Gusstechnik mit CoCr – eine neue Sichtweise?

Indizes: CoCr-Legierung, Testgüsse, Gusskanalanlagen, Vorwärm- und
Gießtemperaturen, Gussoberflächen
Unbefriedigende Ergebnisse führen üblicherweise dazu, unsere Arbeitsschritte zu
überdenken und ausgetretene Pfade zu verlassen. Anlass zur vorliegenden Testserie war eine große Brücke – gegossen aus der CoCr-Legierung remanium® star – bei der die Oberfläche der Kronen zwar glatt, diejenige der extrem großen Brückenglieder jedoch rau war.
Eine Überhitzung der Legierung konnte im Falle der großen Brücke ausgeschlossen werden. Die Gestaltung der Gusskanalanlage war konventionell: Durchmesser 3 mm für die Kronen, 3,5 mm für die Brückenglieder, 5 mm für den Verteilerbalken und 4 mm für die Zuführungskanäle. Im Folgenden wird nun der Weg beschrieben, der zur Erzielung einer gleichmäßig glatten Gussoberfläche eingeschlagen wurde:
Die Vorbereitung der Testgüsse
Voraussetzung für eine glatte Gussoberfläche ist zunächst die Verwendung einer feinkörnigen Einbettmasse wie rema® CC für die Kronen und Brückentechnik. Für die ersten Testgüsse wurde ein massiver Wachssteg in der Dimension von zirka 60 mm Länge x 9 mm Höhe x 3 mm Breite gewählt – analog zu einer gefrästen Stegkonstruktion auf Implantaten. Weiteres Ziel war das lunkerfreie Gießen eines großen Brückengliedes, wie beispielsweise zum Ersatz eines Molaren.
Die Testgüsse „Steg“
Die Abbildung 1 zeigt einen der ersten Testgüsse. Die Gussoberfläche war mit Mikrobläschen übersät, was auf eine Oberflächenschädigung der Einbettmasse innerhalb der Kavität schließen lässt. Die Metallmenge betrug bei allen Güssen 60 g remanium® star – dies entspricht einem Gewicht von zirka 140 g (!) einer Edelmetall-Aufbrennlegierung. Es wurde auch mit verschiedenen Gusskanalanlagen experimentiert. Zu Beginn betrug die Vorwärmtemperatur 950 °C. Gegossen wurde mit einer Hochfrequenzschleuder, aber auch wahlweise mittels Vakuum-Druckguss. Die „Entlüftungskanäle“ mit einem Durchmesser von 1,2 mm sollten zeigen, wie weit diese dünnen Kanäle bei niedrigeren Vorwärmetemperaturen der Muffel entgegen der Schleuderkraft ausfließen. Bei den Folgegüssen wurde dann die Vorwärmtemperatur schrittweise um 50 °C abgesenkt. Das beste Gussergebnis im Hinblick auf die Gussoberfläche bzw. Lunkerbildung ergab eine Vorwärmetemperatur von 800 °C (Abb. 2) Selbst bei einer Ofentemperatur von 850 °C waren bei dieser Menge an Gussmetall noch geringe Rauigkeiten festzustellen. Die Gusskanalanlage wurde entsprechend der gusstechnischen Erfahrung mit dem Brückenglied gestaltet. Wie es dazu kam, wird im weiteren Verlauf des Artikels beschrieben. Das Gussobjekt in Form des Wachsstegs wurde mit vier Gusskanälen mit je 3,5 mm Durchmesser direkt versorgt. Ein 5 mm Gusskanal wurde im Abstand von zirka 10 mm zum Gussobjekt im Hitzezentrum als Gussreservoir an die Zuführungskanäle angebracht (Abb. 3).
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Abb. 1: Testguss „Steg“mit rauer Gussoberfläche, Vorwärmtemperatur 950 °C.
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Abb. 2: Testguss „Steg“ mit glatter Gussoberfläche, Vorwärmtemperatur 800 °C.
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Abb. 3: Testguss „Steg“ mit Gusskanalanlage.
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Abb. 4: Gegossenes Brückenglied mit Sauglunker trotz eines Gussreservoirs, Vorwärmtemperatur 950 °C.
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Abb. 5: Gegossenes Brückenglied ohne Gusslunker mit verändertem Gussreservoir, Vorwärmtemperatur 800 °C.
Die Testgüsse „Brückenglied“
In Abb. 4 ist zu erkennen, dass mit einem Verteilerbalken von 5 mm gearbeitet wurde, der mit einem Gusskanal von 3,5 mm im Abstand von zirka 2,5mm mit dem Brückenglied verbunden war. Trotz einer Vorwärmtemperatur von 950 °C war die Oberflächenrauigkeit nicht so ausgeprägt wie beim Steg. Allerdings war auch die vergossene Metallmenge mit 9 g erheblich geringer wie beim Guss des Steges. Unbefriedigend war der erhebliche Sauglunker trotz des Gussreservoirs. Aufgrund des vorherigen Ergebnisses wurde das Reservoir in einem Abstand von zirka 10 mm zum Brückenglied im Hitzezentrum an den Zuführungskanal festgewachst. Ein Trennschnitt durch den Gusskanal nach dem Guss (Abb. 5) zeigt, dass bei dieser Vorgehensweise das Gussreservoir seinen eigentlichen Zweck erfüllt. Auch bei den Brückengliedern ergab ein Absenken der Vorwärmtemperatur auf 800 °C die besten Gussoberflächen. Die Direktzuführung eines 3,5 mm Gusskanals sorgt für ein schnelles Einfließen der Schmelze in die Form und das Arbeiten ohne Verteilerbalken für eine weniger turbulente Strömung der einschießenden Schmelze.
