Totalprothetik

PEEK – ein knochenelastisches Material im Überblick

Total- und Teilprothetik: Neue Wege gehen

Abb. 1 u. 2: Die „bionische Krone“, hergestellt mit Materialien von Schütz Dental, Rosbach (Tizian Zirkonverstärktes Komposit als Gerüst, verblendet mit dem Komposit dialog Occlusal). Bildnachweis für alle: ZTM Michael Anger
Abb. 1 u. 2: Die „bionische Krone“, hergestellt mit Materialien von Schütz Dental, Rosbach (Tizian Zirkonverstärktes Komposit als Gerüst, verblendet mit dem Komposit dialog Occlusal). Bildnachweis für alle: ZTM Michael Anger

Seit einigen Jahren halten neue Materialien wie z. B. PEEK, Nylon und zirkoniumdioxidverstärkte Komposite Einzug in die Zahntechnik. Sie regen uns an, Zahntechnik neu zu überdenken und neue Konzepte zu entwickeln. Unser Autor ZTM Michael Anger fragt in diesem Beitrag: „Gehen wir auf ein Zeitalter der Hochleistungskunststoffe zu?“ Er berichtet von seinen Erfahrungen mit PEEK, gibt Erläuterungen und wendet sich Anwendungsbeispielen zu.

Eine der grundsätzlichen Überlegungen, die ich angesichts von Zirkoniumdioxid anstelle, ist: Muss es nicht wünschenswert sein, die Okklusion mit weniger harten Materialien zu fertigen, als es Zirkoniumdioxid ist? Das würde dem grundsätzlich eher „flexiblen“ stomatognaten System Rechnung tragen. Sowohl die Antagonisten als auch die Kiefergelenke werden in dem Fall weniger belastet. Diesem Gedanken folgt z. B. die Entwicklung der „bionischen Versorgung“. Hier geht es um Kronen oder Brücken, die aus einem mit Kunststoff verblendeten zirkoniumdioxidverstärkten Komposit-Gerüst bestehen. Das Ziel ist eine „weiche Okklusion“, wie ich es nenne, mit eher dentin- und knochenähnlichem Elastizitätsmodul (Abb. 1 u. 2).

Eine weitere neue Fragestellung: Ist ein starrer großer Verbinder (Sublingual- oder Transversalbügel) das richtige für das menschliche Kausystem? Es ist doch so, dass uns die Natur – besonders auf den Unterkiefer bezogen, wenn ich an Zahnersatz denke,– mit einem keinesfalls starren Knochen ausgestattet hat. Unser gesamter Körper- und Knochenbau ist schließlich darauf ausgelegt, Druck oder Widerstand in gewissen Grenzen mit Nachgiebigkeit und Biegsamkeit zu begegnen. Wir jedoch versuchen, mit starren, unnachgiebigen Materialien und Prothesen beschädigte oder verlorengegangene Körperteile zu ersetzen. Und dann wundern wir uns, wenn sich der Körper mit verschiedenen „modernen“ Krankheiten zur Wehr setzt. Migränen, Spannungszustände, Haltungsfehler und erhöhte Abnutzungen in anderen Bereichen des Körpers sind nur einige der Folgen, mit denen unser Körper hierauf reagiert. In der Zahnmedizin kennen wir z. B. die übermäßige Abrasion des Antagonisten und Kiefergelenkserkrankungen, die als Folgen von zu harten Materialien auftreten können. Es darf die Frage erlaubt sein, ob monolithische Zirkoniumdioxid- Materialien, vollanatomisch eingesetzt, um Zahnersatz kostengünstig und dennoch ästhetisch herstellen zu können, in die richtige Richtung gehen. Und dieselbe Frage stelle ich auch, was die starren großen Verbinder angeht.

