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Der Status quo in 2021

Werkstoffe in der digitalen Zahnheilkunde – Teil 1

Parallel zur Etablierung digitaler Fertigungstechnologien wurden zahlreiche neue Werkstoffe entwickelt und auf den Markt gebracht. Für den Zahnarzt sowie Zahntechniker bedeutet dies einerseits Vielfalt und Flexibilität. Andererseits müssen sie sich intensiv mit der Werkstoffkunde beschäftigen. Der Artikel gibt einen Überblick zu CAD/CAM-Werkstoffen. Die Autoren dieses zweiteiligen Artikels verlegen seit dem Jahr 2017 das interaktive Werkstoffkunde-Kompendium (E-Book), welches mittlerweile 5 Kapitel vereint und stetig wächst.

Einteilung und Indikationen der PAEK-Werkstoffe (ZE: Zahnersatz). Kieschnick/Reymus/Stawarczyk
Einteilung und Indikationen der PAEK-Werkstoffe (ZE: Zahnersatz).
Einteilung und Indikationen der PAEK-Werkstoffe (ZE: Zahnersatz).

Die Fertigung im Bereich der prothetischen Zahnmedizin unterliegt einem grundlegenden Wandel. Wie in anderen Bereichen werden Arbeitsschritte digitalisiert. Hierbei sind digitale Technologien kein Selbstzweck, sondern Antwort auf allgemeine Veränderungen.

Bisherige Strukturen bzw. klassische Fertigungsverfahren stoßen vielfach an Grenzen, z.B. bezüglich Flexibilität, Effizienz und Materialvielfalt. Mit der automatisierten Fertigung kann die Wirtschaftlichkeit erhöht werden. Zudem werden Zahnersatz-Materialien und -Lösungen zugänglich, die auf klassischem Weg nicht verarbeitbar sind. Weiterer Vorteil ist die effiziente Realisierung komplexer „Bauteile“, wie beispielsweise durch additive Technologien.

Dentale CAD/CAM-Werkstoffe als Teil der Prozesskette

Idealerweise stehen hinter digitalen Verfahrensketten standardisierte Prozesse – von der Datenerfassung über die CAD-Konstruktion, das Set-up in der CAM-Maschine und die Fertigung bis zur Nachbereitung. Die Werkstoffe sind Teil dieser Kette und werden teilweise sogar zum Treiber für das Etablieren der jeweiligen Technologie. Als Beispiel können Zirkonoxid-Keramiken genannt werden.

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Sie haben maßgeblich dazu beitragen, dass die CAD/CAM-Fertigung von Zahnersatz heute fast flächendeckend etabliert ist. Im Gegensatz dazu sind es auch die Werkstoffe, die das Tempo beim Durchsetzen einer Technologie bremsen können. Hier ist der 3D-Druck zu nennen.

Die Werkstoffkundeforschung ist in diesem Bereich sehr aktiv, sodass in naher Zukunft spannende Werkstoff- und Post-Processing-Entwicklungen zu erwarten sind. Doch noch obliegt es der Tatsache einer eingeschränkten Verfügbarkeit von Werkstoffen sowie deren Verarbeitung, dass derzeit nur in wenigen Situationen ein Zahnersatz gedruckt werden kann.

Diese Beispiele zeigen die hohe Relevanz, welche die Werkstoffkunde für die digitale Zahnmedizin hat. Für Zahnarzt und Zahntechniker bedeutet daher „Digitalisierung“ auch, sich intensiv mit der dentalen Werkstoffkunde zu beschäftigen. Eine grobe Gliederung der Werkstoffe kann nach der Fertigungstechnologie erfolgen (Abb. 1).

Abb. 1: Digitale Fertigungstechnologien im Überblick. Kieschnick/Reymus/Stawarczyk
Abb. 1: Digitale Fertigungstechnologien im Überblick.

  • Beim subtraktiven Vorgehen (Fräsen, Schleifen) werden beispielsweise CAD/CAM-Keramiken (z.B. Zirkonoxide, Silikatkeramiken), polymerbasierte CAD/CAM-Werkstoffe oder PAEK verarbeitet. Aufgrund industriell gefertigter Rohlinge ist eine gleichbleibende, nahezu fehlerfreie Materialqualität zu erwarten.
  • Bei der additiven Fertigung (Stereolithografie, SLM-Verfahren, FDM-Verfahren etc.) sind es beispielsweise Kunstharze, Thermoplaste und Metalle/Legierungen, die verarbeitet werden. Im praktischen Labor- oder Praxisalltag werden zurzeit überwiegend harzbasierte Werkstoffe mittels 3D-Druck verarbeitet.

