für die Eckzahnführung eine große Bedeutung.

In der idealen Verzahnung steht der untere Eckzahn mesial des antagonistischen oberen Eckzahnes. Bei der Laterotrusion gleitet der distale inzisale Abhang des unteren Eckzahnes entlang des mesialen Abhangs des oberen Eckzahnes. Wird in dieser exkursiven Stellung Kaudruck ausgeübt, gleitet der untere Eckzahn, der schrägen Kontaktfläche folgend, nach anterior. Dadurch bleibt folglich auch der entsprechende Kondylus auf dieser Seite in der anterioren Position. Axel Bumann spricht hier von einer „dorsal-protektiven Laterotrusion“ [9].

Ist die Anordnung der Eckzahnführungsflächen umgekehrt – was bedeutet, dass der mesiale Abhang des unteren Eckzahnes mit dem distalen Abhang des oberen Eckzahnes (oder Schienen-Eckzahnführung!) führt, – würde bei exzentrischer Kaubelastung im Eckzahnbereich der Unterkiefer nach dorsal abgleiten und der Kondylus im Kiefergelenk des Patienten die bilaminäre Zone belasten.

Fertigstellung des Schienendesigns – Umsetzung in Kunststoff

Nachdem die Kauflächen der Schiene fertig modelliert wurden, erfolgt die Ausgestaltung der Schienen-Outline. Die Schiene soll die Labialflächen der Frontzähne im inzisalen Drittel sicher fassen. Im Seitenzahnbereich wird die Schiene bis knapp unter den prothetischen Äquator ausgedehnt. Zahnlücken oder stark untersichgehende Approximalkontakte sollten etwas ausgeblockt werden. Für die vestibuläre Umfassung wird in den festgelegten Grenzen eine ca. 1 mm dicke Schicht Modellierwachs aufgetragen. Im Palatinalbereich wird die Schiene etwa 1–2 cm apikal der Gingivagirlande ausgedehnt. Hierzu wird auf den palatinalen Seitenzahnflächen und den Bereich der palatinalen Ausdehnung eine ca. 1–2 mm dicke Wachsschicht aufgebracht (Abb. 30).

Der Inzisalstift wird jetzt um gut 3–4 mm angehoben und der Artikulator geöffnet. Eine ausreichende Menge Knetsilikon wird auf die Kauflächen der Unterkieferzähne und den Bereich der Zunge so weit aufgebracht, dass bei Absenken des Artikulator-Oberteils die Modellation der Schiene sicher erfasst wird und der Palatinalbereich im Oberkiefermodell komplett gefüllt ist. Mit den Fingerspitzen erfolgt großzügig die Adaptation des weichen Knetsilikons an die Wachsmodellation im Überschuss (Abb. 31). Nach dem Abbinden werden die Impressionen vestibulär parallel zur Kauebene mit einem großen X-Acto® Messer bis zur Grenze der Modellation zurückgeschnitten. Die das Unterkiefermodell umfassenden Silikonanteile werden seitlich zur Modellation hin konvergierend in Form gebracht. Seitlich der Modellation sollten gut 5 mm Schichtstärke erhalten bleiben. Das Knetsilikon wird an den Außenflächen mit Yeti-Lube® isoliert. Eine weitere Portion Knetsilikon wird angemischt und um das Oberkiefermodell von vestibulär als Überwurf bis zu den konvergierenden Unterkieferanteilen adaptiert (Abb. 32).

Abb. 31: Silikonummantelung des UK-Modells.
Abb. 31: Silikonummantelung des UK-Modells.
Abb. 32: Silikonummantelung des OK-Modells.
Abb. 32: Silikonummantelung des OK-Modells.
Abb. 33: Fertiggestellte Küvette – Modellation noch nicht abgedampft.
Abb. 33: Fertiggestellte Küvette – Modellation noch nicht abgedampft.

So entsteht eine Küvette, in die nach Abdampfen der Wachsmodellation – und Isolation des Modells Gips gegen Kunststoff – der Schienenkunststoff eingebracht werden kann (Abb. 33).

Zum Ausgleich der Polymerisationsschrumpfung wird die Schiene in zwei Schritten hergestellt. Hierfür blockt man zunächst den frontalen Schienenanteil von 13 bis 23 mit Permadyne® aus. Die Endbereiche werden mit einem XActo ® Messer glatt abgeschnitten, die Ausblockung wird reponiert.

Im Bereich der letzten Schienenzähne und kurz vor der Ausblockung mit Permadyne® werden kleine Aussparungen in die OK-Silikonummantelung geschnitten.

