KFO

Modelle

Teil 1: Grundlagen, Tipps und Tricks in der KFO

26.10.2017

Kieferorthopädischen Apparatur.
Kieferorthopädischen Apparatur.

In diesem Beitrag und in weiteren Folgen geht Jörg Stehr auf die wichtigen Grundlagen zur Herstellung einer perfekten kieferorthopädischen Apparatur ein. Als Zahntechniker für Kieferorthopädie und Kursleiter erfährt er vielfach, wo es bei der täglichen Arbeit „hakt“ und lässt sich hier über die Schulter gucken. Die Serie beginnt mit den vorbereitenden Arbeitsschritten, ohne die alles nichts ist.

Im Alltag werden sehr oft aus Zeitmangel und/oder Unwissenheit einzelne Prozesse der Herstellung gar nicht oder nur sehr unzureichend ausgeführt, mit dem Hintergedanken: „Das kann man ja beim nächsten Arbeitsschritt korrigieren“ oder: „Das ist ja nicht so wichtig“. Um jedoch ein perfektes Endergebnis zu erreichen – und effizient zu erreichen –, sollte jeder einzelne Arbeitsschritt auch von Anfang an perfekt ausgeführt werden.

Abformung beim Patienten

  • Abb. 1: Abformungen im Löffel.

  • Abb. 1: Abformungen im Löffel.
    © Jörg Stehr
Der ausschlaggebende erste Schritt wird schon mit der Abformung beim Patienten (Abb. 1) getan. Wenn die Abformung nicht korrekt genommen wurde und verzogen ist, Blasen enthält oder die Zähne oder alle für die Arbeit relevanten Weichteile nicht komplett mit abgeformt wurden, hat der Zahntechniker später keine ordentliche Arbeitsgrundlage für die Herstellung der Apparaturen. Und: Wenn dann beim Ausgießen noch mehr Blasen auf der Oberfläche entstehen, muss man beim Korrigieren des Gipsmodells sehr viel Zeit und Arbeit investieren, um ein halbwegs ordentliches Modell zu erhalten. Der Zahntechniker muss dann die Blasen auf dem Gipsmodell radieren, die Löcher mit Gips oder Wachs auffüllen und die Zähne aufbauen oder zurechtschleifen.

Aber der Gaumen, die Zähne oder der linguale Bereich im Unterkiefer bis zum Mundboden können nicht – auch mit noch so viel Fantasie – situationsgerecht aus dem Gips gefräst oder mit Wachs modelliert werden. Nie wird das Ergebnis dann so aussehen wie im Mund des Patienten, den man nie zu Gesicht bekommen hat. Wenn die Abformungen nicht korrekt genommen werden, sind auch die Gipsmodelle dementsprechend inkorrekt. Eine Arbeit, die auf dieser unzureichenden Arbeitsgrundlage hergestellt wird, kann noch so passgenau auf dem Gipsmodell sitzen und kunstgerecht gebogen, aufgestreut und poliert sein – sie wird im Mund des Patienten nicht passen. Alle Mühen bei der Herstellung der „Spange“ waren umsonst und man muss das Gerät, meistens unter Zeitdruck, korrigieren oder neu anfertigen. Und die Schuld wird dann natürlich allein dem Zahntechniker gegeben. Dann sollte man lieber den „Mut“ aufbringen und den Zahnarzt sofort nach einer erneuten Abformung fragen. Letztlich ist damit allen Beteiligten gedient.

Im Folgenden werden die einzelnen Arbeitsschritte vorgestellt, wie sie aufgrund langjähriger Erfahrungen für wichtig und optimal erachtet werden. Gerne trete ich auch mit Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, in einen Dialog und bin für alle Verbesserungsvorschläge für eine Qualitätssteigerung oder effektivere Lösung sehr dankbar. Lassen Sie uns darüber diskutieren!

Arbeitsmodellherstellung

  • Abb. 2: Ausgegossene Löffel.

  • Abb. 2: Ausgegossene Löffel.
    © Jörg Stehr
Im Modell müssen immer der gesamte Kiefer und alle Zähne abgebildet sein (Abb. 2). Dazu gehören im Ober- wie im Unterkiefer die gesamten Zahnreihen bis zu den letzten Seitenzähnen sowie im Oberkiefer der gesamte Gaumen und im Unterkiefer die lingualen Flächen bis zum Mundboden. Auch die Außenseiten der Zähne sollten, wenn möglich bis zur Umschlagfalte, abgebildet sein.

Die Sockel der ausgegossenen Modelle dürfen beim Trimmen nicht bis an die Zähne heran geschliffen werden, auch nicht von dorsal. Es muss immer etwas Raum zum Anlegen der Drähte und für das Befestigen derselben mit Wachs auf dem Modell neben dem Zahn vorhanden sein. Auch auf eine gerade Standfläche des Modells sollte geachtet werden.

Für die Herstellung von kieferorthopädischen Arbeitsmodellen hat sich aus meiner Sicht Gips der Klasse III (Hartgips) bestens bewährt. Für meinen persönlichen Geschmack sind Superhartgipse, wie sie in der Prothetik verwendet werden, nicht nötig und auch zu hart. Andere Kollegen ziehen allerdings die Qualität von Klasse-IV-Gips vor.

  • Gips: die chemischen Vorgänge.
  • Gips: die chemischen Vorgänge.
    © Jörg Stehr

Der Gips sollte am besten farbig sein. Denn in weißem Material sind die Oberflächenstrukturen und eventuelle Unebenheiten und Blasen schwerer zu erkennen als auf gelben oder blauen Modellen.