Die Testgüsse „Brücke“
Neben einer Verbesserung der Gussoberfläche (Abb. 6) zeigte sich, dass bei den gegebenen Gussbedingungen auch bei einer abgesenkten Vorwärmtemperatur auf 800 °C die Kronenränder einer Brücke ausfließen und scharfkantig gezeichnet sind (Abb. 7). Abgerundete Kronenränder würden auf ein zu schnelles Erstarren der Schmelze hinweisen. Die 13-gliedrige Brücke in Abbildung 8 zeigt, dass es nicht notwendig ist, jedes einzelne Brückenglied mit einem Gusskanal zu versorgen. Benachbarte Kronen und Brückenglieder wurden mit jeweils einem 3,5 mm Gusskanal in der Mitte „angestiftet“. Das Gussreservoir wurde nach dem vorherigen Prinzip geplant (Abb. 9). Diese Vorgehensweise erleichtert das Abtrennen der Gusskanäle und minimiert das Risiko, die Kronenkäppchen mit der Trennscheibe zu perforieren. Ein Schleifverlust kann beim Arbeiten mit CoCr-Legierungen im Gegensatz zu Edelmetall völlig vernachlässigt werden. Eine Direktversorgung mit Gusskanälen hat bei einer weitspannigen Brücke den Nachteil, dass die Wachsmodellation nicht zusätzlich durch einen Verteilerbalken beim Abheben stabilisiert wird. Trotzdem war die Passung präzise (Abb. 10).
Anmerkungen aus metallurgischer Sicht
Die zahntechnischen Ergebnisse dieser Versuchsreihen zeigen, dass die Erkenntnisse des technischen Feingusses auch auf die Zahntechnik übertragen
werden können: Materialanhäufungen vermeiden, Gießtemperaturen nur so hoch wie unbedingt nötig, Speisung von dick nach dünn, ausreichend dimensionierte Speiser im Hitzezentrum.
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Abb. 6: Brückenguss mit direkter Gusskanalversorgung.
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Abb. 7: Scharfkantige Kronenränder auch bei Vorwärmtemperatur 800 °C.
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Abb. 8: Gusskanalanlage für eine weitspannige Brücke.
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Abb. 9: Gussreservoir im Hitzezentrum angebracht.
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Abb. 10: „Rohguss“ der 13-gliedrigen Brücke auf dem Modell.
Fazit
In einer Zeit, in der Brücken und Suprakonstruktionen mit modernen Fertigungsverfahren wie Mehrachsfräsen oder Laser-Schmelzen – im übrigen zunehmend aus CoCr-Legierungen – hergestellt werden, ist auch die Gusstechnik nach wie vor weltweit gefragt. Welche Faktoren u.a. für den erfolgreichen Guss ausschlaggebend sind, zeigt der vorliegende Artikel. Das Gießen einer CoCr-Legierung kann nicht 1:1 gleichgesetzt werden mit der gusstechnischen Verarbeitung einer Edelmetall-Legierung. Folgende Gießparameter haben unmittelbaren Einfluss auf die Gussqualität:
- die korrekte Dimension der Gusskanalanlage
- die räumliche Platzierung des Gussreservoirs im Hitzezentrum zur Vermeidung von Gusslunkern
- der ausreichende Abstand des Gussreservoirs zum Gussobjekt im Hinblick auf die Erstarrungsgeschwindigkeit der Schmelze je nach Legierungstyp
- die Wahl der Vorwärmetemperatur unter Berücksichtigung der Größe des Gussobjekts
- die zu vergießende Metallmenge im Hinblick auf den entstehenden Gießdruck
Grundsätzlich besteht beim Überhitzen der Schmelze, sowie bei größeren Metallmengen durch die höhere gespeicherte Hitze und die längere Abkühlzeit die Gefahr einer Oberflächenschädigung der Einbettmasse, was zu rauen Gussoberflächen führt. Es ist empfehlenswert, die oben genannten Parameter unter den gegebenen Gießbedingungen im jeweiligen Labor zu überprüfen. Weitere gusstechnische Tipps findet man im remanium® Kompendium „Der passgenaue Guss mit rema® CC“ von Dentaurum.
CoCr-Legierung:
remanium® star
Dentaurum GmbH & Co. KG (Ispringen)
Einbettmasse:
rema® CC, Dentaurum
Hochfrequenzschleuder:
megaplus compact, Dentaurum
Vakuum-Druckguss:
rematitan universal 230, Dentaurum
Verarbeitungsanleitung:
remanium® Kompendium, Dentaurum