Der Weg von Polyetheretherketon in die dentale Welt

Zu diesen Fragen und Bedenken passen technische Forschungen der Industrie, die ständig neue Materialien und v. a. Kunststoffe ersinnt, die besonders leicht, bruchfest, dehnbar und gleichzeitig beständig gegen chemische oder mechanische Zerstörung sind. Solche Kunststoffe, erfolgreich eingesetzt, begegnen uns heute schon, meist unbemerkt, in vielen technischen Geräten, Werkzeugen sowie alltäglichen Gebrauchsgegenständen. Beispielsweise wurde 1978 bei der Firma ICI Corporation (heute Victrex, Thornton Cleveleys/Großbritannien) ein Hochtemperatur-Thermoplast der Sorte Polyetheretherketon entwickelt: PEEK war geboren. In der Autoindustrie sowie im Maschinenbau wurde dieses Material zunächst aufgrund seiner herausragenden Eigenschaften häufig eingesetzt. 1993 begann die Firma VICTREX, sich mit der Weiterentwicklung dieses Materials zu beschäftigen – und heute ist PEEK, soweit das zu googeln ist, der bekannteste und am häufigsten eingesetzte Hochleistungskunststoff.

Bereits aus den Jahren 1993 bis `94 findet man erste Studien zum Einsatz von PEEK in der Chirurgie [1, 2]. Durch seine knochenähnliche Substanz, was Biegefestigkeit, Druckfestigkeit und Härte sowie Elastizität und Bruchdehnung angeht, weiterhin durch seine geringe Wasseraufnahme, seine Resistenz gegen Säuren, sein geringes Gewicht, seine gute Formbarkeit und seine Körperverträglichkeit erfreute es sich schnell großer Beliebtheit als Ersatz für Gelenk-Pfannen und -Knorpel, für Knochenplatten, Wirbelkörper und sogar ganze Knochen.

In seiner ursprünglichen Form hatte das technische PEEK eine dunkle Färbung. Erst durch das Hinzufügen verschiedener Farb- und Zusatzstoffe wurde es für den Einsatz in der Zahntechnik interessant. Bei meinen Recherchen konnte ich die ersten wissenschaftlichen Arbeiten zum Einsatz von PEEK in der Zahnmedizin und Zahntechnik aus den Jahren 1996 bis 1997 finden [3]. Heute werden immer häufiger Kronen, Brücken, Primär-, Sekundär- und Tertiärstrukturen sowie dentale Implantate aus diesem Material hergestellt und erfreuen sich bei Behandlern und Patienten immer größerer Beliebtheit. Bei Zahntechnikern stößt das Material noch auf einige Skepsis, aber ich selbst habe erfahren: Wenn man sich erst einmal an die Verarbeitung und gewisse Regeln gewöhnt hat, macht es wirklich Spaß. Die saubere PEEK-Friktion ist nach Aussage meiner Zahnärzte erfreulich. Natürlich liegt noch keine Langzeiterfahrung vor.

Anwendungsbeispiele und Dentalhersteller

PEEK lässt sich in der Zahntechnik aufgrund seiner Eigenschaften sowohl zahngetragen für Kronen und Brücken, Sekundärteile wie Teleskope, Klammern, Stege und Modellgüsse (Abb. 3-5) als auch für implantatgetragene Konstruktionen wie Abutments, Primärteleskope oder Primärstege einsetzen (Abb. 6 u. 7).

  • Abb. 3: Das Einsatzgebiet für PEEK beginnt bei Kronen und Brücken.
  • Abb. 4: Hier ein Modellguss mit Teleskopen und Klammer aus PEEK.
  • Abb. 3: Das Einsatzgebiet für PEEK beginnt bei Kronen und Brücken.
  • Abb. 4: Hier ein Modellguss mit Teleskopen und Klammer aus PEEK.

  • Abb. 5: Sekundärsteg aus PEEK.
  • Abb. 6: Individuelles Abutment.
  • Abb. 5: Sekundärsteg aus PEEK.
  • Abb. 6: Individuelles Abutment.

