Ratgeber: Modellguss analog oder digital fertigen

Dieser Beitrag stellt die klassische und die CAD/CAM-gestützte Modellgussherstellung nebeneinander auf den Prüfstand und klärt, was die jeweiligen Vor- und Nachteile dieser Techniken sind.
Ganz gleich ob klassisch oder trendig, analog oder digital: Immer noch ist die übliche Basis für den Modellguss das Meistermodell, dem die Abformung des Patientengebisses vorausgegangen ist und zu dem der Gegenbiss im Artikulator gehört.
Der erste Hauptunterschied: Auf dem Modell oder am Bildschirm modellieren
Beim analogen Modellguss folgt daraufhin das Vermessen des Arbeitsmodells mit einem Parallelometer. Dabei werden auch die konstruktiven Besonderheiten erfasst. Anschließend wird das Ausgangsmodell unterlegt und dubliert und ein Einbettmassenmodell hergestellt. Auf dem Duplikatmodell adaptiert der Zahntechniker Klammern und Retentionen mit allen Verbindungs- und Konstruktionselementen aus Wachs. Die Gusskanäle und der Gusstrichter werden angelegt und alles wird eingebettet (Abb. 1). Es folgen das Gießen, Ausbetten und Ausarbeiten sowie die Politur – danach prüft der Zahnarzt bei einer Anprobe das Gerüst auf seinen Sitz beim Patienten. Alles in Ordnung? Dann geht es weiter: Der Zahntechniker vervollständigt das Gerüst mit den Zähnen und stellt die Prothese fertig.
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Abb. 1: Die manuell modellierte Modellgussbasis – mit Gusskanälen und Gusstrichterformer versorgt, kann sie eingebettet werden.
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Abb. 2: Mehrdimensional im Blick – alle Bereiche der Modellgusskonstruktion lassen sich auf dem Meistermodell virtuell betrachten.
Beim digitalen Modellguss führt die Designsoftware durch den Konstruktionsprozess der Modellgussarbeit. Das Modellgussmodul von SheraDigital, Shera, Lemförde, – basierend auf der Dwos-Software von Dental Wings, Letourneux, Montreal, Kanada, – umfasst dabei die Definition der Ein- Bügel, schubrichtung mit der Unterschnittmessung in Echtzeit für besseren Halt und Einschub. Während klassisch nur zwei Augen aus unterschiedlicher Perspektive die Arbeitssituation bei der Wachsunterlegung im Blick haben, hat die Software an dieser Stelle die Nase vorn. Sie erleichtert es, dank der Abbildung von vier Perspektiven gleichzeitig, unter sich gehende Bereiche auf einen Blick exakt zu erfassen. Diese Bereiche erscheinen farblich codiert am Bildschirm (Abb. 2).
Gaumenplattenform oder Sublingualbügel werden mit Hilfe von voreingestellten und änderbaren Parametern entworfen. Das Modul von SheraDigital bietet außerdem weitere Möglichkeiten: ein Klammerdesign auf Grundlage der hinterlegten Bibliothek auszuwählen – inklusive seiner Anpassungsmöglichkeit in Echtzeit – sowie Retentionsnetze und Abschlussrand frei zu zeichnen. Zudem gehören das Verbinderdesign und die okklusale Abstützung mit automatischer Okklusionsanpassung am Gegenbiss zum Modul. Ebenso lassen sich Retentionen für Kunststoffzähne hinzufügen und Stützstege für das Gießen einbinden (Abb. 3). Modellgussmodule kosten je nach Anbieter, wenn nicht standardmäßig hinterlegt, um die 2.500 Euro und führen zu erweiterten Lizenzgebühren.
Abwägen zwischen analog und digital
Bei der klassischen Modellgussarbeit erstellt der routinierte Zahntechniker die Wachsmodellation von Hand. Im digitalen Verfahren unterstützt die Designsoftware seine Modellation. In beiden Fällen ist der Zeitaufwand gleich. Zum Beispiel muss mittels Software jede Klammer einzeln gelegt werden – das hält nicht weniger auf als in Echtzeit. Ob analog oder digital: In jedem Fall braucht es einen erfahrenen Zahntechniker, um einen guten Modellguss zu modellieren.
