Drum prüfe, was sich ewig bindet

Die Glaslottechnologie für die Fügung von Zirkoniumdioxid-Rekonstruktionen hat sich als „missing link“ beim flächendeckenden Einsatz von ZrO2-Werkstoffen erwiesen. Nachfolgend werden die Einsatzgebiete im Einzelnen dargestellt.
Die Verwendung des weißen Gerüstwerkstoffes Zirkoniumdioxid hat in den letzten Jahren massiv zugenommen. Seit der Einführung des Materials in die Zahntechnik bzw. Zahnheilkunde ist die Notwendigkeit der stoffschlüssigen Fügung des Materials ein aktuelles Thema.
Oxidkeramische Zirkoniumdioxid-Werkstoffe haben aufgrund ihres inerten Charakters die Problematik eines bis vor Kurzem technologisch nicht gelösten stoffschlüssigen Verbundes bei Fügeprozessen und Verklebungen mit adhäsiven Kompositmaterialien. Beim Lasern mit konventionellen Lasern, wie CO2- und Nd:YAG-Lasern führen Gefügeumwandlungen zu gravierenden Eigenschaftsveränderungen und Rissen, sodass diese Technologie nicht greift. Als reine Oxidkeramik ohne Glasphase stehen keine Reaktionspartner für einen effektiven Ätzprozess und die Anwendung der normalen Silanisierung zur Verfügung. Bisher verwendete adhäsive Kleber zeigen trotz verbesserter Haftung durch Anwendung der Flammenpyrolyse bereits nach ein paar Jahren eine feuchtigkeitsbedingte Separierung zwischen dem Zirkoniumdioxid und dem Komposit.
Deshalb hat der Satz „Drum prüfe, was sich ewig bindet“ nach wie vor seine Berechtigung – auch bei der Suche nach optimalen Oberflächenvorbereitungen
und den Verbundmaterialien bei ZrO2-Keramiken. Ein erfolgreicher Ansatz war die Verwendung spezieller Glaslote, wie sie in ähnlicher Form aus der Industrie für die Fügung von Gläsern, Glaskeramiken und Keramiken schon seit über 100 Jahren bekannt sind. Die Glaslottechnik ist nur eine Möglichkeit einer effizienten Fügung von Keramikwerkstoffen (Abb. 1) (Brevier Technische Keramik 2003, Mayer 2008). Sie ist unter den Möglichkeiten des zahntechnischen Labors und der Prämisse einer Einzelstückfertigung optimal geeignet. Mit einem SiO2-basierten Spezialglas kann eine vollständige Benetzung und minimale Diffusionsschicht an der Zirkoniumdioxid-Oberfläche erreicht werden. In der Zahntechnik bzw. Zahnmedizin ist der Begriff Lot für ein glasiges/glaskeramisches Material gewöhnungsbedürftig. Entsprechend der Definition aus der Werkstofftechnik ist es jedoch zutreffend und korrekt, neuerdings wird auch von Fusionskeramik gesprochen.
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Abb. 1: Übersicht über Fügemöglichkeiten keramischer Werkstücke (nach Mayer 2008).
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Abb. 2: Übergangszone ZrO2-Hotbond im TEM am Dünnschliff.
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Abb. 3: Primär- und Sekundärteil des speziellen Fügeelements für die Glaslottechnik.
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Abb. 4: Brückengerüst mit Glaslot aufgeschichtet, getrocknet und bei der Montage mit Hotbond fix auf dem Brennträger.
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Abb. 5: Fertig verlötete Brücke vor der Nachbearbeitung mit Diamantwerkzeug.
Techniken für die Fügung von Zirkoniumdioxid
Glaslote besitzen eine Arbeitstemperatur zwischen 800–1.100 °C. Produkte unter 800 °C werden nur als Nachlote verwendet, da sie keine Diffusion zum ZrO2 erreichen. Die partielle Diffusion von phosphatbasierten Gläsern in die ZrO2-Oberfäche ist seit Langem bekannt, hat aber den Nachteil einer Beeinflussung der dentalen Verblendkeramiken, wie Trübung, WAKÄnderung etc. Somit blieb nur die Entwicklung silikatbasierter Gläser, die eine spaltfreie Anlagerung (Adhäsion) und eine Diffusion zur ZrO2-Oberfäche aufweisen. Dies konnte mittels Untersuchungen im STEM auch nachgewiesen werden (Abb. 2).