  • Abb. 7: Primärsteg mit eingearbeiteten Abutments.
  • Abb. 8: Implantatgetragenes Brückengerüst für die festsitzende Versorgung.
  • Abb. 7: Primärsteg mit eingearbeiteten Abutments.
  • Abb. 8: Implantatgetragenes Brückengerüst für die festsitzende Versorgung.

  • Abb. 9a u. b: Auch eine Indikation für PEEK: Primär- und Sekundärgeschiebe.
  • Abb. 9a u. b: Auch eine Indikation für PEEK: Primär- und Sekundärgeschiebe.

Als Gerüst für verschraubte oder zementierte Brücken auf Implantaten findet PEEK ebenfalls immer häufiger Anwendung (Abb. 8) und selbst Geschiebe lassen sich aus diesem Material fertigen (Abb. 9 a u. b). Darüber hinaus eignet sich dieses Material für Basen von Totalprothesen oder zementfrei einsetzbare, bedingt abnehmbare Brücken auf Implantaten. Zudem gibt es Fortschritte in der MKG-Chirurgie: Mittlerweile werden einteilige Implantate aus PEEK eingesetzt. Somit handelt es sich um ein vielseitiges Material zur Herstellung von festsitzendem sowie herausnehmbarem Zahnersatz fast jeder Indikation. Derzeit wird PEEK in unterschiedlichen Farben und mit unterschiedlichen Beimischungen angeboten, z. B. durch folgende Hersteller:

  • Die Fa. Juvora (Thornton Cleveleys/GB) ist mir bekannt als Hersteller des ersten in der Zahntechnik verwendeten PEEKs. Dieses hat die klassische graue Färbung und wird auch als „medizinisches PEEK“ bezeichnet. Bisher sind mir keine allergischen Reaktionen auf dieses Material bekannt.
  • Die Fa. Evonik (Essen) hat sich mit der Verfeinerung und Einfärbung von PEEK beschäftigt und durch den Zusatz verschiedener Metalloxide drei weitere Farben von PEEK entwickelt. In „weißem PEEK“ sowie „zahnfarbenem PEEK“ (beige) findet sich v. a. die Beimengung von Titandioxiden. Grundsätzlich findet sich in allen weißen Kunststoffen, Farben etc. Titandioxid, da dieses die weiße Farbe hauptsächlich verursacht. In der neuesten auf dem Markt befindlichen Form des „rosa PEEK“ wird diese Färbung v. a. durch die Beigabe von Eisenoxid hervorgerufen, ebenso wie in vielen unserer Prothesenkunststoffe.
  • Die Fa. Bredent (Senden), hat v. a. auf die Beigabe von Keramiken wie z. B. Zirkoniumdioxid bei der Kreation ihres PEEKs gesetzt und bietet derzeit weißes, zahnfarbenes, sowie in nächster Zukunft rosafarbenes „zirkonverstärktes PEEK“ an.
  • Auch Merz Dental (Lütjenburg) bietet PEEK-Fräsblanks an.

Materialeigenschaften verschiedener dentaler PEEK-Arten

Physikalische Eigenschaften Grundsätzlich ist PEEK durch die genannten physikalischen Eigenschaften dem Knochen sehr ähnlich. Hierdurch scheint es für den Einsatz im menschlichen Körper sehr gut geeignet.

Mit Blick auf die Mundhöhle kommen für uns als wichtige Charakteristiken hinzu: die extrem geringe Neigung zur Wasseraufnahme und Nichttoxizität, seine gute Beständigkeit gegen Säuren sowie seine geringe Neigung zu Anlagerungen (hohe Dichte und glatte Oberflächen). Plaque- oder Zahnstein-Anlagerungen konnte ich bei meiner persönlichen ca. 4 Jahre umfassenden Erfahrung bisher in keinem Fall feststellen. In der großen Gelenkchirurgie hat PEEK seine hervorragenden Gleit-Reib-Qualitäten und geringe Alterungsneigung (Abriebverhalten) bewiesen, wodurch seine Verwendung für Friktionselemente wie Geschiebe, Konus- oder Teleskopkronen besonders angezeigt zu sein scheint. Hier folgen zwei Tabellen der Fa. Merz Dental zu PEEK-Werten (Tab. 1 u. 2).