CAD/CAM-Werkstoffe im Überblick

Dentale CAD/CAM-Keramiken

CAD/CAM-Keramiken lassen sich grob in 2 Gruppen unterscheiden: Silikatkeramiken und Oxidkeramiken. Beide Gruppen unterteilen sich in ihre Untergruppen.

Oxidkeramik

Oxidkeramiken sind 1-phasige Metalloxide mit keinem bzw. nur geringem Glasanteil. Populärster Vertreter ist Zirkonoxid mit seinen verschiedenen Modifikationen. Primär unterscheiden sich Zirkonoxid-Keramiken in Zusammensetzung und Werkstoffkennwerten und somit in Indikation sowie ästhetischem Erscheinen.

Durch die Veränderung der Yttriumoxidanteile (3, 4 und 5Y-TZP) werden die Eigenschaften der Zirkonoxide beeinflusst und für die verschiedenen Indikationen und Ansprüche angepasst (z.B. hohe Transluzenz oder hohe Festigkeit). Unterscheiden lassen sich Zirkonoxide oft nach Generationen (Generation 1 bis 5) (Abb. 2).

Abb. 2: Zirkonoxid-Generationen 1 bis 4 im Überblick. Kieschnick/Reymus/Stawarczyk
Abb. 2: Zirkonoxid-Generationen 1 bis 4 im Überblick.

Merke: Korrekte Nomenklatur ist „Zirkonium-di-oxid“ oder „Zirconia“. Im allgemeinen Sprachgebrauch hat sich die Bezeichnung „Zirkonoxid“ durchgesetzt und etabliert. Fälschlicherweise werden oft Begriffe wie „Zirkon“ oder „Zirkonium“ verwendet, die jedoch einer anderen Stoffgruppe zuzuordnen sind.

CAD/CAM-Silikatkeramik (verstärkte Silikatkeramiken)

Silikatkeramiken sind mehrphasige Werkstoffe aus mindestens einer glasigen und einer kristallinen Phase. Ausgangsprodukt ist Glas, in welches durch eine gesteuerte Keimbildung und Kristallisation die Kristalle (Verstärkungspartikel) wachsen, z.B. Leuzit- oder Lithiumsilikat-Kristalle.

Vereinfacht gilt: Je mehr Verstärkungskristalle in der Glasphase enthalten sind, desto besser die mechanischen Eigenschaften. Allerdings verändern sich mit Zunahme der Verstärkungskristalle innerhalb der Glasphase zugleich die optischen Eigenschaften, die Transluzenz sinkt in einem gewissen Grad.

Zu den verstärkten CAD/CAM-Silikatkeramiken gehören die Lithiumsilikat-Keramiken mit ihren verschiedenen Modifikationen. Man unterscheidet sie in Lithiumdisilikat-, Lithiummetasilikat- und Lithiumaluminosilikat-Keramiken. Die Glasphase dieser Keramiken besteht hauptsächlich aus Siliziumoxid während die kristalline Phase aus den Lithiumoxid-Varianten besteht.

Polymerbasierte-CAD/CAM-Werkstoffe (PMMA, Komposite und polymerinfiltrierte Keramik [PIK])

Die polymerbasierten Fräswerkstoffe lassen sich nach den Anwendungsgebieten in temporäre und permanente Werkstoffe einteilen. Für temporäre Restaurationen werden in der Regel PMMA-Kunststoffe verwendet. Zur permanenten Anwendung werden Komposite oder polymerinfiltrierte Keramik propagiert.

Bei diesen Werkstoffen sind aufgrund der industriellen Fertigung der Rohlinge – z.B. durch die Polymerisation bei erhöhter Temperatur sowie höherem Druck – die Werkstoffeigenschaften im Vergleich zu polymerbasierten Werkstoffen, bei denen die Polymerisation der Kunststoffkomponenten während der Herstellung der Restauration erfolgt, verbessert. Zudem sind die Qualität und Homogenität der Werkstoffe gesteigert. Aufgrund der CAD/CAM-gestützten Fertigung lassen sich die Werkstoffe einfach und vergleichsweise schnell sowohl in der Praxis als auch im Labor verarbeiten.

Polyarylether- CAD/CAM-Werkstoffe

Polyaryletherketone (PAEK) zählen zu den Hochleistungskunststoffen und finden seit einigen Jahren Einsatz in der Zahnmedizin. PAEK besteht aus 1,4-Phenylen-Einheiten in Kombination mit Ether- und Ketongruppen. Die Eigenschaften der einzelnen PAEK-Modifikationen variieren in Abhängigkeit von den Ether- und Ketonanteilen.

