Anzeige

Nachbericht zur 47. Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft Dentale Technologie e. V.

Teil 1: Zeitgemäße Zahnprothetik – nach allen Regeln, mit allen Mitteln der Kunst

Kommunikation, Konstruktion, Produktion – innerhalb dieser Trias bewegte sich vom 31. Mai bis 2. Juni die diesjährige Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft Dentale Technologie e. V. (ADT). Einmal mehr war die K3N-Stadthalle in Nürtingen dazu „Hotspot“ für 750 wissensdurstige Auszubildende und Zahntechniker sowie Studenten und Zahnärzte. Eine beachtliche Teilnehmeranzahl in Zeiten eines gesättigten, vielleicht sogar übersättigten Veranstaltungsbeziehungsweise Fortbildungsmarktes.

Die K3N-Stadthalle im schwäbischen Nürtingen. David Knipping, Lindau
Die K3N-Stadthalle im schwäbischen Nürtingen.
Die K3N-Stadthalle im schwäbischen Nürtingen.

Große Aufmerksamkeit fand das diesjährige Programm, das vom ADT-Vorstand mit sehr gutem Gespür für die Entwicklung des Prothetikmarktes zusammengestellt wurde und das repräsentativ die aktuellen Prozesse zur Entstehung zeitgemäßer Zahnprothetik widerspiegelte. Und so wurden in der Stadthalle Nürtingen heutige sowie trendige Therapie- und Fertigungsoptionen vorgestellt – gemäß dem Tagungsmotto „Advanced Prothetik“. Hierunter subsumierte sich, wie „Innovative Behandlungskonzepte“ aussehen können, wie „Metallfrei entscheiden im Team“ möglich ist und ob es zu „Analog – Digital, was ist ökonomisch“ allgemeingültige Aussagen gibt. Einiges davon wird nachstehend in der Reihenfolge des Workflows reflektiert.

Kommunikation – mehr als Worte

Abb. 1: Monika Matschnig. David Knipping, Lindau
Abb. 1: Monika Matschnig.

„Körpersprache zum Erfolg“ – so lautete der Festvortrag, der von der Psychologin Monika Matschnig (Neufahrn) gehalten und gespielt wurde (Abb. 1). Sie sprach über Leidenschaft sowie Desinteresse und visualisierte dies eindrucksvoll auf, vor und neben der Bühne. Ihre Animation zur Mitwirkung des Publikums ließ spüren, wie wirkungsvoll sich Gesagtes mit positiver Gestik verstärken lässt. Von der Selbstmotivation „Heute ist ein schöner Tag“ – was von einigen Referenten wiederholt aufgegriffen wurde – über die „Spannung in der Körpermitte“ bis zu den nach oben geöffneten Handflächen vermittelte die Referentin „Werkzeuge“, mit denen sich die persönliche sprachliche Wirkung steigern lässt und die täglich in jedem (Beratungs- oder Verkaufs-) Gespräch berücksichtigt werden sollten.

Abb. 2: PD Dr. Sven Rinke. David Knipping, Lindau
Abb. 2: PD Dr. Sven Rinke.

Patientenwünsche kennen, Therapiemöglichkeiten kommunizieren, Behandlungsverläufe dokumentieren – zu all dem vermittelte PD Dr. Sven Rinke (Hanau, Abb. 2) in seinem Vortrag „Dentale digitale Fotografie – was brauchen Praxis und Labor wirklich“ seine Vorstellungen. Rinke bedient sich dazu der ganzen Bandbreite moderner Kommunikation, zu der auch Modelle sowie Fotos und Videoclips gehören können. Er empfahl, leicht bedienbare und dadurch auch delegationsfähige Kamerasysteme anzuwenden. Wichtig wäre zu beachten, dass deren Oberflächen hygienefähig sind, um Kontaminationen zu vermeiden. Klar, dass solche Kameras uneingeschränkt für alle Gesichts- und Mundaufnahmen nutzbar sein sollten – und ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis haben sollten. Ergänzend dazu empfahl Rinke die Verwendung von Kontrastplatten (Flexipaletten, Smile Line, St.-Imier, Schweiz) sowie Fotospiegeln mit Griff (Filtrop AG, Balzers, Liechtenstein), durch die sich das intraorale Fotografieren erleichtern ließe.