  • Tab. 1: Vergleich von Knochen und Gerüstmaterial. Abbildung: © Merz Dental
  • Tab. 2: PEEK-BioSolution: Physikalische Werte. Abbildung: © Merz Dental
  • Tab. 1: Vergleich von Knochen und Gerüstmaterial. Abbildung: © Merz Dental
  • Tab. 2: PEEK-BioSolution: Physikalische Werte. Abbildung: © Merz Dental

Das weichste, graue PEEK ist in der Zahntechnik am schwersten zu bearbeiten, da es bei der Fräsung am meisten schmiert und aufgrund seiner Flexibilität Wandstärken erfordert, die die ästhetische Integration durch diesen Platzbedarf erschwert.

Die helleren PEEK-Sorten „weiß“ und „zahnfarben“ sind bereits deutlich härter und hierdurch sowohl leichter fräsbar als auch wesentlich leichter zu polieren. Durch die höhere Materialfestigkeit kann die Ausführung in der zahntechnischen Umsetzung etwas graziler erfolgen, was eine Erleichterung bei der Gestaltung der Ästhetik bedeutet. Weiterhin bietet uns die Grundfarbe – v. a. beim zahnfarbenen PEEK – die Möglichkeit, auf Opaker zu verzichten und je nach Zahnfarbe direkt nach der Konditionierung mit der Verblendung durch Dentin- oder Opakdentinmassen zu beginnen.

Das rosafarbene PEEK ist wieder etwas weicher als die hellen Sorten, was sich v. a. in der Polierbarkeit nachteilig auswirkt und diese erschwert.

„Zirkonverstärktes PEEK“ scheint grundsätzlich der härteste Vertreter zu sein, weist eine sehr gute Fräsbarkeit und Polierbarkeit auf und bietet sich aufgrund seiner Härte sehr gut für dünne, grazile Konstruktionen mit hoher Steifigkeit an.

Allergologie und Mundbeständigkeit

Während der graue (originale) Typ das „weichste“ in der Zahntechnik verwendete PEEK ist, kann davon ausgegangen werden, dass es für Allergiker besonders geeignet ist. Sobald Metalloxide hinzugefügt werden, besteht zumindest die denkbare Möglichkeit einer allergischen Reaktion. Eine bekannte allergische Reaktion wird übrigens von allen Anbietern bestritten, die diesbezügliche Unbedenklichkeit ist teilweise auch durch wissenschaftliche Tests glaubhaft belegt. Durch die CE-Zertifizierung als Medizinprodukt ist auch die Biokompatibilität bescheinigt. Somit kommt man zu der grundsätzlichen Aussage: PEEK ist ein sicheres, biokompatibles und stabiles Polymerprodukt. Es ist für den medizinischen und zahnmedizinischen Einsatz geeignet: aufgrund seiner hohen chemischen und Hydrolyse-Beständigkeit sowie der hohen Festigkeit und den exzellenten tribologischen Eigenschaften [4].

Arten der Verarbeitung im Dentallabor

Grundsätzlich gibt es derzeit für PEEK zwei Verarbeitungsmöglichkeiten: Pressen oder Fräsen.

Fräsen

Die digitale Methode, PEEK zu verarbeiten, setzt Investitionen in einen Scanner, eine CAD-Software und eine 5-Achs-Fräsmaschine sowie einen technisch automatisierten Workflow oder Arbeitsprozess voraus. Vielen Laboren kommt entgegen, dass PEEK mit geeigneten Fräsern trocken gefräst werden kann. Das Modell wird eingescannt und die gewünschte Struktur mittels CADSoftware (computerunterstützte Modellation) modelliert. Der modellierte Datensatz wird in eine CAM-Software (Maschinensteuerung) überführt, es folgt das maschinelle Fräsen aus dem vollen Rohling heraus.

