Wie alles begann
Am 01. November 1936 gründeten der Kaufmann Alfred Wilhelm Steen und der Zahnmedailleur Wilhelm Karl Zech die „Steen & Zech Zahnfabrik“ in Zürich. Die Umfirmierung zur CANDULOR AG erfolgte 1964 – der neue Name wurde von Steen gemeinsam mit seiner Frau Lucie kreiert. Diesen leiteten sie aus den beiden lateinischen Wörtern „candidus“ (= glänzend) und „candor“ (= Glanz) sowie dem französischen Wort „or“ (= Gold) ab. Soweit ein paar überlieferte Fakten.
Einen ganz persönlichen Überblick hingegen – über wichtige Entwicklungen in der Unternehmensgeschichte – gab zum Start des Vortragsprogramms ZTM Jürg Stuck (Erlstätt). Als ehemaliger Mitarbeiter (Anfang der 1970er-Jahre) teilte er seine Erinnerungen mit dem Auditorium und schilderte anhand vieler Bilder Schritt für Schritt die Zahnproduktion in den ersten Jahrzehnten des Unternehmens – damals noch zu 95 % reine Handarbeit, aber die Zähne waren bereits damals „kleine Kunstwerke“, so Stuck, allesamt gefertigt aus Porzellan.
Aus dieser persönlichen Verbundenheit mit CANDULOR hatte er auch ein besonderes Geburtstagsgeschenk mitgebracht: Aus seinem Privatbesitz übergab ZTM Stuck einen der letzten „CANDULOR Barren“ (Abb. 1). Dieser ermöglichte im Frontzahnbereich quasi das „Aufklippen“ fehlender Zähne – in den 1950/60er-Jahren eine wirkliche Innovation, die ihresgleichen suchte. Ein echtes Stück Geschichte zum Anfassen.
Noch mehr Schätze aus vergangenen Zeiten konnten die Gäste in der – dem Vortragssaal vorangestellten und als „Zeitraum“ betitelten – Ausstellung entdecken. Ledergebundene Zahnformkarten aus den ersten Jahrzehnten von Steen & Zech, alte Zahnlinien auf Holzplättchen, Farbschlüssel und vieles mehr (Abb. 2) zeugten hier vom schon damals vorherrschenden Innovationsdrang des Schweizer Unternehmens.
Stiefkind Totalprothetik?
„Schlappen rein und fertig“, so beschrieb im zweiten Vortrag des Tages Prof. inv. Dr. Jürgen Wahlmann (Abb. 3) den Umgang vieler Kollegen mit der Totalprothetik, dem „ungeliebten Stiefkind der Zahnmedizin“. In seinem Vortrag zur Frage „Smile Design – Nur bei Veneers?“ zeigte er auf, wie viel Zeit sich Zahnärzte für Fälle mit festsitzendem ästhetischen Zahnersatz nehmen und wie stark im Vergleich dazu bereits die Beratung von Patienten mit abnehmbarer Prothetik vernachlässigt wird. Sein Fazit: Gerade in Zeiten einer immer älter werdenden Bevölkerung müssen Zahnärzte ihren Fokus verstärkt auf eine qualitativ hochwertige und ästhetische Totalprothetik lenken. Es sei wichtig, dass man Prothesen im Munde eines Patienten auch aus kurzer Entfernung nicht als solche erkenne – und damit dem Patienten ein großes Stück Lebensqualität zurückgebe.
Deutschland weist weltweit die am zweitschnellsten alternde Gesellschaft auf, nur geschlagen von Japan, das den ersten Platz für sich beansprucht. Anlass genug für Prof. Dr. Martin Schimmel (Abb. 4), einen Blick auf den „Patienten der Zukunft“ in seinem „vierten“ Lebensabschnitt zu werfen. Auffällig: Die Lebenserwartung steigt und damit auch die Wahrscheinlichkeit, mit zunehmendem Alter mehr eigene Zähne zu besitzen als vorherige Generationen. Allerdings werde bei betagten Patienten der Zusammenhang zwischen Lebensqualität und Mundgesundheit besonders deutlich: Neben Zahnverlust, Karies, Unzufriedenheit über die Ästhetik der Prothese und Schwierigkeiten im Umgang mit dem herausnehmbaren Zahnersatz häufen sich auch funktionelle Probleme wie erschwertes Kauen, ein trockener Mund, Schluckstörungen und – nach Prof. Schimmel ein wirkliches „Prothesenproblem“: die Gefahr einer Aspirationspneumonie durch Erreger auf dem abnehmbaren Zahnersatz. Moderne Ansätze, die alldem entgegenwirken können, sieht er z. B. in schleimhautgelagerten Totalprothesen („industrielles“ Design und Fräsen bzw. Druck versprechen geringere Kosten und bessere Materialeigenschaften) sowie in kurzen und schmalen Implantaten – vor allem auch im hohen Alter. Gerade bei Letzteren liege eine deutlich höhere Patientenzufriedenheit vor.
