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Teil 2: Die Neuerstellung von A bis Z

Die Totalprothetik – ein weites Arbeitsfeld für das Team Zahnarzt-Zahntechniker

In seinem ersten Teil hat unser Autor Zahnarzt Ernst O. Mahnke geschildert, wie vorhandene Totalprothesen optimiert werden können, um Patienten wieder lebensfroh zu machen. Aber die Geschichte ist damit oft nicht zu Ende: Aufgrund des geschaffenen Vertrauensverhältnisses und durch weitere Aufklärung über Grenzen und Perspektiven der vorhandenen Totalen kann eines Tages der Wunsch auf Patientenseite entstehen, mit neuen Totalprothesen noch mehr zu erreichen. Handelt es sich um gesetzlich Versicherte, schließt der Zahnarzt mit dem Patienten einen entsprechenden Vertrag.

Placeholder – News shutterstock

Die Neuerstellung einer Totalprothese ist für alle Beteiligten eine Herausforderung, für den Unterkiefer (TUK) noch mehr als für den Oberkiefer (TOK) – die Kombination TOK/TUK erst recht (Abb. 1). Aber wenn man einen schon optimiert versorgten zahnlosen Patienten mit neuen „Dritten“ weiterbringen will, so kann man auf dem schon Erreichten aufbauen. Denn mit der Optimierung seiner vorhandenen Totalprothesen haben wir den Patienten funktionell fein abgestimmt. Wir haben im Idealfall die angestrebte Bisshöhe einarbeiten können und er ist neuromuskulär konditioniert. Die wichtigsten Parameter sind herausgearbeitet (Abb. 2a–e), dokumentiert und können mit gesicherten Übertragungshilfen an das Labor übermittelt werden. Zahnfarbe und Zahnform werden beibehalten oder mit der ‚lebenden’ Formenkarte neu bestimmt.

Abb. 1: Ausgangssituation für die Neuerstellung der TOK und TUK. Mahnke
Abb. 1: Ausgangssituation für die Neuerstellung der TOK und TUK.
Abb. 2a: Direktes Bisshöhenmaß. Mahnke
Abb. 2a: Direktes Bisshöhenmaß.
Abb. 2b: Abstand der Papilla incisiva zur Schneidekante (11/12). Mahnke
Abb. 2b: Abstand der Papilla incisiva zur Schneidekante (11/12).
Abb. 2c: Höhenmaß an Zahn 26. Mahnke
Abb. 2c: Höhenmaß an Zahn 26.
Abb. 2d: Zungenfreiraum: Abstandsmessung 16-26. Mahnke
Abb. 2d: Zungenfreiraum: Abstandsmessung 16-26.
Abb. 2e: Vermessung der 1er-Position nach labial. Mahnke
Abb. 2e: Vermessung der 1er-Position nach labial.

Tipp:

Abb. 3: Anhand der Formenkarte fiel die Zahnauswahl auf die Frontzahn-Linie Premium 6 (Kulzer, Hanau). Mahnke
Abb. 3: Anhand der Formenkarte fiel die Zahnauswahl auf die Frontzahn-Linie Premium 6 (Kulzer, Hanau).

Es ist gelebte Zusammenarbeit zwischen Labor und Praxis, wenn der Techniker den Behandlern eine ‚lebende’ Formenkarte der Zahngarnituren zur Verfügung stellt (Abb. 3). Dabei liegt die Verantwortung der Zahnauswahl eindeutig in der Praxis. Eine ‚lebende’ Formenkarte beinhaltet alle im Angebot befindlichen Zahngarnituren in Form und Farbe und erleichtert am und mit dem Patienten die Wahl.

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Von der Abformung bis zum individuellen Funktionslöffel Die optimale anatomische Abformung mit dem konfektionierten Löffel, die der Zahnarzt sorgfältig vornimmt, ist die erste Arbeitsgrundlage für das Labor und der Einstieg zum angestrebten Erfolg (Abb. 4a u. b).

Abb. 4a: Anatomische Abformung des Unterkiefers. Mahnke
Abb. 4a: Anatomische Abformung des Unterkiefers.
Abb. 4b: Anatomische Abformung des Oberkiefers. Mahnke
Abb. 4b: Anatomische Abformung des Oberkiefers.