Pressen

Während alle Anbieter PEEK in den international gängigen Ronden-Formen vertreiben (98-98,5 mm, z. T. auch 100 mm), mit oder ohne Nut und in verschiedenen Höhen, bietet Bredent das Material zusätzlich zum Pressen an. Nicht jedes Labor hat eine eigene CAD/CAM-Anlage – und mit der preiswerten Investition in ein entsprechendes Thermo-Press-System kann die Wertschöpfung bei der Herstellung von Zahnersatz aus PEEK im Haus gehalten werden.

Das Modell wird systemgerecht für die Presstechnik vorbereitet und dubliert sowie ein Einbettmassemodell, ähnlich der konventionellen Modellguss-Methode, hergestellt. Das Werkstück (Modellguss, Krone, Brücke etc.) wird entsprechend den Herstellerangaben modelliert, angestiftet und überbettet. Anschließend wird das Wachs in einem Vorwärmofen ausgetrieben und die Muffel wieder auf eine exakt einzuhaltende End-Temperatur heruntergekühlt. Der Pressvorgang an sich ist mit einem Knopfdruck einzuleiten und die Muffel kann ausgebettet werden.

Dieses System beinhaltet natürlich alle Risiken der konventionellen Gusstechnik, wie Lunkerbildung, Fehlpressungen, Verzüge etc. und setzt einige händische Vor- und Nacharbeit voraus, um zum perfekten Ergebnis zu gelangen.

Die grundsätzlichen Unterschiede

  • Das Ergebnis der CAD/CAM-gefertigten Arbeit ist sehr viel vorhersagbarer und auch finanziell und zeitlich kalkulierbarer als das Resultat der manuellen Fertigung.
  • Lunker, unsaubere Oberflächen, Einbettmasse- Einschlüsse sowie Passungsungenauigkeiten durch Verzüge sind beim Fräsprozess nicht möglich.
  • Selbst im Falle einer Fehlfräsung oder einer falsch modellierten Passung können bei Wahl des richtigen Systems die gescannten Daten und sogar die Modellation übernommen und weiter verwendet werden. Lediglich die Passungsparameter sind in der CAD zu korrigieren, um die Fräsung erneut zu starten.
  • Bei der Press-Methode muss bei nicht überzeugendem Ergebnis ein neues Einbettmasse-Modell hergestellt und die Modellation, Überbettung, der Vorwärm- und Press-Vorgang etc. wiederholt werden. Dies bindet viel Techniker-Zeit und die Einhaltung eines Termins kann zur Glücksache werden.
  • Bei der CAD/CAM-gestützten Fertigung wird wesentlich weniger auf die Erfahrung des Technikers und den präzisen Umgang mit Materialien wie Einbettmasse etc. gesetzt, sondern auf die automatisierten Vorgänge bei der Einstellung der richtigen Werte und der Fertigung.
  • Aufgrund dieser Automatisierung ist das Ergebnis weniger „zufällig“ und das Risiko einer Neuanfertigung und damit einer Terminverzögerung ist hierbei deutlich geringer.

Fazit

Bei der Press-Technik wählt man den kostengünstigen Einstieg in die PEEK-Herstellung, hat jedoch im Anschluss höhere kalkulatorische Kosten (Lohn- und Materialkosten) sowie ein höheres Risiko in der Fertigung. Bei der Entscheidung für die CAD/CAM-Technik wählt man das sicherere Fertigungssystem, hat aber zum Einstieg wesentlich höhere Investitionskosten zu stemmen.

