Teil 4: Implantatprothetik – aus der Evolution heraus betrachtet

Der vierte Teil des Beitrags von ZTM Petra Streifeneder-Mengele und Dr. med. Dr. med. dent. Andrea Fischer-Barber schildert den Werdegang implantatgetragener Totalprothesen im Ober- und Unterkiefer anhand eines Patientenfalls. Diese Versorgung von Leerkiefern ist für die Autorinnen die „Königsdisziplin“ ihrer Arbeit und verlangt von ihnen große Umsicht und besondere Einsicht in die funktionellen und auch evolutionsgeschichtlichen Zusammenhänge.
Essen ist der „Sex des Alters“: Mit dieser Aussage eines Patienten von uns wird klar, warum auch im „fortgeschrittenen“ Lebensalter guter Zahnersatz so wichtig ist. Ohne passenden Zahnersatz macht Essen eben keinen Spaß mehr! Mit der Wiederherstellung der Ästhetik und der Kaufunktion können wir neben dem gesundheitlichen Aspekt auch ein Stück neue Lebensfreude schenken. Nicht selten erleben wir während einer Behandlung, dass sich auch die Lebensumstände der Patienten durch neue Zähne verändern – beispielsweise kommt ein neuer Partner ins Spiel oder es stellt sich neuer beruflicher Erfolg ein. Die Patienten fühlen sich wieder selbstsicherer und „sozialfähiger“. Es ist für uns deshalb ein wichtiger Bestandteil unserer Arbeit, neben der medizinischen Verantwortung auch die positiven Auswirkungen zu erleben. Aus diesem Grund steht für uns das „Menschliche“ mit an erster Stelle: das heißt auf die individuellen Bedürfnisse des betroffenen Patienten einzugehen, eingebettet in die zahnmedizinischen und zahntechnischen Möglichkeiten unter Berücksichtigung naturkonformer Gegebenheiten.
Ein Fall mit größten Herausforderungen für das Behandlungsteam
Für uns ist ganz klar: Die größte Herausforderung bildet die Rekonstruktion der Situation bei Totalverlust des Restzahnbestandes mit den dabei veränderten biologischen Strukturen. Gerade dann sind die enge interdisziplinäre Zusammenarbeit sowie die Kenntnis der anatomischen Verhältnisse und der Evolution der Zähne sehr hilfreich, damit sich der Patient mit seinem neuen Gebiss so wohlfühlt wie in seinen früheren Jahren. Auch für die Langlebigkeit der Versorgung spielen diese Faktoren eine große Rolle. Dass Zähne mehr darstellen als nur reine „Kauwerkzeuge“, ist den meisten zwar durchaus bewusst. Welche Auswirkungen aber Fehler haben können, zeigt sich meistens erst, wenn es zu spät ist. Beispielsweise können falsch gesetzte Implantate den Zungenraum einengen und zur gestörten Sprachbildung führen.
Die Patienten ihrerseits möchten in erster Linie beim kompletten Verlust ihrer Zähne ein schönes Aussehen und wieder einen guten „Biss“ haben. Doch oftmals können Wünsche vom Behandlungsteam gar nicht oder nicht wie von diesen erhofft erfüllt werden. Zum Beispiel, weil die finanziellen Möglichkeiten nicht ausreichen oder bereits sehr viel natürliche Substanz (Knochen, Bindegewebe) verloren gegangen ist. Aber auch die Compliance, also die Mitarbeit des Patienten, spielt eine große Rolle. Gerade bei Implantatversorgungen muss auf einer sehr guten Mundhygiene bestanden werden, damit der Behandlungserfolg nicht gefährdet ist. Je nach Fall bzw. Restriktion muss sorgfältig abgewogen werden, an welchen Stellen Kompromisse eingegangen werden können, auch diese können höchste Anforderungen an das Behandlungsteam stellen.