In der Zahntechnik werden die Hotbond-Produkte eingesetzt: Das Standard-Hotbond-Lotset wird mit drei verschiedenen Arbeitstemperaturen angewendet,
entsprechend eines Hauptlotes (Hotbond high 1.000 °C) und zweier Nachlote (Hotbond Plus 800 °C, Hotbond low 700 °C) in Verbindung mit einem neuartigen
und patentierten Fügeelement für die Fügung von Strukturkeramiken. Das Fügen von Zirkoniumdioxid-Kompartimenten miteinander für die horizontale und vertikale Verlängerung, z.B. zur Herstellung von Brückengerüsten, Stegen etc. aus kleinen Segmenten und das individuelle Gestalten von Implantatabutments aus ZrO2 ist somit möglich und beschrieben (Zothner et al. 2008). Die Abbildungen 3 bis 5 zeigen eine Fügung von Stegsegmenten auf Basis eines speziellen Fügeelementes, die Abbildungen 6 bis 8 das vertikale Verlängern einer Brückenstruktur über eine vorgefertigte Nut-Feder-Verbindung. Durch die Zirkoniumdioxid-Fügung ist es außerdem möglich, vollkeramische Abutments aus dem Material zu optimieren. Nach dem Formfräsen wird ein Überwurf hergestellt und mit dam Glaslot stoffschlüssig verbunden. Die Abbildungen 9 bis 11 zeigen die zahntechnische Herstellung eines verlöteten Abutments, die Abbildung 12 ein Mikro-CTBild der fehlerfreien Fügung. Adhäsive Materialien mit und ohne flammenpyrolytischer Vorbereitung der ZrO2-Oberfäche und eine nachfolgende Compositüberbeschichtung oder -klebung waren bis vor kurzem der Stand der Technik. Das am meisten angewendete Material ist Panavia (Kuraray). Bei Verwendung von siliziumorganischen Vorbeschichtungen ist heute bekannt, dass kein dauerhafter Verbund erreicht wird.
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Abb. 6: Vorbereitung eines Brückengerüstes (basaler Anteil) mit Feder für die vertikale Verlängerung.
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Abb. 7: Inzisales Brückenteil, verankert über eine Nut.
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Abb. 8: Fertige Gestaltung der keramisch verblendeten Brücke.
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Abb. 11: Glasig aufgeschmolzenes Lot nach durchgeführter Lötung.
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Abb. 12: Mikro-CT eines fehlerfreien ZrO2-ZrO2-Verbundes auf Glaslotbasis bei einem Keramikabutment.
Phosphatbasierte Bonder in Verbindung mit Kompositschicht- oder Klebematerialien sind die Weiterentwicklung von organischen Verbundsystemen
und in ihrer Haltbarkeit auf ZrO2 besser zu beurteilen. Aktuelle und praktikable Produkte im Markt sind z.B. der AZ-Primer und das ResiCem (Shofu Dental, Ratingen).
Techniken für die artfremde Fügung zwischen Zirkoniumdioxid und Titan
Die sichere keramische Verblendung von Titangerüsten aus Reintitan und den Titanlegierungen Ti6AL4V und Ti6Al7Nb stellt sich heute als Grundlage der artfremden Fügung zwischen Titan und Zirkoniumdioxid dar. Hopp et al. (2006) zeigten die Entwicklung der Titanverblendsysteme und ihre erreichte klinische Reife. Ein besonderes Problem ist neben der Gefügeveränderung bei 882,5 °C die hohe Oxidationsbereitschaft. Diese kann die Keramikhaftung limitieren (Kimura 1990). Trója et al. (2003) stellten eine etwa vergleichbare Keramikhaftung auf Reintitan (cp-Titan) und der in der Dentaltechnik verwendeten Ti6Al7Nb-Legierung fest. Von Vorteil für den Verbund von Zirkoniumdioxid und Titan ist sein etwa identischer WAK. Auch die Verwendung identischer Verblendkeramiken ist damit gegeben und erzielen in ihrer Haftfestigkeit vergleichbare Werte (Stawarczyk u. Fischer 2008). Dies war die Grundlage für die Entwicklung eines stoffschlüssigen Verbundsystems für beide Materialien.