Der nach Herstellerangaben angemischte Kunststoff (z.B. Schütz Futura Gen®) wird mit leichtem Überschuss in die oralen Ausdehnungen der Schienenseitenteile eingebracht und die Küvette geschlossen. Durch die Aussparungen kann die Küvette ohne Bisshebung gefüllt werden.

Abb. 34: Polymerisierte Seitenteile der Schiene mit frontaler Permadyne® Ausblockung.
Abb. 34: Polymerisierte Seitenteile der Schiene mit frontaler Permadyne® Ausblockung.

Gute Erfahrungen haben die Verfasser mit der Injektionstechnik gemacht. Der noch fließfähige Kunststoff wird in eine 10-ccm-Spritze eingefüllt, aus der zuvor der Stößel entnommen wurde. Nach Wiedereinsetzen des Stößels kann in die eine Aussparung der Küvette der Kunststoff eingespritzt werden, bis an der anderen Aussparung der plastische Kunststoff im Überschuss heraustritt.

Die beiden Modelle werden zusammen aus dem Artikulator entnommen, mittels Bürogummi gesichert und zur Polymerisation in den Drucktopf gegeben (Abb. 34).

Nach der ersten Polymerisation wird die Küvette geöffnet, die Frontausblockung entfernt und der Frontalanteil der Schiene wie oben beschrieben mit Kunststoff ergänzt. Nach der fertigen Polymerisation entfernt man die komplette Silikonküvette. Ohne die Schiene vom Modell abzuheben, wird zunächst die statische Okklusion eingeschliffen.

Hierzu unterstützt die freie Hand mit Daumen und Mittelfinger das Artikulator-Oberteil und hebt dieses etwas an. Mit der anderen Hand wird der Inzisalstift angehoben, das Artikulator-Oberteil federleicht bis auf den ersten Okklusalkontakt abgesenkt und der Inzisalstift nachgezogen sowie fixiert. Es folgt die Einschleifroutine nach Gutowski [8]. Mittels Shimstock-Folie kontrolliert man zuerst den sicheren Kontakt des Inzisalstiftes auf dem Teller. Mit einseitig zeichnender 16-?m-Okklusionsfolie wird der erste Okklusalkontakt der Schiene dargestellt. Dieser wird mit Shimstock-Folie auf sicheren Halt verifiziert.

Erst dann wird der Kontakt so eingeschliffen, dass das diagnostische Okklusalrelief mit seiner Höcker-Fossa- Beziehung erhalten bleibt. Günstig hierfür ist eine kleine birnenförmige Hartmetallfräse mit ca. 1 mm Durchmesser. Ohne den Inzisalstift in der Vertikalen zu verändern, erfolgt erneut eine Okklusionskontrolle mit schwarzer 16-?m-Folie. Es werden nur die schwarz dargestellten Kontakte eingeschliffen, die auch Shimstock-Folie halten! Ein forciertes Absenken des Artikulator-Oberteils kann im Splitcast zu Minimalbewegungen führen, die falsch positiv zeichnende Kontakte ergeben. Auch kann die Einfaltung der Okklusionsfolie Schmierkontakte darstellen, die unter Shimstock-Kontrolle aber tatsächlich nicht kontaktieren. Erst wenn kein Teil der Schienenkaufläche mehr Shimstock- Folie hält, wird der Inzisalstift wie oben beschrieben abgesenkt und es folgt erneutes Einschleifen. Wenn alle Seitenzähne konzeptionell in statischer Okklusion kontaktieren, wird die Frontzahnführung eingeschliffen.

In den Kondylargehäusen wird der Bennett-Winkel auf 0 ° eingestellt bzw. man bringt Protrusionsscheiben ein. Hilfreich ist nun ein einstellbarer Inzisaltisch.

In der Protrusion sollte die Frontzahnführung etwa 10 ° steiler als die Neigung des Kondylargehäuses sein. Der Tisch wird also bei 30 ° Kondylargehäuse-Neigung auf etwa 40 ° eingestellt.

Es folgt die Protrusion im Artikulator bis zur Kante-Kante- Stellung von Schiene und Unterkieferfront. Die Schiene wird so eingeschliffen, dass 31 und 41 mit der Schiene sicher kontaktieren (Shimstock-Kontrolle) und alle Seitenzähne diskludieren. Dieser Punkt wird mit superfeinem grünem Faserschreiber markiert. Die Protrusionsschrauben werden um 1 mm zurückgestellt und der Inzisalstift wie beschrieben nachjustiert. Es ist in der Protrusion im Artikulator darauf zu achten, dass der Mittelfinger der bedienenden Hand das Artikulator-Oberteil im hinteren Bereich mittig in anteriorer Richtung führt. So wird eine unbeabsichtigte Seitenabweichung des Artikulator-Oberteils bei der Protrusion im Kondylargehäuse vermieden.