Der Zwischenweg oder Einstieg

Viele meiner Labor- oder Praxislabor-Kunden senden mir ihre Modelle oder Primärteile zur Erstellung ihrer PEEK-Arbeiten, um ihre ersten Erfahrungen mit diesem Material zu sammeln. Hierbei kann im Einzelfall entschieden werden, ob man nur auf die Herstellung der Friktionskäppchen bei Stegen oder Teleskopen setzt oder komplette Strukturen und Modellgüsse – bis hin zur Fertigstellung mit Kompositverblendungen und Kunststoffzähnen auf PMMA-Sätteln – herstellen lässt.

Die Kombination von gefrästem und gepresstem PEEK

Bei der Herstellung von kompletten Strukturen aus PEEK entscheide ich mich u. a. aus Kostengründen zu einer Kombination aus Fräsen und Pressen (Abb. 10 u. 11). Für die Friktionselemente wähle ich hierbei den sicheren, vorhersagbaren und präzisen Weg der computergestützten Fertigung. Bei der Herstellung der Modellgussstruktur entscheide ich mich jedoch aus Kostengründen oft für die gepresste Variante, da bei der Fräsung solcher Strukturen ein kompletter Blank geopfert werden müsste.

  • Abb. 10: Gefräste Teleskope mit einem gepressten Modellguss verklebt.
  • Abb. 11: Die Basalansicht mit Primärteleskopen aus Zirkoniumdioxid.
  • Abb. 10: Gefräste Teleskope mit einem gepressten Modellguss verklebt.
  • Abb. 11: Die Basalansicht mit Primärteleskopen aus Zirkoniumdioxid.

Die verschieden gefertigten Elemente können nach Ausarbeitung und Politur konditioniert und sicher miteinander verklebt sowie fertiggestellt werden.

Weitere Verarbeitung und geeignete Materialien

Verblendungen Eine der am häufigsten an mich gerichteten Fragen betrifft die Verblendung bzw. das Gefährdungspotenzial bei Kompositverblendungen auf den unbestreitbar flexiblen PEEK-Gerüsten. Es bestehen große Bedenken, ob die Verblendungen auf diesem Material dauerhaft unbeschadet „überleben“ können.

Bisher habe ich bei meinen PEEK-Arbeiten nur sehr wenige Beschädigungen an den Verblendungen gehabt – und das auch, wenn die weit unterschrittene Materialmindeststärke der Verblendungen vermutlich auch bei Metall-Teleskopen zu Abplatzungen geführt hätte.

Leider finden wir in der Zahntechnik oft nicht das erforderliche Platzangebot, das wir für die an uns gestellten Anforderungen zum Fertigen von ästhetischem Zahnersatz benötigen. In solchen Fällen müssen wir oft improvisieren … oder experimentell verfahren. In Abbildung 10 ist zu erkennen, dass ich in solchen Fällen von Platzmangel mittlerweile mit Aufbissen arbeite, was ich zum Einstieg in diese Technik leider versäumt habe. Das kann ich zur Nachahmung empfehlen.

Mein Fazit lautet daher: Bei richtiger Behandlung lässt sich PEEK hervorragend und sicher mit Komposit verblenden, ohne dass man Angst vor Abplatzungen haben muss. Bei der Wahl des Verblendmaterials sollte man – ähnlich wie man bei Keramikverblendungen auf den abgestimmten WAK zwischen Metall und Keramik achtet – auf einen abgestimmten Elastizitätsmodul zwischen PEEK und Komposit Wert legen. Besonders spröde oder harte Verblendmaterialien sind tatsächlich weniger gut für das Verblenden von PEEK geeignet.

Durch das Anstrahlen mit Aluminiumoxid sowie das Bonding mit entsprechenden Haftvermittlern lässt sich zwischen PEEK und Verblendkomposit – sowie PMMA für die Fertigstellung der Konfektionszähne – ein sehr stabiler Haftverbund herstellen. Durch diesen Verbund verliert das PEEK-Gerüst einen Großteil seiner Flexibilität und wird wesentlich steifer. Somit nähern sich die Elastizitätsmodule des Gerüstwerkstoffes und des Verblendmaterials einander an und diese Flexibilität ist keinesfalls nachteilig für die fertige Arbeit. Durch normale Kautätigkeit bzw. Gebrauch im Mund wird diese Verblendung keinen Schaden nehmen. Grundsätzlich kann das Gerüst, ebenso wie in der Metall-Technik, mit oralen Girlanden verstärkt werden, um mehr Steifheit in die Struktur zu bringen.