Anzeige

Abb. 3: Dr. Wolf-Dieter Seeher. David Knipping, Lindau
Abb. 3: Dr. Wolf-Dieter Seeher.

Dr. Wolf-Dieter Seeher (München) zeigte in seinen Ausführungen über die „Auswirkungen einer Achsenablage bei montierten Modellen auf die Okklusion und Kiefergelenke“, wie wichtig eine genaue, reproduzierbare Wiedergabe der Kiefer-Mund-Situation ist, um eine funktionsgerechte Zahnprothetik zu fertigen (Abb. 3). Seeher ging dabei explizit auf den Unterschied von Scharnier- und Bewegungsachse ein und zeigte anhand von (animierten) Grafiken die Abläufe bei der Mundöffnung/Mundschließung und welchen Einfluss die Prothetikfertigung darauf hat (siehe dazu einen Fachbeitrag von Dr. Seeher: „Zentrik-Registrat mit Tücken“ unter www.ztm-aktuell.de/zentrik).

Über Genauigkeit in der Wiedergabe der anatomischen Situation sprachen auch Dipl.-Ing. Dipl.-Inform. Frank Hornung und Dr. Dr. Stephan Weihe (beide Dortmund) in ihrer Vorstellung der „3D-kephalometrischen Prothetikplanung und Fertigung auf der Basis fusionierter digitaler Daten“. Hierbei werden Kieferbewegungen berührungsfrei optoelektronisch erfasst (Freecorder blue fox, DDI-Group, Dortmund) und mit Daten komplettiert, die aus digitaler Volumentomografie sowie durch Abformung mittels Intraoralscanner oder über einen Modellscanner generiert wurden. Aktuell können in dieses Verfahren auch Prothesenrohlinge (Baltic Denture, Merz, Lütjenburg) integriert werden. Mit „Original Bewegungsdaten des Patienten als Verknüpfung von analogem Wissen mit der digitalen Welt“ stellte ZTM Mathias Gamper (Ludwigshafen) ein anderes Verfahren der berührungsfreien Funktionsdatenerfassung vor – ausgeführt über eine Magnetfeldtechnologie mit Sensoren (DMD-System, IgniDent, Ludwigshafen). Auch in diesem Vortrag ging es um eine genaue 1:1-Übertragung der Patientendaten in den Fertigungsprozess der Prothetik.

Fertigungsziele – ökonomisch erreichen

Abb. 4: ZTM Clemens Schwerin. David Knipping, Lindau
Abb. 4: ZTM Clemens Schwerin.

ZTM Clemens Schwerin (München) widmete sich mit „Eigenfertigung oder Fremdfertigung? Make or buy?“ einem Thema, das mitunter mit sehr viel Emotionalität verbunden ist und so manches Zahntechnikergemüt erhitzt (Abb. 4). Fern davon gab Schwerin mit einer rein faktenbezogenen Beurteilung von Fertigungsalternativen dem ADT-Publikum ökonomische Entscheidungskriterien an die Hand. Diese betrafen die Auswahl des Fertigungsgerätes, dessen Einsatzbreite (Werkstoffvielfalt) und Einsatztiefe (Indikationsbreite), die Vielfalt der Werkzeuge oder die Fertigungspräzision und -schnelligkeit. Schwerin berücksichtigte alle kostenrelevanten Parameter, die als Beispiel zu verstehen waren und mit denen er das Publikum zu persönlichen Überlegungen animierte. Mit seiner Kostenübersicht und Kostenanalyse – was (Indikation), womit (Werkstoffe), wie oft (Anzahl), wie schnell (Zeit) gefertigt werden muss – gab er wertvolle Hinweise für laborindividuelle Entscheidungen zur Wahl einer ökonomisch sinnvollen Fertigung. Dass dazu auch Kosten wie für rotierende Instrumente (Standzeiten) oder andere Zusatzaufwendungen gehören, auch dies ließ Schwerin nicht unerwähnt.

