Wenn im Restgebiss Implantate nicht infrage kommen und Klammermodellguss nur einseitig befestigt werden könnte, lässt sich – wie auch in anderen Fällen – aus Gründen der Kaustabilität eine Teleskopprothese empfehlen. Um Zahnersatz auf dieser Grundlage geht es im Folgenden. Als sich die hier vorgestellte Patientin an die Praxis unseres Zahnarztes gewendet hatte, war sie bereits mit teleskopbasiertem Zahnersatz versorgt. Dieser war insuffizient geworden. Die Patientin zeigte sich darüber hinaus hinsichtlich der Ästhetik im Frontzahnbereich unzufrieden. Sie fühlte sich in ihrem Erscheinungsbild von ihren Zähnen beherrscht: „Zu viel Zahn“, sagte sie, und meinte damit die Zahnlänge (Abb. 1-4). Auch die Phonetik erschien verbesserungswürdig. Zusätzlich war für die Neuplanung zu berücksichtigen, dass die Patientin jetzt eine Metallversorgung ablehnte. Um für sie einen Materialvorschlag zu erarbeiten, führte der Zahnarzt komplementärmedizinische Tests durch (wie es z. B. die Elektroakupunktur ist). Anschließend fiel die Wahl für das Gerüstmaterial auf keramikverstärktes teilkristallines PEEK (breCAM.Bio HPP, bredent/Senden). PEEK ist chemisch inert, Reaktionen in der Mundhöhle sind nicht zu erwarten.
Erste prothetische Schritte
Zunächst wurden die Primärteleskope, regio 13-15, frästechnisch aus dem ausgesuchten PEEK-basierten Werkstoff realisiert (Abb. 5). Für dessen Einsatz – ebenso für Sekundärteleskope – sprechen die knochenähnliche Elastizität, glatte Oberflächen mit postulierter nur geringer Plaqueneigung sowie seine Abriebfestigkeit. In der anberaumten Patientensitzung wurden die Primärteleskope anprobiert, der Sitz war tadellos.
Die Zahnaufstellung an der Patientin
In der Praxis folgte die Zahnaufstellung in situ, was unser Zahnarzt und wir sehr befürworten. Nach Platzierung des Wachswalles widmeten wir uns wie gewohnt der Region 11 und 21 (Abb. 6). Die Patientin konnte die gewählten Konfektionszähne schon im Mund anschauen und vorsichtig ertasten, ob diese zum Unterkiefer passten. Nach der Aufstellung regio 12 und 22 (Abb. 7) wurde schon eine erste Phonetikprobe vorgenommen, mit dafür üblichen Wörtern wie „fünfundfünfzig“ und „Mississippi“. In Region 13 folgte die Aufstellung mit einer Verblendschale, da sich ab hier die drei Teleskope befanden; links wurde die Zahnreihe mit einem Konfektionszahn fortgesetzt (Abb. 8), immer unter aktiver Mitarbeit der Patientin. Wir modifizierten die Aufstellung so lange, bis das Optimum hinsichtlich Ebenen und Orientierungslinien sowie Phonetik erreicht war, und bezogen auch das Lippenbild und die Schlussbisslage ein (Abb. 9 u. 10). Im Unterschied zu den Vermessungen auf dem Gipsmodell kommt hier der direkten Anschauung eine größere Bedeutung zu – sowie der sofortigen Korrektur und Feinjustierung. Da die Vermessungen intraoral eingeschränkt sind, braucht man eine genaue dreidimensionale Vorstellung der anatomischen Gegebenheiten und der Aufstellkonzepte. Der Aufwand lohnt sich aber für den späteren Sitz des Zahnersatzes sehr und zahlt sich in Patientenzufriedenheit aus. Zurück im Labor, wurde das Ergebnis auf dem Modell betrachtet und geprüft (Abb. 11 u. 12). Es zeigte sich schon jetzt, dass die Position der Primärteleskope und die prothetische Wunschposition des Außenbogens nicht genau übereinstimmten (vgl. Abb. 26). Die Platzverhältnisse ließen aber eine komfortable Anpassung zu.
Das Sekundärgerüst
Nach der Analyse aller erforderlichen Parameter wurde das Sekundärgerüst manuell aufgewachst (Abb. 13 u. 14). Dieses Verfahren gestaltet sich nach den erfolgten analogen Schritten der Zahnaufstellung effizienter als das vielleicht faszinierendere CAD/CAM-gestützte Weiterarbeiten. Dazu wurden zunächst die Sekundärteleskope auf den Primärteleskopen aufmodelliert und mit Wachsstäbchen versehen. Diese sollten später für den guten mechanischen Haftverbund zu den Verblendschalen sorgen.
Da PEEK chemisch inert ist, kommt mechanischen Retentionen, nach allen Regeln der Kunst gefertigt, zentrale Bedeutung zu. |
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Es ist hinzuzufügen, dass Retentionen in der Art, wie wir sie uns wünschen, nicht ohne Weiteres am Computer designt werden können. Auch dies spricht für das manuelle Aufwachsen. Das übrige Gerüst, jenseits der Teleskope, dient als Extension und wurde aus Wachsringen geformt, um später Konfektionszähne aufzunehmen. Unsere Modellation schickten wir an Kollegen unseres Vertrauens mit Fräsausstattung, den Meisterbetrieb Geiger-Dentaltechnik, Schwäbisch Gmünd, wie zuvor schon die Primärteleskope (Abb. 15).
Als das physische Sekundärgerüst vorlag, wurden die Kroneninnenseiten zum Einstellen der Friktion mit Bimsmehl und Wattestäbchen auspoliert (Abb. 16 u. 17).