Für die Weiterarbeit durch den Techniker kann der Behandler in der Abformung die wesentlichen Prothesenlager anzeichnen. Mit einem wasserfesten roten Filzstift markiert der Techniker die Mindesteintauchtiefe (ca. 3 mm) am Abformmaterial. Das Modell wird aus Gips Typ 2 (z.B. Snow White Plaster, Kerr Dental, Biberach, oder einem gleichwertigen Montagegips) erstellt.

Die Gipsarbeit gelingt ohne Effizienz- oder sonstige Verluste am besten, wenn der Techniker, der die Abformung ausgießt, auch den Löffel abzieht. Nach dem Abziehen des Löffels – am absolut sauberen Arbeitsplatz – kann der Gips bis zur übertragenen Farblinie zurückgeschnitten werden (Abb. 5): So ist die Randstärke gesichert vorgegeben.

Abb. 5: Unterkiefermodell mit zugehörigem individuellem Löffel ... Mahnke
Abb. 5: Unterkiefermodell mit zugehörigem individuellem Löffel …
Abb. 6: ... und das Gleiche für den Oberkiefer. Mahnke
Abb. 6: … und das Gleiche für den Oberkiefer.

Auf dem trockenen OK-Gipsmodell werden nun der tiefste Punkt der Umschlagfalte und die dorsale Grenzlinie eingezeichnet (Abb. 6). Hierzu dient am besten ein weicher Bleistift 7B/8B. Eine Zuordnung der Bleistifte mit Beschreibung der Härte und des Anwendungszwecks findet sich unter www.tabelle.info/bleistifthaerte.html. In gleicher Weise markiert man auf dem UK-Modell das retromolare Polster sowie die Sublingualrolle und die Crista mylohyoidea. Als Löffelmaterial wählen wir ein schnellhärtendes Kaltpolymerisat (Kerr Formatray).

Tipp:

Das Modell wird in Trimmerwasser gewässert (isoliert), dann die Umschlagfalte mit einer teigigen Kunststoffwurst aufgefüllt und die Oberfläche mit Monomer benetzt. Die verbliebene Teigmenge wird auf dem mit Mikrofilm isolierten Kerr Rollset ausgerollt, mit scharfer Klinge in Form geschnitten und, von der Front ausgehend, über den Kieferkamm und das Gaumendach aufgelegt. Dabei dürfen keine Lufteinschlüsse verbleiben. Mit Monomer glättet man die Oberfläche und die Übergänge und versäubert schließlich die Überschüsse mit scharfer Klinge. So erleichtert man sich das Ausarbeiten des Materials nach dem Aushärten des Kunststoffs.

Das Modell wird dann in den Drucktopf gegeben: mit raumtemperiertem – nicht heißem – Wasser.

Tipp:

Es ist wichtig, dass das Wasser zu Beginn nur Raumtemperatur hat. Dies soll die Reaktionswärme des Kunststoffs ableiten, um die Polymerisationsveränderung so gering wie möglich zu halten.

Nach dem Aushärten des Löffels folgen das Abheben vom Modell und das Ausarbeiten. Hierbei ist die Randstärke zu beachten: Sie soll im Seitenzahnbereich 2–3 mm betragen. Zusätzlich stellt man sicher, dass untersichgehende Bereiche im Löffel großzügig entlastet werden, um genügend Platz für die Abformmaterialstärke zu schaffen.

Dieser für die Totalprothetik geschaffene individuelle Löffel ist in der Form und Dimension der Totalprothese sehr ähnlich, nur abgesehen von der Farbe.

Tipp:

Bei untersichgehenden Bereichen ist die Gefahr im nächsten Schritt sehr groß, dass der Gips beim Abheben des Löffels an diesen Stellen bricht. Mehr Platz im Löffel und also mehr Abformmaterial im Löffel senkt das Risiko.

Nun wird der Bisswall aus lichthärtendem Kunststoff nach den Maßen der alten Prothese aufgelegt. An das Aushärten schließt sich das übliche Ausarbeiten an. Der fertige Löffel hat die Form der Prothese – er unterscheidet sich nur in der Farbe. Verfährt man wie beschrieben, hat man nun einen extrem passgenauen Löffel in der Hand. Man kann sagen: Der so erstellte Löffel passt besser als die meisten getragenen Prothesen.