Das Hotbond Tizio-Lotset, bestehend aus dem Hotbond Tizio-Conditioner zur Versieglung der Titanoberfläche und dem Hotbond Plus, wird zur Fügung des vorbeschichteten Titanteils mit einer Zirkoniumdioxid-Struktur zur Herstellung von Hybridabutments angewendet. Das Fügen von Abutmentbasen aus Titan/-legierungen mit Überwürfen und Konturierungselementen aus Zirkoniumdioxid ist damit zahntechnisch in einem stoffschlüssigen Verfahren umsetzbar. Die Abbildungen 13 bis 16 zeigen die Herstellung eines verlöteten Hybridabutments.
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Abb. 13: Zur Verlötung vorbereitetes Hybridabutment.
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Abb. 14: Aufbringen der Hotbond Tizio-Vorbeschichtung mittels Airbrush-Pistole.
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Abb. 15: Perfekte Lötung nach dem Brand.
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Abb. 16: Ausgearbeiteter Übergangsbereich des Hybridabutments.
Vorbeschichten und Bondern von Zirkoniumdioxid-Oberflächen
Das Hotbond ZirConnect gestattet ein Vorbeschichten von ZrO2-Gerüsten in Vorbereitung weiterer Technologieschritte. Das bedeutet die Entstehung einer
glaskeramischen Puffer- und Verbundschicht auf Basis eines chemischen Verbundes, statt einer lediglich mechanischen Retention. Diese sehr dünne glasige Schicht ist Grundlage für die Weiterverwendung:
- zum keramischen Verblenden
- vor Silanbeschichtung vor adhäsiver Klebung oder Kompositverblendung
- vor Kunststoffverblendung von ZrO2-Gerüsten
- dem Überpressen von ZrO2-Gerüsten
Mit der glaskeramischen Vorbeschichtung ist es möglich, das fehlende Glied von der inerten ZrO2-Keramik zum Kunststoff- und Kompositverbund zu schaffen. Das Material steht momentan in einer transparenten Form zur Verfügung. Die Verarbeitung kann mit Pinsel oder besser mit Airbrush-Pistole erfolgen. Die Intension der glasigen Vorbeschichtung ist die Anwendung der Silanisierung als gesichertem Verbundverfahren vor Kompositverblendung im Labor oder -verklebung im Mund.
Die Abbildungen 17 und 18 zeigen das Aufsprayen des Hotbond ZirConnect und die Oberfläche nach dem Brand. Nach dem Sandstrahlen und Ätzen mit Flusssäurepräparaten stellt sich eine stark retentive Keramikfläche dar (Abb. 19).
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Abb. 17: Aufsprayen des ZirConnect auf die Retaineroberfläche.
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Abb. 18: Fehlerfreier Glasüberzug auf der Klebefläche nach dem Brennen.
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Abb. 19: Retentive Oberfläche nach Sandstrahlen und Ätzen, REM, Vergr. X 1000.
Innovatives Potential der Glaslottechnik
Neben einer ständig erweiterten Produkt- und Indikationspalette wurden auch andere Hersteller angeregt, Zahnersatz auf dieser Basis zu fertigen. Mit der Infix-Technologie (Biodentis, Leipzig) ist eine ganze Produktionsschiene mit der Verlötung von CAD/CAMgefertigten Kronen- und Brückenbasen aus Zirkoniumdioxid und einer gefrästen vollkeramischen Verblendstruktur in vollanatomischer Gestaltung aus einer Lithiumdisilikat-Keramik an den Markt gegangen (Hajtò 2009, Theiss 2009, Theiss 2009). Diese Entwicklung widerspricht der Behauptung, die Glaslot-Technologie sei lediglich eine Nischentechnologie, um Reparaturen ausführen zu können bzw. sie würde mit der weiteren CAD/CAM-Entwicklung überflüssig werden. Erst die Weiterentwicklung der CAD/CAM-Technik hat auf allen Anwendungsbereichen zu einem Siegeszug der Glaslote geführt.