In unserem letzten Patientenfall in dieser Serie möchten wir das verdeutlichen. Wir haben die hier vorgestellte Patientin mit einer sogenannten „Minimallösung“ und einem nicht standardmäßigen Gerüstmaterial im Oberkiefer versorgt. Nachdem wir einen gewissen „Erfahrungsschatz“ mit grenzwertigen oder noch experimentell zu nennenden Versorgungen gesammelt haben, trauten wir uns in diesem Fall die Behandlung mit einer guten Erfolgsaussicht zu. So versorgte Patienten müssen aber immer gut darüber informiert sein, welche Risiken dabei bestehen und welche Alternativen es im Versagensfall gibt. Die Darstellung unserer Schritte bis zum Einstieg in die definitive Prothetik folgt hier, die Fortsetzung lesen Sie im nächsten Heft.
Das Ergebnis zählt bei der Rekonstruktion natürlicher Verhältnisse, nicht das Verfahren gibt den Ton an
Das Ziel, die ursprünglichen Verhältnisse wiederherzustellen und den Zahnersatz so naturnah wie möglich nach den individuellen Wünschen des Patienten zu gestalten, erreicht man unserer Meinung nach nur im „Backward-Planning“-Verfahren. Dies kann sowohl analog als auch digital ablaufen. Wir bevorzugen die analoge Vorgehensweise, wo sie mehr Sinn macht, und setzen digitale Verfahren nur teilweise ein (z.B. DVT und digitale Suprastrukturen im Falle von Abutments). Für uns sind das manuell erstellte Modell und ein gewisser Freiraum bei der Implantation immer noch der „Goldstandard“. Die durchgehend digitale Planung mit automatisiert- maschineller Herstellung ist mit Sicherheit zwar ein sehr gutes Hilfsmittel, aber unserer Erfahrung nach stellt sich die anatomische Wirklichkeit oftmals anders dar, als planend vorausgesehen. Auch beinhalten der digitale Datentransport verschiedener Systeme und das „Matchen“ unserer Meinung nach noch Ungenauigkeiten. Vielleicht lässt man sich nach rein virtueller Planung und Vorarbeit eher dazu verleiten, ein Implantat an eine Stelle zu setzen, die sich nach Eröffnung des OP-Gebietes nicht als optimal herausstellt. Jedoch bei einer „Bohrhilfe“ mit manuell geschaffenem Freiraum kann der Chirurg noch ein bisschen ausweichen, wenn beispielsweise etwas weiter daneben als vorgesehen das Knochenangebot günstiger ist und das Inserieren des Implantates dorthin dadurch eine bessere Prognose erhält.
Für den folgenden Fall haben wir einen speziellen Arbeitsablauf gewählt. Dieser ermöglicht es, effizient, zielsicher und kostengünstig eine Implantat-Minimalversorgung für einen zahnlosen Ober- und Unterkiefer herzustellen.
Anamnese und Befund
Die hier besprochene 62 Jahre alte Angstpatientin war bereits längere Zeit nicht mehr in Behandlung. Erst als sich die Mundsituation unerträglich verändert hatte und das Kauen sehr stark beeinträchtigt war, entschloss sie sich, beim Zahnarzt vorstellig zu werden. Im Oberkiefer zeigte sich, dass sie eine insuffiziente Keramikbrücke auf sechs Restpfeilern (Zähne 15, 13, 22, 24, 26) hatte. Diese Brücke war zwischen 22 und 23 gebrochen (Abb. 46). Alle Zähne im Oberkiefer waren stark gelockert und teilweise samt der Brückenkonstruktion gewandert, sodass eine Rekonstruktion der ursprünglichen Zahnstellung nicht mehr möglich war. Im Unterkiefer bestand der vorhandene Zahnersatz aus einer über 10 Jahre alten, ständig erweiterten, ebenfalls insuffizienten Teleskopprothese auf zwei Wurzelresten der Zähne 33 und 44.
Es war leicht nachvollziehbar, dass die Patientin mit dieser Situation nicht mehr vernünftig essen und sprechen konnte. Außerdem klagte sie über Schmerzen, die von Entzündungen verursacht wurden. Daneben war sie auch mit der Form und Stellung des Zahnersatzes sehr unzufrieden.