Der UK-Löffel wird in gleicher Weise hergestellt. Hier ist zusätzliche Aufmerksamkeit zu verwenden: Die relevanten Zonen, die bei der späteren Prothese die erforderliche Ventilwirkung provozieren, müssen zuverlässig erfasst werden. Es geht um das retromolare Polster und die anteriore Sublingualregion. Auch im Fall des Unterkiefers gibt der Bisswall die Maße und Position der alten Prothese wieder.

Nun sind die individuellen Löffel fertiggestellt, um an die Praxis zu gehen. Sie dürfen in Grenzbereichen leicht überdimensioniert sein.

Während der Einprobe am Patienten werden Korrekturen an den leicht überdimensionierten Löffeln vorgenommen. Kleine Randkürzungen und Entlastungen sind einfacher in der Praxis vorzunehmen, als später im Labor Verlängerungen und Verstärkungen anbauen zu müssen. Mit einem optimalen Abformergebnis kommen die Löffel ins Labor zurück, werden angemessen gewürdigt und entsprechend bearbeitet.

Tipp:

Es dient dem Ablauf zwischen Praxis und Labor, wenn abgesprochen wird, wie dargestellt vorzugehen. Denn wenn die Arbeitsgrundlagen in der Praxis so gut vorbereitet sind, kann die Gegenleistung aus dem Laborergebnis diesen Einsatz widerspiegeln.

Die Herstellung des Meistermodells

Der nächste Arbeitsschritt im Labor besteht aus der Modellherstellung auf Grundlage des individuellen Löffels (Abb. 7 u. 8). Der jeweilige Löffel wird am Rand wieder mit wasserfestem Filzstift markiert, dabei soll die Randtiefe 2–3 mm betragen.

Abb. 7: Abformung und Arbeitsmodell für die TUK ... Mahnke
Abb. 7: Abformung und Arbeitsmodell für die TUK …
Abb. 8: ... und das Gleiche für den Oberkiefer. Mahnke
Abb. 8: … und das Gleiche für den Oberkiefer.

Der Löffel wird in einer Einbetthilfe mit Alginat eingebettet. Nach dem Abbinden des Alginats wird das Alginatbett aus der Einbetthilfe herausgenommen, bis auf die farbige Markierungslinie des Löffelsilikons zurückgeschnitten und mit dem Löffel in der Einbetthilfe reponiert.

Die Modellherstellung erfolgt mit einem Superhartgips (z.B. Kerr Suprastone grün). Die Einbetthilfe sichert unseren Anspruch an die Gipsqualität des Arbeitsmodells und erleichtert die Herstellung des Splitcast mit Konterplatte.

Das sauber vorbereitete Modell wird getrimmt; dabei belassen wir zum Schutz der Umschlagfalte einen gesicherten Modellrand von 3 mm.

Nach dem Abheben der Löffel und der Fertigstellung der Modelle ist oft ein Reponieren der Löffel auf dem Modell nicht möglich, vor allem bei ausgeprägten Kieferkämmen oder Schleimhautduplikaturen. Was ist dann zu tun? Wir befreien den Löffel vom vorhandenen Abformmaterial und benetzen ihn mit Silikon-Haftlack. Das Modell wird gewässert und trockengeblasen. Es folgt das Abpinseln der Löffel mit einem fein fließenden Korrektursilikon und Aufsetzen auf das Modell. Dazu ist das Unterfüttern des Löffels erforderlich – dieser Schritt im Labor sichert in allen Arbeitsbereichen den optimalen Sitz.

Ein starkes Gummiband fixiert die Arbeit, bevor sie in den Drucktopf geht.

Nach dem Aushärten des Silikons werden die Löffelränder versäubert. Jetzt passt der Löffel auf dem Modell, lässt sich problemlos reponieren – und er passt nach wie vor auf die Schleimhaut.