Bei dem berühmten „Fall in das Waschbecken“ kann es natürlich passieren, dass Beschädigungen an den Rändern der Teleskope vorkommen – die auch in der Metalltechnik entstehen würden. Anders jedoch als bei Primärteilen aus Metall können sich die Ränder der Sekundärteleskope hierbei nicht dauerhaft verbiegen, sondern stellen sich nach Ende der Krafteinwirkung wieder in ihre Ausgangsposition zurück und die Verblendung kann wie gewohnt repariert werden. So ist es der Effekt der Nachgiebigkeit oder Elastizität mit Rückstellvermögen, den die Natur von je her zur Bewahrung vor dem Brechen oder Zerstören graziler Strukturen nutzt, dem wir auch in die Elastizität unseres PEEK begegnen und der dauerhafte Beschädigungen vermeiden hilft.

Primär- und Sekundärteile

Eine weitere häufig gestellte Frage lautet: „Welche Materialien verwenden wir am besten für Primärkonstruktionen (Stege oder Teleskope)?“ Die Fräsung der Primärteile kann hierbei grundsätzlich mit 0° bis 2° angelegt werden.

Grundsätzlich empfehle ich Zirkoniumdioxid für die Primärteile, da die Gleiteigenschaften auf diesem Material am besten sind. Allerdings fertige ich auch auf NEM- oder Titanabutments oder Stegen Sekundärteile aus PEEK und habe bisher keine schlechten Erfahrungen hiermit gemacht.

Auffällig ist, dass man bei Metallprimärteilen „Laufspuren“ des Metalls auf den Innenseiten der PEEK-Sekundärteile feststellen kann, was eigentlich auf einen Abrieb des Metalls schließen lassen müsste, jedoch wurde von mir in den vergangenen 4 Jahren keinerlei Friktionsverlust festgestellt. Für Allergiker würde ich jedoch immer die Verwendung von Primärteilen aus Zirkoniumdioxid empfehlen.

Fallbeispiel: Kombination aus PEEK-Teleskopen und einem klassischen Modellguss aus Metall

Die im Folgenden vorgestellte Arbeit ist im Auftrag und in der Zusammenarbeit mit dem Kollegen Paul Giezendanner (Sarnen/Schweiz) entstanden, welcher das PEEK nur für die Friktionsteile verwenden wollte. Meine ersten teleskopierenden Arbeiten mit Sekundärteilen aus PEEK habe ich vor gut 3 Jahren angefertigt und bisher ist bei keinem dieser Patienten ein Friktionsverlust aufgetreten.

In unserem Patientenfall entstanden die auf 0° gefrästen Primärteleskope aus in Zahnfarbe eingefärbtem Zirkoniumdioxid (Abb. 12 u. 13). Zusätzlich wurden schraubaktivierbare Friktionselemente eingefügt, die bei der ersten Eingliederung inaktiv bleiben und als „Schläfer“ wirken. Damit kann der Halt nachträglich erhöht werden; somit wird unbehebbarem Friktionsverlust vorgebeugt. Die aus zahnfarbenem PEEK gefrästen Sekundärteleskope wurden mit einer Wandstärke von 0,3 mm gefertigt. Hierbei wurden die PEEK-Käppchen also quasi in der Art von Galvanoteleskopen verwendet (Abb. 14). Es folgte im Gießverfahren die Herstellung eines klassischen Modellgusses mit Fassungen für die sichere Verklebung der PEEK-Kappen. Außerdem wurde eine Klammer für den endständigen Zahn 27 gegossen (Abb. 15). In der so gewählten Versorgung stimmen die Elastizitätsmodule so weit überein, dass die Ränder der Verblendungen grazil gearbeitet werden konnten und keiner besonderen Verstärkung bedurften (Abb. 16).