In der Schiene wird nun wie zuvor in der Front so weit eingeschliffen, dass die Zähne 31 und 41 etwas palatinal des ersten grün markierten Punktes kontaktieren. Die jetzt dargestellten Kontakte sollen sich in sagittaler Richtung genau hinter den ersten Kontakten befinden.

Die zweiten Kontakte werden ebenfalls grün markiert. Die Protrusion wird wieder um 1 mm zurückgenommen, der Inzisalstift nachjustiert. Es folgt das nächste Einschleifen und Markieren der Protrusionskontakte. Je mehr man die zentrische Kondylarposition annähert, desto mehr Kontakte im Seitenzahnbereich könnten in der protrusiven Modellbeziehung auftreten. Diese Kontakte müssen im Seitenzahnbereich ebenfalls eliminiert werden.

Nach der Einstellung der Protrusion der Schiene wird überprüft, ob die eingeschliffene Protrusion der Schiene auch sauber „läuft“. Der Inzisaltisch wird auf 0 ° zurückgestellt. Mit den Händen werden beidseitig die Kondylargehäuse gefasst und mit Druck der Daumenballen wird gecheckt, ob die Schiene glatt und in der Mitte bleibend die Protrusion führt.

Es folgt das Einschleifen der Laterotrusion. Analog zur Einstellung der Protrusion wird der einstellbare Inzisaltisch nun um etwa 15 ° steiler als die Kondylarbahnneigung eingestellt, also auf 45 °. Wenn wir zuerst die Laterotrusion nach rechts einschleifen, dann wird, von vorne betrachtet, das linke (modellseitig das rechte) Kondylargehäuse geschlossen.

In dem von vorne betrachtet rechten Kondylargehäuse (modellseitig links) wird die Protrusionsschraube so eingestellt, dass der Natureckzahn des Unterkiefers mit der diagnostisch modellierten Eckzahnführung der Schiene Kante auf Kante steht. Die Schienen-Eckzahnführung in dieser Position wird so eingeschliffen, dass diese „Eckzahnführung“ der Schiene deutlich distal des antagonistischen Natureckzahnes liegt, und sie wird mit einem grünen Filzstift markiert. In 1-mm-Schritten wird wie bei der Frontzahnführung der Sollkontakt eingeschliffen, dann markiert und der zentrischen Relation angenähert. Hier gilt es, die Kontakte vor allem im Seitenzahnbereich sicher zu eliminieren. Abschließend wird die Laterotrusion zur linken Seite eingeschliffen (Abb. 35 u. 36).

Abb. 35: Dorsal protektive Laterotrusion 43/13. Blau = distaler Abhang 43; rot = mesialer Abhang 13.
Abb. 35: Dorsal protektive Laterotrusion 43/13. Blau = distaler Abhang 43; rot = mesialer Abhang 13.
Abb. 36: Modellation der „Eckzahnführung“ auf dem Schienenzahn 24! Dorsal protektive Laterotrusion 24/33. Blau = distaler Abhang 33; rot = mesialer Abhang 24.
Abb. 36: Modellation der „Eckzahnführung“ auf dem Schienenzahn 24! Dorsal protektive Laterotrusion 24/33. Blau = distaler Abhang 33; rot = mesialer Abhang 24.
Abb. 37: Fertig ausgearbeitete Schiene.
Abb. 37: Fertig ausgearbeitete Schiene.

Mit den Daumenballen wird noch überprüft, ob die eingeschliffenen dynamischen Führungsflächen weich und sauber „laufen“. In der finalen Latero- und Protrusion sollte eine Disklusion im Seitenzahnbereich von etwa 2 mm eingestellt werden.

Jetzt wird die Schiene vom Modell abgenommen und ausgearbeitet (Abb. 37).

Hier ist darauf zu achten, die palatinalen Anteile möglichst konkav zu halten, um den Zungenraum nicht unnötig einzuengen. Die fertige Schiene sollte in einem luftdicht verschließbaren Beutel, vor Austrocknung geschützt, gelagert und versandt werden.

Schieneneingliederung

Vor der Eingliederung der Schiene ist eine Lagerung in Wasser günstig. Zum einen wird der Gehalt des Restmonomers etwas verringert, zum anderen wird die durch Austrocknung bedingte Dimensionsveränderung des Kunststoffs minimiert. Beim ersten Einsetzen der Schiene in den Mund des Patienten wird als Erstes das Gefühl der Zähne abgefragt, die „in der Schiene stecken“. Der Patient zeigt mit einem Finger auf die Stelle, wo er ein Spannungs- oder Druckgefühl hat. Die Schiene wird etwas angehoben und Okklusionsfolie zwischen Schiene und Zähne gelegt – dann beißt der Patient auf die Schiene zu. Nach der Entnahme der Schiene aus dem Mund sind die Störstellen der Schiene sichtbar und werden entlastet.