Bei einer wissenschaftlichen Beurteilung durch Prof. Dr. Joachim Tinschert (RWTH Aachen) wurde in Dauerschwingversuchen festgestellt, dass Kronen nach der Infix-Technologie zu keinem Zeitpunkt der Untersuchung einen Abfall der Wöhlerkurve unterhalb der maximalen Kaubelastung von 500 N zeigten. Auch die geforderte Ausfallwahrscheinlichkeit von etwa einem Prozent pro Jahr kann auf Grundlage der Untersuchungen bestätigt werden. Tinschert führte dazu aus, es: „(...) darf erwartet werden, dass die getesteten Kronen bei einem nur geringen Frakturrisiko theoretisch über einen Belastungszeitraum von einigen Jahrzehnten in Funktion bleiben sollten“ (Theiss 2009).
Fazit: Stabile und dauerhafte Verbindung
Der Einsatz der Glaslote schafft die Möglichkeit einer stabilen und dauerhaften stoffschlüssigen Verbindung von Brückengerüsten, die bei Einsatz eines speziell entwickelten Verbindungselementes die Stabilität vergleichsweise des originären Gerüstmaterials erbringen. Neben der Erstellung von Brückengerüsten im horizontalen Segmentverfahren ist ebenso die vertikale Verlängerung bei starkem Knochenverlust am Kiefer möglich, wenn die Höhen handelsüblicher Fräsblanks überschritten werden. Die Segmente werden über eine Nut-Feder-Verbindung vorbereitet und verlötet. Die verlöteten Brückengerüste weisen eine Stabilität zwischen 700 und 1.100 N (Zothner et al. 2008) auf, was in der dentalen Anwendung als sicher gelten darf. Mit der Weiterentwicklung zum Hotbond Tizio (Zothner et al. 2009) steht ein Fügesystem zum artfremden Verbund zwischen Titan und Zirkoniumdioxid zur Verfügung, was die Möglichkeiten im Abutmentbereich erheblich erweitert. Vorteil ist die Nutzung von Titanbasen mit ihren duktilen Eigenschaften in Verbindung mit einem keramischen Stumpfteil, welches durch die individuelle Gestaltung nicht nur eine verbesserte Ästhetik garantiert, sondern auch die Optimierung des Emergenzprofiles durch Gingivatrimmung gestattet. Durch den glaschemischen Verbund kann die Biokompatibilität und Langzeitstabilität bei
den unter der Gingiva liegenden Fügebereichen wesentlich verbessert werden.
Der Nachteil der adhäsiven Verbindungen mit Kompositen, wie er bis heute ausgeführt wird (Meyer 2009) ist häufig die mangelnde Langzeitstabilität und mechanische Festigkeit, geringe Biodegradation sowie Biokompatibilität an der Klebefuge. Klebeverbünde im transgingivalen Bereich der Implantatrekonstruktionen sind durch eine Bakterienbelastung bei zunehmender Desintegration der Klebung gekennzeichnet.
Der Einsatz keramischer Vorbeschichtungen mit Zir-Connect (Zothner et al. 2009) verbessert nicht nur den Verbund der Strukturkeramikgerüste zur Verblendkeramik, sondern sind für die Adhäsivtechnik auf Zirkoniumdioxid-Restaurationen, wie Kompositverblendungen, Klebebrücken und Retainern die Lösung des Problems des mangelnden Verbundes. Aufgesprayte und eingesinterte Glasschichten mit einer Dicke von unter 20 Mikrometer lassen sich in konventioneller Weise durch Sandstrahlen und Anätzen für die Silanisierung vorbereiten. Durch den Gehalt von Leuzit entsteht beim Ätzen zusätzlich eine mechanisch sehr retentive Verbundstruktur.
Durch die gleichzeitige Oberflächenkonditionierung, Silanisierung und Versieglung der Klebeflächen von adhäsiv zu verankertem Ersatz bereits im Labor z.B. mit C-Link (steco, Hamburg) vereinfacht sich das Prozedere am Patienten und schafft mehr Sicherheit und eine höhere Verbundfestigkeit.
Den Leistungsvergleich Glaslote finden Sie unter www.dentalkompakt-online.de