Vestibulär erhielten die Kronen Rillen, indem mit der Trennscheibe an den ehemaligen Wachsstäbchen Unterschnitte angebracht wurden (Abb. 18). Dieses Verfahren stammt aus dem Labor Oral Elegance und perfektioniert die Funktion der Retentionen. |
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Fertigstellung
Im nächsten Schritt wurden die Verblendschalen auf dem Modell ergänzt und justiert, bis sie genau zu der in der Patientensitzung gefundenen Aufstellung mit natürlichem Zahnbogen passten (Abb. 19-21). Die Primärteleskope nahmen wir für diesen Schritt wieder ab, da wir zur Befestigung Kronen- und Brückenmaterial verwendeten (Biodent K+B Plus; Dentsply Sirona/Salzburg). Anschließend wurde ein Silikonwall gegen die bisher vorhandene Aufstellung gedrückt und diese zusammen mit dem Sekundärgerüst auf dem Modell geprüft (Abb. 22 u. 23), bevor die restlichen Konfektionszähne ebenfalls im Vorwall platziert wurden (Abb. 24). Eine letzte Maßnahme zum Sicherstellen des Haftverbundes zwischen den Verblendungen und dem PEEK-Gerüst bildete vor ihrer Verklebung noch das Abstrahlen der Kronen mit Aluminiumoxid der Körnung 110 ?m (Abb. 25 u. 26).
Es folgten die Ergänzung des Zahnfleischanteils in rosa Wachs (Abb. 27). Auch dieses Ausmodellieren der Gingiva geschah wieder „live“ im Patientenmund, damit die Oberlippe entsprechend gestützt wurde und das Ergebnis sofort zu überprüfen war.
Eine entspannte Patientin
Als dann auch die Prothesenbasis hergestellt war, stand der endgültige Eingliederungstermin an. Der Zahnarzt begutachtete die Funktion, Ästhetik und Phonetik (Abb. 28-32) und fand alles zu seiner Zufriedenheit vor. Die Patientin gab sehr entspannt ihr Urteil ab (Abb. 33): Sie freute sich schon darauf, sich neu versorgt im Freundes- und Bekanntenkreis zu bewegen.
Ein Vier-Punkte-Schlusswort
In der Kombinationsprothetik habe ich mit PEEK-basiertem Gerüstmaterial schon vielfältige Erfahrung sammeln können. Einerseits sind es das chemisch inerte Verhalten und die Biokompatibilität dieses noch neuen keramikverstärkten Hochleistungskunststoffes, die zur Empfehlung für bestimmte Patientengruppen führt. Andererseits besteht ein Vorteil in der zahnähnlichen Grundfarbe. Unterschiedliche Schichtstärken des Gerüsts sind – wie im Falle von Zirkoniumdioxid auch – kein Problem für Verblendungen, da die weißliche Farbe in die Verblendung hineinspielt und auf diese Weise leicht Harmonie in Helligkeit und Farbe erreicht werden kann.
Wichtig für den dauerhaften Erfolg von verblendeten PEEK-Versorgungen ist, dass man der Herstellung des mechanischen Haftverbundes und Oberflächenbearbeitung höchste Aufmerksamkeit widmet. Auch muss man sich bezüglich der physikalischen Eigenschaften der verwendeten Materialien einschließlich Befestigungswerkstoff kundig machen – die Elastizitätsmoduln bzw. Biegefestigkeiten sind unterschiedlich. Man kann bei der Verarbeitung keinesfalls von einer Analogie zu Laborkompositen ausgehen.
Mit dem Aufkommen quasi zahnfarbener Gerüstmaterialien stellte sich für jedes Labor die Frage: (Wie) partizipiere ich an CAD/CAM? Eine schwarz-weiße kategorische Nein- oder Ja-Antwort ist meiner Ansicht nach nicht die beste. Jedes Labor muss für sich entscheiden, was in Zusammenarbeit mit den Zahnarztkunden und für die Ergebnisse das jeweils Angesagte ist. Bringt ein Verfahren nicht die gewünschte Genauigkeit, ist es teurer für das Labor und im Vergleich zu konkurrierenden Methoden ineffizient, werde ich es nicht anwenden. Grundsätzlich ist zu berücksichtigen, dass der deutsche Markt zur Zeit mit Fräsgeräten übersättigt ist. Ich habe mich für mein Labor entschieden, an CAD/CAM da, wo es Sinn macht, zu partizipieren, jedoch ohne Investitionskosten. Ich vergebe deshalb entsprechende Arbeitsschritte extern – und zwar an Zahntechnikerkollegen.
Seit mehr als 20 Jahren bewährt sich für mich die enge Zusammenarbeit mit meinen Zahnärzten im Bereich der Zahnaufstellung direkt am Patienten. Zunächst muss man hier über die Kompetenzen des Zahnarztes Bescheid wissen: seine Anwesenheit und das Abnehmen und Wiederbefestigen der temporären Versorgung durch ihn. Das Live-Verfahren wende ich immer an, wenn es um den Ersatz der Front geht, von der Kombinations- bis zur Totalprothetik. Es ist effizient, da es Korrekturen oder Neuerstellungen einspart. Ich lerne die Patienten sehr gut kennen, weil ich viel Zeit mit ihnen verbringe. Diese werden dabei immer entspannter, was den Ergebnissen sehr zugutekommt. Vor allem fühlen sie sich gut aufgehoben, wenn sie die Entstehung unter ihrer eigenen Beteiligung erleben. Für uns Zahntechniker bedeutet die Live-Zahnaufstellung allerdings eine gute Vorarbeit und Erfahrung. Wir müssen die patientenindividuelle Funktion sozusagen im Schlaf einstellen können, das Finden aller nötigen Parameter muss uns in Fleisch und Blut übergegangen sein. Dann aber ist den Patienten die Lösung wirklich „auf den Leib geschneidert“.
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