Klassisch geht es nach der Wachsmodellation mit dem Herstellen der Einbettmassenmuffel und Gussvorbereitung weiter. Und digital? Die Designdaten werden an das CAM-Fräsgerät, die Lasersintereinheit oder an einen 3D-Drucker weitergegeben und der Fertigungsprozess aus Wachs oder Kunststoffen wird ausgelöst. Dieser Fertigungsvorgang dauert je nach Umfang der Modellgussarbeit zwei bis vier Stunden.
Der analoge Modellguss ist für einen normal erfahrenen Zahntechniker schneller gefertigt als der digital gestützte. Der Grund: Während der Prozess der CAM-Fertigung läuft, hat ein Zahntechniker die gleiche Arbeit bereits in Wachs hergestellt und kann direkt einbetten.
Im Vergleich bietet die analoge Variante mehr mögliche Fehlerquellen. Sorgsames Arbeiten ist zum Beispiel beim manuellen Ausblocken gefragt. Die gewünschte Gradzahl um null bis zwei Grad schabt der Techniker von Hand nach Augenmaß und überprüft im Parallelometer das Ergebnis. Digital liegt dieser Arbeitsschritt nicht vor. Die Software blockt automatisch aus, per Mausklick müssen lediglich die relevanten retentiven Bereiche, zum Beispiel im Bereich der Klammerspitze, reduziert werden. Anschließend kann einfach auf dem Scanmodell weiter digital modelliert werden.
Der zweite Hauptunterschied: analog mit, digital ohne Einbettmassenmodell
Analog muss zunächst das ausgeblockte Modell dubliert werden (Abb. 4). Mit dem Einbettmassenmodell definiert der Zahntechniker die spätere Passung – ein Vorgang, der ein hohes Maß an Präzision verlangt. Dies ist der kritische Punkt bei der herkömmlichen Modellgussherstellung. Auf dem Einbettmassenmodell modelliert der Techniker wie gewohnt weiter.
Beim digitalen Modellieren ist die zweidimensionale Darstellung auf dem Bildschirm für Techniker in den ersten Schritten gewöhnungsbedürftig. Die klassisch gewohnten Handgriffe werden digital durch Mausklicks ersetzt. Der Vorteil digitaler Fertigung tritt deutlich zutage, wenn es darum geht, Korrekturen an der Modellation vornehmen zu müssen. Der Bildschirm erweist sich geduldiger als eine physische Wachskonstruktion, die im schlimmsten Fall komplett neu erstellt werden muss. Doch selbst dann sind die Wachskosten beim analogen deutlich geringer als beim digitalen Verfahren. Während der Materialaufwand bei wenigen Euro liegt, fallen für den verbrauchten Fräsblank leicht mehr als 30 Euro an. Im Vergleich zum digitalen Verfahren ergeben sich allerdings weitere Kosten für das Einbettmassenmodell. Ausgehend von insgesamt 200 Gramm Silikon sind das aber unter sechs Euro, die auf der analogen Seite zusätzlich zu buchen sind.
Demgegenüber braucht der digitale Modellguss kein Einbettmassenmodell. Die virtuell konstruierte und sofort per CAM erstellte Arbeit kann ohne diesen vorhergehenden Schritt direkt auf dem Meistermodell (Gipsmodell) kontrolliert werden (Abb. 5). Mit Gusskanälen und Trichter versehen, wird das gefräste Wachsmodell dann direkt überbettet. Bei bestimmten Geometrien können eventuell sogar mehrere Arbeiten gleichzeitig eingebettet und gegossen werden. Auch hierbei wird die Passung über die exakte Steuerung der Einbettmasse definiert – das gilt ebenso für das analog entstandene Wachsmodell.
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Abb. 5: Die digital angefertigte Modellation der Oberkieferbasis lässt sich auf dem Modell überprüfen und ist bereit zum Anstiften.