Erst wenn die Schiene angenehm sitzt, werden die okklusalen Kontaktbeziehungen der Schiene beurteilt. Hierzu wird der Patient aufrecht mit entspannter Kopfhaltung positioniert. Mit gleichzeitig links und rechts eingelegter roter Okklusionsfolie wird der Patient gebeten, zahngeführte Bewegungen mit dem Unterkiefer zu machen. Nach der Anleitung: „als ob Sie die Folien mit den Zähnen zerreißen wollen“, soll der Patient seinen Unterkiefer nach links und rechts und auch nach vorne gleiten lassen.

Dann wird unter Hinzunahme blauer Okklusionsfolie – ebenfalls gleichzeitig links und rechts – der Patient gebeten: „Schnell und nicht zu fest hinten auf die Backenzähne beißen!“. Durch dieses Verfahren werden in Rot alle dynamischen und in Blau alle statischen Kontakte getrennt dargestellt. Auch wenn wir in einem individuellen Artikulator gearbeitet haben, weist das menschliche Kiefergelenk mehr Freiheitsgrade auf, als es das Kondylargehäuse im Artikulator darstellen kann. Folglich können bei der Eingliederung der Schiene während der Dynamik im Seitenzahnbereich rot dargestellte Kontakte auftreten, die im Artikulator nicht vorhanden waren.

Abb. 38: Kontrolle der Schienenprotrusion.
Abb. 38: Kontrolle der Schienenprotrusion.
Abb. 39: Dorsal protektive Laterotrusion links für die Zähne 24/33.
Abb. 39: Dorsal protektive Laterotrusion links für die Zähne 24/33.
Abb. 40: Dorsal protektive Laterotrusion rechts für die Zähne 13/43.
Abb. 40: Dorsal protektive Laterotrusion rechts für die Zähne 13/43.

Nun werden die mittig laufende Frontzahnführung und die dorsal protektive Laterotrusion kontrolliert (Abb. 38–40). Korrekturen in statischer Okklusion sind zu vermeiden – auch wenn der Patient angibt, links und rechts ein ungleichmäßig starkes Aufbissgefühl zu haben. Erinnern wir uns dazu: Die zentrische Relationsbestimmung des Unterkiefers für die Schienenherstellung erfolgte, nachdem wir die Kaumuskulatur und den Kiefergelenk-Kapselapparat mittels Spray-and- Stretch-Technik behandelt hatten. Die Vertikaldimension der Kaumuskulatur und des Kiefergelenksystems des Patienten ist jetzt bei der Eingliederung in ihren ursprünglichen Zustand zurückgefallen. Würden wir nun die statischen Kontakte einschleifen, ginge der diagnostisch beabsichtigte Okklusalausgleich verloren.

Zum Schluss wird der Patient instruiert, die Schiene über Nacht zu tragen und am Folgetag mit inkorporierter Schiene wieder in der Praxis zu erscheinen. Noch bestehende subjektive Seitenungleichheiten in der statischen Okklusion werden erst jetzt korrigiert.

Fazit

Nach dem eingangs in Teil 1 Dargestellten wissen wir, dass die Entstehung einer schmerzhaften CMD multifaktorielle Ursachen hat. Als eine Hauptursache wird individueller Stress als Folge vermehrter Kaumuskelaktivität angenommen [5]. Weitgehende Anerkennung findet die Einteilung der Ätiologie der CMD nach den Research Criteria for Temporomandibular Disorders von Dworkin und LeResche aus dem Jahr 1992. Danach wird in Achse 1 „Somatische Ursachen“ und Achse 2 „Psychische, Psychosomatische Ursachen“ unterschieden [10]. Es kann dem Patienten trotz bester Anamnese nicht angesehen werden, inwieweit die Okklusion ursächlich für seine Beschwerden ist. Darum gilt es grundsätzlich mit größter Präzision vorzugehen. Im Team Zahnarzt und Zahntechniker haben wir die Möglichkeit, durch die in diesem Fachbeitrag beschriebene Vorgehensweise eine Veränderung der Kaufunktion herbeizuführen, was die habituell defizitären Kontaktbeziehungen in Statik und Dynamik optimal ausgleicht. Je mehr sich der Patient im Bereich der Achse 1 befindet, umso mehr wird er durch die Verbesserung der Kaufunktion auf der Schiene profitieren.

Besonders die individuell freie Gestaltung der Eckzahnführung (in unserem Beispiel 24/33!) zeigt die Vorzüge der diagnostisch aufgewachsten Stabilisierungsschiene.

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