  • Abb. 3–5: Ausgehärtete Modelle.

  • Abb. 3–5: Ausgehärtete Modelle.
    © Jörg Stehr
Außerdem sollte man immer das Mischungsverhältnis von Wasser und Gips wie vom Hersteller angegeben einhalten, um bei zu viel Wasser ein zu „weiches“ Modell und dadurch eventuell eine Schrumpfung zu verhindern – oder im Gegenteil bei zu viel Gipspulver und zu wenig Wasser eine ungenaue Abformung der Oberflächendetails zu vermeiden. Wenn der Gips mit einem Vakuummischgerät angerührt wird, ist eine enorme Qualitätssteigerung zu verzeichnen, und es sind dann auch keine Blasen im Sockelgips vorhanden (Abb. 3–5).

Modellvorbereitung

Nach dem Aushärten des Gipsmodells sollte man alle störenden Kanten und scharfen Grate brechen oder beschleifen und Gipsüberschüsse, vor allem auch bei den Unterkiefermodellen innen am „Mundboden“, entfernen, um bequem und störungsfrei an seinen „Arbeitsplatz“ zu kommen. Danach werden noch mit einem Messer oder LeCron-Modellierinstrument kleine Gipsbläschen oder sonstige Oberflächenungenauigkeiten radiert und entfernt (Abb. 6–8).

  • Abb. 6–8: Getrimmte Modelle.
  • Abb. 9 u. 10: Interdentale Radierung OK und UK.
  • Abb. 6–8: Getrimmte Modelle.
    © Jörg Stehr
  • Abb. 9 u. 10: Interdentale Radierung OK und UK.
    © Jörg Stehr

Interdental sollte an den Stellen, an denen später Halteelemente angebracht werden, das „Zahnfleisch“ vorsichtig, aber auch ausreichend radiert werden. Man muss dabei darauf achten, die Zähne nicht zu verletzen (Abb. 9 u. 10).

Wenn man möchte, kann man noch für die transversale Dehnschraube zur Fixierung ein Loch in das Modell bohren (Abb. 11 u. 12). Dies sollte aber nur für Schrauben mit einem zapfenförmigen Dehnschraubenhalter vorgenommen werden. Für Schrauben mit breitem Halter (Abb. 13) empfiehlt es sich, diesen mit einem Seitenschneider oder einem Skalpell zu kürzen und mit Klebewachs auf das Modell zu kleben. Es sollte kein „Grand Canyon“ in das Modell gefräst werden (Abb. 14), um die Schraube zu fixieren. Sonst verletzt man zu viel von der Oberfläche des Modells.

  • Abb. 11 u. 12: OK und UK angezeichnet.
  • Abb. 13: Schraube mit breitem Platzhalter.
  • Abb. 11 u. 12: OK und UK angezeichnet.
    © Jörg Stehr
  • Abb. 13: Schraube mit breitem Platzhalter.
    © Jörg Stehr

  • Abb. 14: Modell mit „Grand Canyon“.
  • Abb. 14: Modell mit „Grand Canyon“.
    © Jörg Stehr

Auch empfiehlt es sich, die Schrauben, die nur auf die Modelloberfläche geklebt werden, mit einem Hilfsdraht zusätzlich zu fixieren, um ein Abfallen während des Wässerns und Aufstreuens zu verhindern (vgl. Abb. 13).

Schrauben für Segmentbewegungen im Seitenzahnbereich oder zur Einzelzahnbewegung sollte man immer ohne Loch und nur auf der Oberfläche fixieren und mit einem Hilfsdraht sichern oder, wie auf Abb. 15 zu sehen, an der transversalen Dehnschraube festwachsen.

Anfänger sollten in der ersten Zeit zur besseren Übersicht beim Herstellen der Spangen Einzeichnungen vornehmen. Es werden die Sägeschnitte der Schrauben und die Begrenzungen der Geräte sowie die Lage der Retentionen der einzelnen Elemente auf dem Modell eingezeichnet, um nicht etwa einen Draht über einen Schraubenschlitz zu legen oder die Retentionen über die Gerätebasis hinaus zu biegen (vgl. Abb. 11, 12 u. 16).

  • Abb. 15: Oberkiefermodell mit Wachsmanschette.
  • Abb. 16: OK, UK mit Drahtelementen.
  • Abb. 15: Oberkiefermodell mit Wachsmanschette.
    © Jörg Stehr
  • Abb. 16: OK, UK mit Drahtelementen.
    © Jörg Stehr

  • Abb. 17: UK – seitliche Unterschnitte ausgeblockt.
  • Abb. 17: UK – seitliche Unterschnitte ausgeblockt.
    © Jörg Stehr

Zum Schluss der Modellvorbereitung müssen noch alle untersichgehenden Stellen im Unterkieferseitenzahnbereich mit Wachs ausgeblockt werden. Hier ist das Ziel, Druckstellen und Abschürfungen beim Einsetzen und Herausnehmen des Gerätes zu vermeiden (Abb. 17).

Ausblick

Mit Abschluss dieser Schritte sind die Gipsmodelle fertig. Im nächsten Teil dieses Beitrages (siehe Link unten) geht es um das Biegen und Befestigen der Drahtelemente und das Vorbereiten zum Aufstreuen.

Näheres zum Autor des Fachbeitrages: Jörg Stehr