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Abb. 6: Zwei Verfahren, zwei präzise Ergebnisse: die fertig ausgearbeiteten Modellgussbasen lassen ihren jeweiligen Fertigungsprozess nicht erkennen. Links mit virtuell konstruierter und gefräster Modellation, rechts rein analog.
Am fertigen Gussobjekt ist später nicht erkennbar (Abb. 6), ob es analog oder digital hergestellt worden ist. Auch die Weiterbearbeitung bis zum finalen Stand unterscheidet sich nicht weiter.
Pro digital: Materialvielfalt und perfekte Passung
Beim digitalen Modellguss lassen sich nicht nur Materialien fräsen, die weiterverarbeitet werden, sondern auch Sonderkunststoffe wie zum Beispiel TSM Acetal Dental von Shera, die zur definitiven Versorgung geeignet sind (Abb. 7). Dieser Polymethylmethacrylat-( PMMA-)freie Kunststoff stellt eine sehr gute Wahl bei Allergikern dar und trägt dazu bei, dass die Modellgussprothese angenehm zu tragen ist. Aus TSM Acetal Dental kann die komplette Arbeit monolithisch in einem Fräsvorgang entstehen. Der Kunststoff bietet die Möglichkeit, das Gerüst und die Zähne zu designen und in einem Schritt zu fräsen (Abb. 8).
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Abb. 7: Aus dem Allergen-freien Kunststoff TSM Acetal Dental lassen sich Basis und aufgestellte Zähne in einem Schritt fräsen. Hier punktet der CAD/CAM-Modellguss konkurrenzlos und wirtschaftlich.
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Abb. 8: Die individuell mittels CAD/CAM aus TSM Acetal Dental gefertigten Zähne bieten beim analogen Vermessen Hilfe und dienen gleichzeitig als finale Versorgung auf der gegossenen Modellgussbasis.
Mit diesem Verfahren ist der Techniker wiederum deutlich schneller und er hat mehr Möglichkeiten: Klammern lassen sich dünner anlegen und fräsen, weil der industriell gefertigte PMMA-freie Fräsrohling deutlich dichter und homogener ist als die im Labor erstellte thermoplastisch gespritzte Arbeit. Thermoplastische Kunststoffe sind im Modellguss sehr aufwendig zu verarbeiten, dabei ist ihre Kontraktion schwer zu beherrschen, was zulasten der Passung geht. Letztlich ist im Vergleich zu den digitalen Möglichkeiten die Auswahl der Materialien im klassischen Modellguss limitierter.
Fazit
Ob analog oder digital: Beide Wege führen zu einem sehr guten Ergebnis. Digital-gestützt gefertigter Modellguss bietet neue Materialmöglichkeiten und macht so das Angebot des Labors breiter. Allerdings ist der digital hergestellte Modellguss für kleine Labore noch ein „Luxusgut“, weil das entsprechende BEL 2014 die Kosten für Material und Maschine derzeit nicht annähernd deckt. Wenn aber das Labor in der Lage ist, eine noch bessere Passung mit sehr guten Materialien vom Zahnarzt bezahlt zu bekommen, dann rechnet sich Computer-aided-Modellguss auch für einen kleineren Betrieb.
Der Vergleich zwischen der klassischen und CAD/CAM-Fertigung macht deutlich, dass jede neue digitale Möglichkeit auf den Prüfstand gehört, bevor sie Einzug in den Laboralltag hält. Das CAD/CAM-System muss zu den Bedürfnissen des Anwenders passen und für ihn wirtschaftlich von Vorteil sein. CAD/CAM in der Dentaltechnologie um jeden Preis? Nein, jedes Labor entscheidet nach guter Vorinformation und Markterhebung bei seinen Zahnärzten.
Lesen Sie unter der Rubrik Technik weitere Beispiele von Autoren, die Patientenfälle mit den in diesem Beitrag abgewogenen Verfahrensalternativen angefertigt haben.