Auf der „Zielgeraden“ zur passenden Totalprothese

Nun werden die Löffel zum Registrierbehelf umgearbeitet. Der OK-Bisswall wird in Region der 1er und 6er eingekerbt, um Impressionsretentionen für die Bissgabel zu erhalten. Darüber hinaus wird der UK-Bisswall dachfirstförmig zugeschliffen: messerscharf. Schließlich werden nach vestibulär auf Höhe der 4er/5er Fingerbänke aus Stangen-Abformmaterial (Kerr Impression Compound) aufgelegt. Jetzt erhält der obere Bisswall eine Lage Alu-Wachs (Plattenwachs Alu-Wax Denture, American Dental Systems, Vaterstetten) und wird fest angeschmolzen. Der untere Bisswall wird mit dem „Dachfirst“ so ausgerichtet und justiert, dass er bei leicht angehobenem Stützstift gesichert auf das Alu-Wachs trifft. So geht die Arbeit in die Praxis.

Tipp:

Die Vorzentrik ist hier die große Hilfe (Abb. 9–13). Sie ermöglicht der Technik, die Registrierbehelfe für die Arbeitszentrik fein vorzubereiten; dem Behandler erleichtert sie die Arbeit am Patienten – und vermindert so den Aufwand der insgesamt sonst schwierigen Kieferrelationsbestimmung.

Abb. 9: Vorbereitung für die Vorzentrik. Mahnke
Abb. 9: Vorbereitung für die Vorzentrik.
Abb. 10: Montage der Vorzentrik im Patientenmund und Überprüfung. Mahnke
Abb. 10: Montage der Vorzentrik im Patientenmund und Überprüfung.
Abb. 11: Die Schablonen wurden anhand der Überprüfung in situ optimiert. Mahnke
Abb. 11: Die Schablonen wurden anhand der Überprüfung in situ optimiert.
Abb. 12: Im Artikulator wird die zentrische Bissnahme vorbereitet. Mahnke
Abb. 12: Im Artikulator wird die zentrische Bissnahme vorbereitet.
Abb. 13: Zentrikregistrat verfeinert. Mahnke
Abb. 13: Zentrikregistrat verfeinert.

Zurück aus der Praxis werden die Registrierbehelfe auf den Modellen mit Montagegips fixiert und dann zueinander verschlüsselt (Abb. 14). Im Artikulator wird der Stützstift auf +5 mm eingestellt und die verschlüsselten Modelle werden montiert. Nach der Montagekontrolle werden die Verschlüsselung und das Alu-Wachs vom OK-Bisswall entfernt. Jetzt werden aus den Registrierbehelfen Ästhetik-Phonetik- Schablonen. Der Stützstift wird nun auf den ersten Frühkontakt der Bisswälle abgesenkt (Abb. 15).

Abb. 14: Das Registrat mit Dachfirstimpressionen. Mahnke
Abb. 14: Das Registrat mit Dachfirstimpressionen.
Abb. 15: Das Zentrikregistrat wurde lagegerecht montiert. Mahnke
Abb. 15: Das Zentrikregistrat wurde lagegerecht montiert.

Der OK-Bisswall wird im Seitenzahnbereich horizontal ausgerichtet und auf Molaren- und Prämolarenbreite zurechtgeschliffen. Der Frontschild wird von palatinal auf Frontzahnstärke ausgeschliffen und es wird die Frontzahnlänge mit horizontalem und vertikalem Überbiss modelliert.

Der UK-Bisswall wird im Seitenzahnbereich entsprechend zurechtgeschliffen, ggf. werden die Wälle mit lichthärtendem Kunststoff in der Form und Höhe optimiert. Die Frontzahnregion wird dem Zahnbogen entsprechend modellierend zurechtgeschliffen. Diese zusätzliche Maßnahme ist eine Privatleistung. Bei gesetzlich Versicherten angewendet, muss sie vorher im Kostenvoranschlag mit GOZ-Positionen mit dem Patienten vereinbart werden.