Nach dem Röntgenbefund und der visuellen Begutachtung stand fest, dass der Restzahnbestand nicht mehr erhaltungswürdig war und komplett entfernt werden sollte. In solchen Fällen versuchen manche Behandler, noch den einen oder anderen Zahn zu „retten“. Nach der Erfahrung der Koautorin Dr. Dr. Fischer-Barber ist es aber besser, sich von allen fragwürdigen, nicht prognostizierbaren natürlichen Zähnen zu trennen, bevor diese über kurz oder lang dann doch Probleme bereiten und somit die Gesamtkonstruktion gefährden. Dann lieber gleich „Nägel mit Köpfen“ machen.
Wunsch und Wirklichkeit in Einklang bringen
Die Patientin wünschte sich eine Versorgung mit Implantaten. Im Oberkiefer stellte sie sich eine festsitzende Brücke oder eine herausnehmbare gaumenfreie Teleskopbrücke vor. Im Unterkiefer wollte sie eine herausnehmbare Teleskopprothese. Sowohl Farbe, Form und Stellung der Zähne als auch die gesamte Bisssituation empfand die Patientin als sehr unbefriedigend. Am meisten störte sie neben der gelben Zahnfarbe und der ungleichen Zahnform, dass die Zähne so „schief“ standen und dass beim Kauen alles „wackelte“.
Normalerweise sieht in solch einem Fall der übliche und empfohlene Behandlungsplan folgendermaßen aus: Im Oberkiefer sechs bis acht Implantate mit einer bedingt abnehmbaren Brücke, okklusal verschraubt, bestehend aus einem keramisch oder mit Komposit verblendeten Metallgerüst. Wie in Teil 3 unseres Beitrags gesagt, ist Zirkoniumdioxid für uns kein Gerüstwerkstoff, den wir in solchen Fällen bevorzugen. Eine Alternative zur okklusal verschraubten Lösung wäre eine herausnehmbare Teleskopbrücke oder eine gaumenfreie Versorgung mit Locatoren.
Beispiel für einen klassischen Behandlungsablauf – Oberkiefer
- Schritt: Extraktion, Einsetzen einer provisorischen Totalprothese und Abheilung der Entzündungen.
- Schritt: Planung mit Röntgenschablone, Knochenaufbau und Sinuslift.
- Schritt: Unterfütterung der OK-Interimsversorgung und Abheilphase von 6–9 Monaten.
- Schritt: Anfertigung einer Bohrschablone und Implantation von sechs bis acht Implantaten regio 3er oder 2er sowie 4er oder 5er und an Position beider 6er. Abheilphase ca. 4–6 Monate. In dieser Zeit trägt die Patientin die Totalprothese (d.h. für mindestens 12 Monate) mit mehrmaligem Anpassen, mehreren Behandlungssitzungen und operativen Eingriffen.
Beispiel für einen klassischen Behandlungsablauf – Unterkiefer
- Schritt: Extraktion und Erweiterung der vorhandenen Unterkieferprothese.
- Schritt: Nach Abheilung der Entzündungen evtl. Knochenaufbau oder Implantation von vier Implantaten, ebenfalls mit Röntgenschablone und Bohrschablone.
- Schritt: Nach der Abheilphase von ca. 3–6 Monaten Versorgung mit einer Teleskopprothese. Alternativ: Versorgung mit Locatoren/Kugelkopfanker. In der Zwischenzeit wird die Unterkieferprothese angepasst oder ein neuer Interimsersatz gefertigt. Bis man mit der endgültigen Versorgung beginnen kann, vergehen wie bei der Rehabilitation des Oberkiefers mehrere Monate. Da es Sinn macht, Ober- und Unterkiefer zeitgleich herzustellen, dauert es in diesem Fall noch länger.
Bewertung aus unserer Sicht
Geht man diesen klassischen Weg, werden viele Patienten auf die Behandlung verzichten, da der Zeit- und der Kostenfaktor zu hoch sind. Gerade in Fällen, in denen noch restliche natürliche Zähne vorhanden sind, besteht jedoch die Möglichkeit, in diese vorhandenen Strukturen – ähnlich einer verzögerten Sofortimplantation – zu implantieren und so das Knochenangebot auszunutzen, um die Behandlungszeiten zu verkürzen und die Sitzungsanzahl zu minimieren. Natürlich muss man auch hier dem Körper und den biologischen Vorgängen für die Osseointegration der Implantate genügend Zeit geben und eine Mindestanzahl an Implantaten inserieren. Laut Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Implantologie sind dies im Oberkiefer vier und im Unterkiefer zwei Implantate.