Es sind unterschiedliche Varianten möglich. Die in der Zahnmedizin gängigsten Vertreter der PAEK-Werkstoffe sind Polyetheretherketone (PEEK), Polyetherketonketone (PEKK) und Arylketonpolymere (AKP). Je nach der Herstellungsart, aber auch nach der Zusammensetzung mit weiteren anorganischen Füllstoffen weisen die Werkstoffe unterschiedliche Eigenschaften auf und werden für unterschiedliche Indikationen angewandt (Abb. 3).

Abb. 3: Einteilung und Indikationen der PAEK-Werkstoffe (ZE: Zahnersatz). Kieschnick/Reymus/Stawarczyk
Abb. 3: Einteilung und Indikationen der PAEK-Werkstoffe (ZE: Zahnersatz).

Materialien für die additive Fertigung

Im Gegensatz zum subtraktiven Verfahren, bei welchem ein Objekt wie bei einem Bildhauer durch Abtragen von Material entsteht, wird bei der additiven Fertigung das Objekt Schicht für Schicht aufgebaut. Für das subtraktive Verfahren stehen industriell vorgefertigte Rohlinge zur Verfügung, die durch die Herstellung unter industriellen Bedingungen die für den jeweiligen Werkstoff idealen Eigenschaften besitzen.

Die Eigenschaften der Werkstoffe für die additive Fertigung hängen wiederum viel stärker vom Fertigungsprozess und von der anschließenden Nachbearbeitung ab, da sie den individuellen Bedingungen der jeweiligen Fertigungsorte (Praxis/Labor) unterliegen du damit stärker schwanken können. Für die verschiedenen Indikationen stehen unterschiedliche additive Technologien zur Verfügung (Abb. 4).

Abb. 4: Verfahren und Materialien der additiven Fertigung und deren zugeordnete Werkstoffe. Kieschnick/Reymus/Stawarczyk
Abb. 4: Verfahren und Materialien der additiven Fertigung und deren zugeordnete Werkstoffe.

Lichthärtende Harze

Lichthärtende Harze werden mittels dem Stereolithographieverfahren ver- arbeitet. Die Harze stehen in fließfähiger Form zur Verfügung und werden für den Druckprozess in Wannen mit auf der Unterseite transparenten Fenstern gegossen.

Eine Bauplattform, auf welcher das Objekt aufgebaut werden soll, senkt sich in die mit Harz gefüllte Wanne und es wird eine Schicht mittels Lichtpolymerisation auf diese aufgetragen. Nach diesem Vorgang fährt die Bauplattform um eine Schichtdicke nach oben, flüssiges Harz fließt in den Spalt zwischen Plattform und Wannenboden; eine neue Schicht wird polymerisiert. Dieser Prozess wiederholt sich, bis das Objekt fertig erstellt ist.

Metalle/Legierungen

Metallische Objekte, z.B. Gerüste für die Teilprothetik, können per Selektivem Lasersintern (SLS) bzw. -schmelzen (SLM) hergestellt werden. Hier liegt das Material (zumeist CoCr-Legierungen) als Pulver in einem Pulverbett vor.

Mittels eines Lasers wird dieses Pulver Punkt für Punkt gesintert bzw. geschmolzen, sodass es erhärtet. Ist eine Schicht fertig, wird eine weitere Schicht neuen Pulvers aufgetragen und der Vorgang wiederholt sich.

Keramiken

Keramische Objekte können mithilfe des sogenannten Binder-Jetting-Verfahrens additiv gefertigt werden. Jedoch stehen hierzu nur wenig Daten für einen möglichen In-vivo-Einsatz zur Verfügung. Bei diesem Verfahren wird keramisches Pulver (z.B. Silikat- oder Zirkonoxid-Keramik) mithilfe eines Bindemittels punktuell und schichtweise verklebt.

Die Keramikpartikel werden dazu in einem Schlickerverfahren verarbeitet oder vorab mit lichtpolymerisierenden Anteilen vermengt. Nach dem Druckprozess wird der dadurch entstandene Grünling gesintert, um so die finalen Eigenschaften der keramischen Versorgung zu gewährleisten.

Thermoplaste

Fused-Filament-Fabrication-(FFF-)Verfahren sind interessante Ansätze zur additiven Verarbeitung von Thermoplasten. Hier steht das Material (z. B. PAEK oder Polykarbonat [PK]) als Stange (Filament) zur Verfügung.

Dieses wird mittels Kanülensystem einer Hitzekammer zugeführt, in welcher sich das Material aufgrund der Temperatur von einem harten in einen weichen Zustand verändert (aufschmilzt). Das weiche Material wird durch einen Druckkopf zielgerichtet auf eine Bauplattform schichtweise aufgetragen.

Vorschau

Im 2. Teil des Artikels gehen die Autoren detailliert auf die CAD/CAM-Werkstoffe in Labor und Praxis ein.

Weiterführende Links

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