Die Schablonen gehen im Artikulator in die Praxis. Bei der Einprobe der Ästhetik- Phonetik-Schablonen werden der Sprechabstand, die Lage des Zungenäquators zur Okklusionsebene, der bukkale Korridor (auch Lachkanal genannt) im OK, die Frontzahnlänge und Position der Schneidekanten der OK-Front überprüft – dabei zeigt die Grenze zwischen feuchtem und trockenem Lippenrot der Unterlippe die Maximalposition an (Abb. 16). Die Sprechprobe von S-Lauten („Susi“, „Mississippi“, „66 Miezekatzen“) prüft die Platzverhältnisse im Zungenraum. Gibt es keine Ausspracheprobleme und fühlt sich die Zunge nicht „eingesperrt“, wird mit der UK-Schablone der Zungenraum funktionell abgeformt (Abb. 17).

Abb. 16: Bestimmung der Mittellinie anhand mehrerer Kriterien. Mahnke
Abb. 16: Bestimmung der Mittellinie anhand mehrerer Kriterien.
Abb. 17: Die Abformung des Zungenraums ist ein wichtiger Schritt für den Erhalt der gewohnten Phonetik und das Tragegefühl der Totalprothese. Mahnke
Abb. 17: Die Abformung des Zungenraums ist ein wichtiger Schritt für den Erhalt der gewohnten Phonetik und das Tragegefühl der Totalprothese.
Abb. 18: Markierung der inneren und äußeren Mitte. Mahnke
Abb. 18: Markierung der inneren und äußeren Mitte.

Die innere Mitte wird auf der Schablone mit schwarzem wasserfestem Filzstift eingezeichnet (Lippenbändchen), die äußere Mitte wird, mit Rot markiert (Abb. 18), eingezeichnet (Kupidobogen, Amorbogen). Der Verlauf der Nase gibt dann mit den Ausschlag, welche Mittellinie für den Techniker gelten soll, und wird entsprechend auf dem Frontschild gekennzeichnet.

Tipp:

Oft irritiert die Schablonenstärke hinter dem OK-Frontschild die Zunge. Sigmatismus ist die Folge.

Die Mittellinie sollte sich auch am Nasenverlauf orientieren, sie darf nicht gegenläufig sein.

In der Praxis ist spätestens mit dem Arbeitsablauf „Ästhetik-Phonetik“ auch die Zahngarnitur ausgesucht, wie oben beschrieben mithilfe der geeigneten Formenkarten.

Aus der Ästhetik-Phonetik-Schablone wird jetzt im Labor die Aufstellhilfe. Alle relevanten Vorgaben, die für die Aufstellung zu berücksichtigen sind, gibt die Schablone vor.

Die UK-Schablone ist auf dem Modell fest aufgelegt. Lingual isolieren wir den Bisswall und das Abformsilikon mit Mikrofilm. In den Zungenraum legen wir eine Silikonzunge aus einem einfachen angemischten Knetsilikon (Abb. 19). Das Silikon wird auf Seitenzahnniveau und Schneidekantenhöhe zurückgeschnitten. Der Zungenraum ist vom Zungenkonter komplett ausgefüllt. Von außen legen wir vor die UK-Front eine Knetsilikonwurst, die komplette Front wird erfasst. Dann schließen wir den Artikulator und der OK-Frontschild ‚beißt’ mit der Schneidekante in das sicher adaptierte weiche Silikon. Sobald das Material ausgehärtet ist, wird die OK-Einbisslinie farblich mit dem Filzstift markiert (Abb. 20) und die Mittellinie der OK-Front wird im Konter keilförmig eingeschnitten.

Abb. 19: Einlegen der Silikonzunge. Mahnke
Abb. 19: Einlegen der Silikonzunge.
Abb. 20: Zungen- und Frontkonter auf dem Modell. Mahnke
Abb. 20: Zungen- und Frontkonter auf dem Modell.
Abb. 21: Front- und Halskonter von lingual. Mahnke
Abb. 21: Front- und Halskonter von lingual.

Es fehlt nur noch der Silikonkonter für die Zahnhalsposition der OK-Frontzähne (Abb. 21). Nach seiner Fertigstellung sind alle Aufstellungsparameter gesichert.

Tipp:

Im Labor erleichtert sich die Arbeit, wenn der Techniker kompromisslos wie beschrieben vorgeht. Es verringert sich die Fehlerquote, Korrekturen bei der Einprobe fallen weg oder diese reduzieren sich auf ein Minimum. Die Zähne werden in „Beauty Pink“-Wachs (Integra Miltex, Plainsboro, New Jersey/USA; in deutschen Fachhandeldepots erhältlich) aufgestellt und dann mit weichem Wachs ausmodelliert.