Patienten-Wirklichkeit als Herausforderung
- Die Patientin war finanziell limitiert, sodass wir in einem bestimmten (preisgünstigen) Kostenrahmen bleiben mussten.
- Der gewünschte zeitliche Rahmen für die gesamte Versorgung war ebenfalls eng gesetzt: In 6 Monaten wollte die Patientin mit einem neuen Lächeln auf der Hochzeit ihres Sohnes glänzen.
- Eine flexible Terminierung war erforderlich, da die Patientin freiberuflich tätig ist und nicht immer zur Verfügung stand. Es sollte so wenige Behandlungssitzungen wie möglich geben, der Ablauf sollte so effizient wie möglich gestaltet sein.
Der daraufhin festgelegte Behandlungsplan
Nach Abwägung aller Gegebenheiten und Eckwerte entstand nun der folgende Behandlungsplan. Im Oberkiefer:
Teleskoparbeit auf vier Implantaten (Minimalversorgung) mit individuell gefrästen Teleskop-Primärabutments aus Titan und einem Sekundärgerüst aus PEEK mit konfektionierten Zähnen bzw. mit Komposit hinterlegten Verblendschalen.
- Die Verblendschalen ermöglichen es, die erarbeitete Situation und Aufstellung einfach und schnell in eine definitive Versorgung zu überführen. Die Patientin würde das Ergebnis bereits von Anfang an sehen und der Zahntechniker erlebt am Ende keine Überraschungen und Reklamationen. Zu diesem Zeitpunkt kann man Änderungswünsche auch schnell umsetzen, indem die Schalen ausgetauscht oder in Wachs umgestellt werden.
- Die Hauptvorteile eines PEEK-Gerüstes, wie wir sie sehen: Polyetheretherketon ist ein angenehm zu tragender, leichter und elastischer Werkstoff, dem eine schockabsorbierende Wirkung nachgesagt wird. Veränderungen am Gerüst können einfacher vorgenommen werden, etwa im Gegensatz zu einer edelmetallfreien Legierung, falls sich im Laufe der Zeit bei den Implantaten etwas verändern sollte.
Im Unterkiefer:
Teleskopprothese auf zwei Implantaten (Minimalversorgung), zu versorgen mit individuell gefrästen Teleskop-Primärabutments und einem edelmetallfreien Sekundärgerüst im Einstückgussverfahren. Ebenfalls mit konfektionierten Zähnen und Komposit- Verblendschalen komplettiert. Im UK war für uns PEEK nicht die richtige Wahl, da wir ein stabileres und graziles Gerüst haben wollten.
Die Zahnfarbe, -form und -stellung wird mithilfe von alten Fotos und in Zusammenarbeit mit der Patientin rekonstruiert und optimiert. Die Patientin kommt auch direkt ins Labor.
Die implantologische Umsetzung
- OK/UK: Alginat-Abformungen mit Bissnahme. Die Abformung des Oberkiefers für die Anfertigung des Provisoriums erfolgt mit einem konfektionierten Abformlöffel. Anmerkung: Mit Alginat wird verhindert, dass die stark gelockerte Brücke vor Fertigstellung des Provisoriums vorzeitig mit der Mundentnahme der Abformung entfernt wird.
- Entfernung der Oberkieferbrücke, Extraktion aller Restzähne und sofortige Eingliederung einer laborgefertigten Immediatprothese im Oberkiefer.
- Entfernung der Wurzelreste und Restzähne im Unterkiefer sowie in derselben Sitzung Erweiterung und Anpassung der vorhandenen Unterkiefer-Teleskopprothese.
- Nach 2–3 Wochen (entzündungsfreie Situation) Implantieren von vier Astra-Implantaten (Astra Tech Implant System EV und EV Profile/Dentsply Sirona) im Oberkiefer, in den Regionen 13/23 und 15/25.
- Danach Implantation von zwei Astra-Implantaten regio 33 und 43, ebenfalls 2–3 Wochen nach der Extraktion.