3D-Druck – Kennen und Können

Als CAD/CAM-Anwender der ersten Stunde berichteten ZTML Vanik Kaufmann-Jinoian (Liestal, Schweiz) und Dr. Andres Balzer (Rheinfelden) aus ihrem reichhaltigen Erfahrungsschatz über „Die Einsatzvielfalt von 3D-Druckern und eine Falldokumentation …“. Die dabei genannten Auswahlkriterien für 3D-Drucker – wie Systemart (offen/geschlossen), Softwareanbindung, Bauplattformgröße, Genauigkeit, Fertigungszeit, Lichtstärke und technischer Support – waren für so manche Zuhörer eine wertvolle „Take-Home-Message“. Als Falldokumentation stellte Balzer eine Schiene zur Bracket-Applikation vor – durch sie konnte sich die Positionierungsgenauigkeit bei gleichzeitigem Zeitgewinn steigern lassen.

Hierzu passend wurde am letzten Veranstaltungstag der „Workflow des 3D-Drucks in der Zahntechnik“ thematisiert, zu dem ZTM Roland Binder (Sulzbach-Rosenberg) Funktionsprinzipien verschiedener 3D-Drucker vorstellte. Ihm ist eine technisch sinnvolle Integration in die Arbeitsprozesse sowie die wirtschaftliche Nutzung ein besonderes Anliegen, wozu jedes Labor seine eigenen Überlegungen und Berechnungen anstellen sollte.

Abb. 5: B. Sc. Alexander Xepapadeas. David Knipping, Lindau
Abb. 5: B. Sc. Alexander Xepapadeas.

Wichtige Informationen zum 3D-Druck steuerte auch B. Sc. Alexander Xepapadeas (Tübingen) bei, indem er auf „Mechanische Eigenschaften von additiv gefertigten Materialien für kieferorthopädische Indikationen“ einging – am Beispiel logopädischer Stimulationsplatten für Säuglinge (Abb. 5). In seinem Vergleich dieser konventionell sowie gedruckt gefertigten KFO-Apparaturen waren besonders seine Ausführungen zur Nachbehandlung gedruckter Objekte interessant, da erst hierdurch geforderte und zugesagte Materialeigenschaften medizinproduktegesetzkonform erzielt werden. Geräte zur Vermeidung von Entmischungen der 3D-Druck-Werkstoffe gehören hier ebenso dazu wie Ultraschallbäder, in denen 3D-Druck-Objekte gereinigt werden. Letztere sollen in der Anzahl der verwendeten Kunststoffmaterialien vorhanden sein, um Werkstoffkreuzkontaminationen zu vermeiden. Darüber hinaus ist die Nachpolymerisation der Objekte qualitätsrelevant – mit voll leistungsfähigen Polymerisationslampen.

Klassische Frästechnik – digital leben

Als „Analog“, ZTM Martin Weppler (Weingarten), und „Digital“, ZTM Ralph Riquier (Remchingen), personifizierten sich die beiden Referenten und dialogisierten so über einen „Paradigmenwechsel bei der Teleskoptechnik im Goldstandard?“. In ihrem Gespräch wurde schnell klar, dass die klassisch manuelle Frästechnik in der digitalen Fertigung angekommen ist und dass sich alle relevanten realen Konstruktions- und Fertigungsparameter auch digital berücksichtigen lassen. So ist das virtuelle Inhouse-Design von Primär- und Sekundärteilen – mit individueller Passung – sehr präzise und lässt sich zeitsparend schnell erzielen; und lässt sich ggfs. auch zur Reproduktion der Teleskoparbeiten nutzen. Findet darüber hinaus ein Outsourcing der Doppelkronendaten statt, kommen die Vorteile graziler industrieller Fertigung aus homogenen, porenfreien Legierungsblöcken sowie Kostenvorteile durch den Wegfall der Bevorratung von Edelmetall- Dentallegierungen hinzu.