Der nächste und gleichzeitig letzte Arbeitsschritt beginnt mit der Aufstellung (Abb. 22–25). Der OK-Frontschild wird herausgefräst, dann stellen Sie die Front in den unteren Frontkonter und überprüfen die Position mit dem Front-Zahnhalskonter. Jetzt drücken Sie die untere Front gegen den Zungenkonter, sicher in Höhe und Stellung nach lingual. Nun werden die UK-Seitenzähne gegen den Zungenkonter gedrückt, wobei sie sich in Höhe und Position an der Silikonzunge orientieren. Die OK-Seitenzähne werden dagegen positioniert. Wenn alles fein abgestimmt ist, ist Ihre Aufstellung fertig.

Abb. 22: Wie üblich werden zuerst die Oberkiefer-Frontzähne aufgestellt. Mahnke
Abb. 22: Wie üblich werden zuerst die Oberkiefer-Frontzähne aufgestellt.
Abb. 23: Es folgt die Aufstellung der Unterkiefer-Front, unter Berücksichtigung des Zungenraumes. Mahnke
Abb. 23: Es folgt die Aufstellung der Unterkiefer-Front, unter Berücksichtigung des Zungenraumes.
Abb. 24: Aufstellung der Unterkiefer-Seitenzähne. Mahnke
Abb. 24: Aufstellung der Unterkiefer-Seitenzähne.
Abb. 25: Überprüfung der Gesamtaufstellung im Artikulator. Mahnke
Abb. 25: Überprüfung der Gesamtaufstellung im Artikulator.
Abb. 26: Einbettung der aufgestellten Zähne. Mahnke
Abb. 26: Einbettung der aufgestellten Zähne.

Nun steht wieder eine Einprobe in der Praxis an: mit der funktionellen Abformung der Tuberwangentasche und der Wangentasche. Damit ist alles getan, um die Prothesen im Labor fertigstellen zu können. Es folgt das Einbetten in der Küvette (Abb. 26). Hier zieht man zwei Gipskonter heran, die danach das Ausbetten erleichtern.

Tipp:

Sehr wichtig: Die Prothesen, die remontiert werden, dürfen nicht reokkludiert werden.

Nach dem Ausarbeiten werden die polymerisierten Prothesen zu Registrierbehelfen. Im Labor werden die Modelle so weit zurückgeschliffen, dass sich die Prothesen schaukelfrei gesichert repositionieren lassen. Auf die untere Zahnreihe wird eine Lage Alu-Wachs aufgelegt und fest verschmolzen – es darf später kein Speichel unter das Wachs gelangen. Im Prämolarenbereich werden nach vestibulär Fingerbänke, wieder aus Kerr Impression Compound, aufgelegt (Abb. 27). Es erfolgt noch die Trennung des UK-Modells vom Splitcast, bevor die Arbeit an die Praxis geliefert wird.

Abb. 27: Die Montageverschlüsselung im Artikulator. Für diese Arbeit und die Remontage gilt: In dieser üppigen „barock“ anmutenden Art wird in Praxen oft Gips aufgestrichen – nicht sparsam und bilderbuch-schön wie im Studium gelernt. Die Bilder geben das Alltagsgeschäft wieder. Mahnke
Abb. 27: Die Montageverschlüsselung im Artikulator. Für diese Arbeit und die Remontage gilt: In dieser üppigen „barock“ anmutenden Art wird in Praxen oft Gips aufgestrichen – nicht sparsam und bilderbuch-schön wie im Studium gelernt. Die Bilder geben das Alltagsgeschäft wieder.
Abb. 28: Die abschließende Remontage und Überprüfung, bevor die Arbeit der Praxis überstellt wird. Mahnke
Abb. 28: Die abschließende Remontage und Überprüfung, bevor die Arbeit der Praxis überstellt wird.
Abb. 29: Patient mit neuer TOK-TUK. Die gut eingestellte Funktion und Ästhetik werden ihm eine Bereicherung sein. Mahnke
Abb. 29: Patient mit neuer TOK-TUK. Die gut eingestellte Funktion und Ästhetik werden ihm eine Bereicherung sein.