- Nach einer Abheilphase von ca. 3–4 Monaten Freilegung und Beginn der definitiven Versorgung.
Die zahntechnische Zuarbeit als Bestandteil der Behandlung
Im Unterkiefer wurde die Basis der vorhandenen Prothese unterfüttert und als Provisorium weiterverwendet. Mithilfe der Abformung von dieser als Gegenkiefermodell und zusammen mit einer Bissnahme konnte nun die Modellherstellung erfolgen. Auf dem Gipsmodell wurden als Erstes die Zähne im Oberkiefer radiert. Dabei gingen wir schrittweise vor, indem zuerst nur eine Seite entfernt und die andere Seite anschließend entsprechend dazu aufgestellt wurde. Bei dieser Vorgehensweise verliert man nicht den Anhaltspunkt der vorhandenen Situation und kann schnell und zügig die Zähne in Wachs aufstellen. Dabei wurde zeitgleich die Stellung der Zähne optimiert. In diesem Fall mussten die Bisshöhe sowie Mittellinie, Achsenneigung und labiale Stellung der Frontzähne korrigiert werden. Welche Korrekturmaßnahmen erforderlich waren, wurde bereits vorher in der Praxis persönlich zusammen mit der Patientin analysiert und mithilfe von Fotos und einem Analyse-Formblatt dokumentiert. Die Fertigstellung erfolgte mithilfe eines kompletten Silikonvorwalls.
Die Sofortprothese diente nicht nur als erster Wundverschluss und Versorgung des zahnlosen Kiefers. Sie war auch eine Art „Probemantel“ und übernahm die Funktion eines therapeutischen Hilfsmittels. Die Patientin erhielt dadurch die Möglichkeit, die Bisshöhe, Form, Stellung und Farbe der Zähne zu beurteilen und zu testen.
Für das Behandlungsteam hat dieses Vorgehen den Vorteil, dass gerade bei starken Veränderungen der Patient das Ergebnis im Vorfeld beurteilen kann und dass eventuell gewünschte Änderungen in der definitiven Versorgung berücksichtigt werden können. Damit beugt man möglichen kostenintensiven Änderungen vor, die im Nachhinein gewünscht werden. Ohne eine vorangegangene provisorische Versorgung als „Test“ sollte ohnehin keine größere oder ästhetisch wichtige definitive Arbeit angefertigt werden. Diese Provisorien können später zu Ersatzprothesen („Reiseprothesen“) umfunktioniert werden und so eine sinnvolle Wiederverwendung finden.
Unmittelbar nach der Entfernung der Restzähne im Oberkiefer wurde die Sofortprothese dann eingegliedert (Abb. 47a u. b). Kurze Zeit nach der Eingliederung im Oberkiefer wurde im Unterkiefer der vorhandene Zahnersatz nach der Extraktion erweitert und unterfüttert (Abb. 48).
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Abb. 47a u. b: Die fertige Immediatprothese.
© Streifeneder-Mengele/Fischer-Barber -
Abb. 48: Aus Kostengründen wurde die vorhandene Unterkiefer-Teleskopprothese nach der Extraktion der Restzähne angepasst und weiterverwendet. So konnte auf ein neues Provisorium verzichtet werden.
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Während der ersten Abheilphase konnte nun auf den bestehenden Unterlagen (Modell und Vorwall) im Labor ein Klarsicht-Duplikat der Immediatprothese hergestellt werden (Abb. 49 u. 50). Dieses kam mehrmals zum Einsatz (vgl. auch Abb. 58). Als Erstes diente es zur gemeinsamen Implantatplanung und als Röntgenschablone mit Messkugeln zur Kontrollaufnahme vor der OP (Abb. 51). Nachdem die Röntgenaufnahme die gewünschten Implantatpositionen bei 13/15/23/25 als günstig bestätigt hatte (Abb. 52), konnten die Messkugeln aus der Schablone entfernt werden und die Schablone wurde als Bohrhilfe vorbereitet (Abb. 53).
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Abb. 49 u. 50: Auf dem bereits bestehenden Modell und dem Vorwall für die Anfertigung der Sofortprothese wurde zeitgleich ein Duplikat aus transparentem Kunststoff gefertigt. Diese Schablone erfüllt mehrere Funktionen: als Grundlage für die Implantatplanung sowie als Biss- und Übertragungsschablone für den Gesichtsbogen.