Herausnehmbare Prothetik – neu denken

Die digitale Fertigung hat alle Prothetiksegmente erreicht – so auch die Fertigung von herausnehmbarer Totalprothetik. PD Dr. Jeremias Hey M. Sc., MME (Halle) berichtete dazu über „Totalprothetik im digitalen Prozess – Entwicklung und Bewährung eines neuen Workflows“. Hey bezog sich dabei auf ein 2015 vorgestelltes System mit dem er „Copy Dentures“ fertigte, in die so die „neuromuskuläre Information“ bereits vorhandener Prothesen übertragen wird. Gerade älteren Patienten, die eine limitierte Adaptionsfähigkeit besitzen, erleichtert diese Fertigungsform die Akzeptanz ihrer neuen Prothetik.

ZT Karl-Heinz Körholz (Königswinter) meinte: „Digitale Totalprothetik – Now is the time.“ Sein Credo hierzu: „Alle Voraussetzungen aus der analogen Totalprothetik müssen in der digitalen erfüllt und selbstverständlich 1:1 übertragbar sein.“ So muss dem digitalen Arbeiten eine detaillierte Modellanalyse vorausgehen, auch müssen Kenntnisse der Aufstellparameter vorhanden sein und diesen Fertigungsweg begleiten. Die Vorträge von Hey (am Beispiel von Baltic Denture, Merz, Lütjenburg) und Körholz (FDS, Amann Girrbach, Koblach, Österreich/Vionic Solutions, VITA Zahnfabrik, Bad Säckingen) ließen erkennen, wie sich durch standardisierte Prozesse Vorteile für Praxis und Labor ergeben: Behandlungs- und Fertigungszeiten verkürzen sich, die Prothesenqualität lässt sich steigern.

Der besondere Vortrag 2018

Im vergangenen Jahr fand zum ersten Mal das Forum 25 statt – „die Nachwuchsförderung der ADT“ (Abb. 6). Auf diesem Forum erhält zahnmedizinischer und zahntechnischer Nachwuchs die Gelegenheit, (erstmals) vor Publikum zu referieren. Der jährlich beste Vortrag wird von einer Jury gekürt und mit dem „ADT – Young Talent Award“ belohnt – unter anderem gehört dazu, im Folgejahr auf dem „Main Podium“ vorzutragen. So berichtete die Gewinnerin 2017, Ha Thu Tra Nguyen (Köln), über „Dentalhygiene – ein Konzept für Entwicklungsländer in Asien“ und entführte das Publikum dabei in eine Region ihres Geburtslandes Vietnam (Abb. 7). Nguyen zeigte, wie es um die Dentalhygiene von Kindern in Teilen der dortigen Land- und Bergbevölkerung bestellt ist und wie sich deren Situation diesbezüglich verbessern lässt. Die junge Referentin wurde vom Auditorium für diesen – auch anrührenden – Vortrag mit „Standing Ovations“ belohnt. In diesem Jahr wurden die Forum 25-Vorträge von Laura Burlein (Feldkirchen), Pia Gauger (Oberhausen), Natasha Klutke (Berlin), Hagen Müller (Neufahrn), ZTM Enrico Ortado (München) sowie Viktoria Weber (Berlin) viel beachtet und beklatscht. Mit dem „ADT – Young Talent Award“ 2018 wurde das Vortragsteam Burlein/Gauger ausgezeichnet – und gehört damit zu den Referenten 2019.

Abb. 6: Seit 2017 gibt es das Forum 25 zur Nachwuchsförderung der ADT. David Knipping, Lindau
Abb. 6: Seit 2017 gibt es das Forum 25 zur Nachwuchsförderung der ADT.
Abb. 7: Ha Thu Tra Nguyen. David Knipping, Lindau
Abb. 7: Ha Thu Tra Nguyen.

Die „ADT“ – Spiegel der Zahntechnik

Das thematische Angebot der diesjährigen ADT-Jahrestagung bot mit fünf Workshops, 28 Fachvorträgen sowie dem Forum 25 – zur Nachwuchsförderung der ADT – eine einzigartige Informationsfülle; Anlass für die Redaktion des Zahntechnik Magazins, auch hier und in der kommenden Oktoberausgabe über „die ADT“ zu berichten.

Weiterführende Links

    Bildquellen sofern nicht anders deklariert: Unternehmen, Quelle oder Autor/-in des Artikels

    Kommentare

    Keine Kommentare.

    Anzeige