Dort wird mit dem zentrischen Registrat die Remontage vorbereitet (Abb. 28). Die Prothesen werden montiert, nachdem sie auf den Modellen mit Typ-2-Gips fixiert und zueinander verschlüsselt wurden. Nach der Montagekontrolle werden die Prothesen entschlüsselt. Im Artikulator wird der Stützstift auf Höhe des ersten Frühkontakts eingestellt und die Kalibrierung notiert. Jetzt kann die Relation der Zähne zueinander nach einem praxisbewährten Okklusionskonzept eingeschliffen werden. Bewährt hat sich, die Prothesen unbalanciert mit einer gesicherten Front-Eckzahn-Führung einzuschleifen. Bei Distalbiss wird ein Gruppenkontakt der Prämolaren installiert. Totalprothesen können nicht im Mund des Patienten eingeschliffen werden, diese leider verbreitete Gewohnheit ist absolut verboten. In der Praxis erfolgt jedoch die Überprüfung, der Patient führt Kaubewegungen aus, macht Ausspracheübungen und betrachtet sich im Spiegel (Abb. 29).

Abschließende Bemerkungen und Bewertung

Wenn ein Patient so weit gekommen ist, dass er zahnlos ist und keine Implantatinsertionen, womöglich noch mit Augmentationen, möchte oder erhalten kann, stellen sich Totalprothesen als die beste Lösung dar … wenn sie denn passgenau und funktionsgerecht sind. Hier liegt die Krux für den Patienten und die Praxis. Entweder verhindert die klinische Situation mehr Tragekomfort – oder aber die Fähigkeiten des Behandlers reichen für eine funktionsgerechte Versorgung nicht aus, was nicht selten der Fall ist.

Der hier geschilderte außerordentliche Behandlungsaufwand für eine funktionsoptimierte Prothese kann nur mit zusätzlichen Honorarleistungen aus der GOZ erbracht werden. Der Kostenvoranschlag muss vor der Behandlung entsprechend erstellt und vom Patienten akzeptiert werden. Die hohe Zahl der Totalprothesenträger lohnt jedoch den Aufwand an mehr fachlichem Einsatz unbedingt. Bewährt hat es sich, dass Zahnarzt und Zahntechniker gemeinsam eine adäquate Fortbildung besuchen, bestimmt kommt dann der entscheidende Motivationsschub.

Auch die digitale Totalprothese verspricht Unterstützung. Fräsgeräte, Prothesenbasis-Rohlinge und Zähne werden bereits von etlichen Herstellern angeboten. Ich bin gespannt, wie uns diesbezüglich Firmen wie Amann Girrbach, Dentsply Sirona, Ivoclar Vivadent, Kulzer, Merz Dental, Straumann (im Cares-Workflow) und die Vita Zahnfabrik oder auch DentalPlus mit Polyan-Werkstoff in die Zukunft führen wollen.

Mein Anliegen

Seit gut 40 Jahren setze ich mich mit der Problematik der Totalprothese auseinander. Dank der vermittelten Systematik durch meinen Lehrer Alexander Gutowski wurden die Erfolge immer größer – aber es wuchsen auch die Ansprüche an meine Behandlungsabläufe. Es war nicht immer einfach, die Labore für diesen Mehraufwand an Zeit und Material zu begeistern, Geduld auf allen Ebenen war gefordert. Aber rückblickend muss ich feststellen:

Es hat sich gelohnt!

Mit dieser Methode der funktionsorientierten Behandlung, nicht nur in der Totalprothetik, heben wir uns nach wie vor von den gängigen Lehrmeinungen der meisten Hochschulen ab, und leider hält auch die Zahntechnik gern an eingefahrenen Methoden fest. Der Aufruf zu mehr Qualitätsbewusstsein verhallt zu gern.

In diesem Sinne wünsche ich allen, die sich – und die Prothetik – verbessern wollen, die entsprechenden Partner und den erhofften Erfolg.

Ihr Ernst O. Mahnke

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