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Abb. 51: In zahnärztlich-zahntechnischer Zusammenarbeit erfolgte die Planung der Implantatpositionen. In den Regionen 13/23 und 15/25 würde sicher wegen der erst kürzlich erfolgten Entfernung der Restzähne noch ausreichend Knochen für Implantatinsertionen vorhanden sein. Das durch diese Positionen gekennzeichnete Trapez wurde als groß genug eingestuft, um der späteren Prothese eine gute statische Abstützung zu bieten. Nach der Planung wurde das Klarsicht-Duplikat zur Röntgenschablone umfunktioniert, indem es Messkugeln erhielt. Diese, auch Röntgenkugeln genannt, wurden mit Kunststoff befestigt.
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Abb. 52: OPG mit der Röntgenschablone. Die Messkugeln sind deutlich sichtbar.
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Abb. 53: Entfernung der Röntgenkugeln und Umarbeitung der Schablone zur Bohrhilfe. So kann man effizient und kostensparend arbeiten.
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Etwa 3 Wochen nach den Extraktionen lagen keine Entzündungen mehr vor und so konnte der Chirurg nun das bestehende Knochenangebot optimal nutzen, um die Implantate in die noch vorhandenen Alveolen zu inserieren. So erspart man dem Patienten weitere aufwendige Verfahren und Behandlungen (z.B. für einen Knochenaufbau) und implantiert sehr naturkonform.
Nachdem die hier dargestellte Patientin die Oberkieferbehandlung gut „überstanden“ hatte, folgte der Unterkiefer. Auch hier wurden die zwei geplanten Implantate kurz nach der Extraktion der Restzähne in die noch vorhandenen und entzündungsfreien Alveolen inseriert. Hierfür war keine Bohrschablone notwendig, da die Alveolen als Anhaltspunkte ausreichten (Abb. 54).
Als die Implantate komplikationslos eingeheilt waren (im Oberkiefer nach 18 Wochen und im Unterkiefer nach 6 Wochen), konnte nun nach der Freilegung die endgültige prothetische Versorgung beginnen. Dazu wurden im Labor individuelle Abformlöffel auf den vorhandenen Modellen gefertigt. Im Unterkiefer wurde zusätzlich eine Bissschablone mit Wachswall benötigt, wohingegen die Bohrschablone des Oberkiefers zur Bissschablone umfunktioniert wurde und auch zur Gesichtsbogenübertragung diente (Abb. 55–58).
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Abb. 55: Hilfsmittel für die erste prothetische Sitzung nach dem Freilegen der Implantate.
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Abb. 56 u. 57: Die Basen der Bissschablonen wurden mit Abformmaterial im Mund unterfüttert. Damit saßen diese gut im Mund und ließen sich auch leichter auf die Meistermodelle übertragen.
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Abb. 58: Das Multitalent – die Klarsichtschablone diente auch für die Gesichtsbogenübertragung.
© Streifeneder-Mengele/Fischer-Barber
Zwischenfazit
Bei den entscheidenden Behandlungsschritten wie Besprechung und Planung, Einprobe usw. bis hin zur Eingliederung der Arbeit war das gesamte Team anwesend, um den Behandlungsfortgang zu beurteilen und mit der Patientin abzustimmen. Geht man so vor, können Verzögerungen und Informationsverluste vermieden werden. Wir sind der Meinung, dass die Zahntechnik kein pures Handwerk mehr ist, sondern ein Bestandteil der Zahnmedizin. Die Anwesenheit des Technikers als Teil des Versorgungsteams ist bei komplexen Versorgungen dringend zu empfehlen.
Fortsetzung folgt. Sie erfahren, wie nun die definitive Versorgung entsteht, wieder in bewährter Zusammenarbeit im Versorgungsteam. Zunächst verfolgen Sie den Weg der vier Oberkiefer-Abutments und sehen im Anschluss, welchen weiteren Verlauf die Herstellung der Gesamtversorgung nimmt. Einen Einblick gewährt auch ein Klick auf www.ztm-aktuell.de/evolution.