  • Abb. 12: Primärteleskope in Zirkoniumdioxid.
  • Abb. 13: Okklusale Ansicht.
  • Abb. 12: Primärteleskope in Zirkoniumdioxid.
  • Abb. 13: Okklusale Ansicht.

  • Abb. 14: Die PEEK-Käppchen.
  • Abb. 15: Die Modellgussstruktur.
  • Abb. 14: Die PEEK-Käppchen.
  • Abb. 15: Die Modellgussstruktur.

  • Abb. 16: Die fertiggestellte Teleskopprothese von basal.
  • Abb. 16: Die fertiggestellte Teleskopprothese von basal.

Fallbeispiel einer metallfreien Arbeit: PEEK-Gerüst und PMMA-Deckprothese

Im Vergleich zum Vorhergehenden folgt hier eine metallfreie Sekundärkonstruktion. Sie ist aus weißem PEEK gefertigt und verzichtet komplett auf eine Metallverstärkung (Abb. 17). Die Versorgung entstand aus unserer Zusammenarbeit mit Dr. Rolf Vollmer und Dr. Martina Vollmer, Wissen. Es handelt sich um eine Arbeit auf sieben Implantaten. Besonders bei diesen, da sie keine Eigenbeweglichkeit im Kiefer besitzen, sind aus meiner Sicht leicht flexible Konstruktionen zu bevorzugen. Sie schaffen beim Kauen den Ausgleich und die Absorption nicht senkrecht eingeleiteter Kräfte. Dem Verklemmen, Verkeilen oder Kaltverschweißungseffekten wird hierbei vorgebeugt. Die Deckprothese wurde konventionell hergestellt: per Wachsmodellation und Aufstellen der Konfektionszähne (Abb. 18) und Überführung in PMMA (Abb. 19).

  • Abb. 17: Das metallfreie PEEK-Gerüst.
  • Abb. 18: Die Wachsaufstellung von basal.
  • Abb. 17: Das metallfreie PEEK-Gerüst.
  • Abb. 18: Die Wachsaufstellung von basal.

  • Abb. 19: Die Fertigstellung von palatinal.
  • Abb. 19: Die Fertigstellung von palatinal.

Schlussbemerkungen

Über Jahrzehnte hinweg hatten sich in der Zahntechnik feste Denkmuster in Bezug auf die Materialwahl etabliert. Im Mittelpunkt stand oft die VMK-Lösung. Aber im Laufe der Jahre und der fortwährenden Belastung mit körperfremden Stoffen wie Metallen (und Metallvielfalt) entwickelten sich bei unseren Patienten ebenso wie bei den diese Materialien verarbeitenden Zahntechnikern immer häufiger Allergien. Gleichzeitig änderten sich die Kassenbezuschussung und auch die Vorstellungen von Ästhetik (keine Trauerränder mehr). Jetzt stand im Zentrum, auf neue und andere Materialien zu setzen. Dabei macht es Sinn, Lehrmeinungen, Okklusionskonzepte und Versorgungsformen immer wieder neu zu überdenken und anzupassen – und auch vorhandenes Wissen ins Gedächtnis zurückzurufen. Nach Zirkoniumdioxid, das die besondere Sorgfalt hinsichtlich der Funktion erfordert, da es sich nicht „einbeißen“ kann, erweitert sich unser Horizont nun um Materialien mit herabgesetztem Elastizitätsmodul. Aus meiner Sicht lohnt es sich, diesen Weg weiterzuverfolgen.

Näheres zum Autor des Fachbeitrages: ZTM Michael Anger

Bilder soweit nicht anders deklariert: ZTM Michael Anger