ZTM Jan Langner (Abb. 5) sprach sich in seinem Vortrag gegen die konventionelle Teilprothetik aus, da diese oft zum Verlust der Eckzähne führe. Zwei wichtige Punkte für seine Behandlungsplanung stellte er besonders heraus: Zum einen muss die Totalprothese großflächige Basen aufweisen, damit sie aufliegt und nicht nur anliegt! Sowie die Frage: Wie alt ist der Patient und ist er überhaupt in der Lage, seinen Zahnersatz ausreichend zu reinigen? Außerdem gab er den Tipp, vor der Abformung den Patienten 48 Stunden keine Prothese tragen zu lassen, da diese das Gewebe verlagert und so die anschließende Passgenauigkeit der neuen verfälschen kann.
In Zukunft nur noch digital?
Viele Faktoren führen zur Patientenzufriedenheit, aber die Kommunikation ist der erste und wichtigste, machte ZTM Damiano Frigerio deutlich (Abb. 6). Er zeigte anhand von Fällen aus seinem Laboralltag, wie Patienten mit erschwinglichen und ästhetisch anspruchsvollen Implantatarbeiten versorgt werden können, und – zur allgemeinen Erheiterung des Auditoriums – auch Ergebnisse seiner Recherche zu besonders schlecht gelungenen Patientenfällen. ZTM Frigerio sieht im Mittelpunkt seiner Arbeit ein Gleichgewicht aus „Biologie“ (z. B. Reinigungsmöglichkeiten des Zahnersatzes), Materialien (bekannt und geprüft) sowie dem Preis. Sein Fazit: Der wirkliche Luxus sei, Zeit für einen Patienten zu haben und sich diese auch zu nehmen. Dafür Zeit sparen könne man z. B. bei geschichteten Kronen, da vorfabrizierte Zähne wie PhysioStar NFC+ mittlerweile die gleiche Qualität hätten.
Wer sich mit der Geschichte der Totalprothetik und der Firma CANDULOR beschäftigt, kommt an dieser wegweisenden Persönlichkeit sicherlich nicht vorbei: Prof. Dr. Albert Gerber (1907–1990). Diesen Umstand nutzte Martin J. Hauck (Abb. 7) für eine „Referenz an die Totalprothetik nach Prof. Dr. Albert Gerber“ und wies auf Höhepunkte und wichtige Schlüsselbegriffe seines Schaffens hin, welche sich heute noch überall in der Zahntechnik wiederfinden. Ungeachtet dessen, dass das „Original“ kopiert, modifiziert und auch transformiert wurde und wird, überdauert der konzeptionelle Kern und ist dabei „moderner als vermutet“, so Hauck.
„Alles digital. Auch Totalprothesen?“ fragte Univ.-Prof. Dr. Florian Beuer von der Berliner Charité (Abb. 8). Geschätzte 400 Millionen zahnlose Patienten im Jahr 2020 bieten aus seiner Sicht ein großes Potenzial für die zukünftige (digitale) Totalprothetik. Im Vergleich zur traditionellen Herstellung erläuterte er die Arbeitsschritte bereits vorliegender digitaler Systeme zur Herstellung von Totalprothesen wie das „Full Denture System“ (Amann Girrbach), das „Baltic Denture System“ (Merz Dental) und „Digital Denture“ (Wieland Dental/Ivoclar). Als Vorteile der vorgestellten Systeme sieht er die deutlich präzisere Passgenauigkeit und den damit verbundenen besseren Prothesenhalt (v. a. im Unterkiefer), die einfache Reproduzierbarkeit, weniger Plaqueakkumulation und die insgesamt besseren Ergebnisse in weniger Sitzungen.
Ein Patient erzählt
Der Rückzug aus dem gesellschaftlichen Leben, nicht mehr „lächeln“ … – wenn Patienten sich mit ihrem Zahnersatz nicht wohlfühlen, kann dies viele negative Auswirkungen auf ihren Alltag und somit ihre Lebensqualität haben. Über seine persönlichen Erfahrungen in diesem Bereich sprach als Überraschungsgast nun ein Patient: Emotional und anschaulich schilderte Friedrich Wieland zunächst seinen Leidensweg mit seinen alten Totalprothesen und anschließend, wie sich durch die neuen sein Leben zum Positiven wendete (Abb. 9). Er war im Sommersemester 2016 an der Philipps-Universität Marburg im Zuge eines Totalprothetik-Kursus nach Prof. Gerber versorgt worden.
Zum Abschluss des wissenschaftlichen Programms trat Robert Bösch (Oberägeri/Schweiz) auf das Podium, im Gepäck eine Vielzahl an Bildern mit absolutem Gänsehautfaktor, denn: Bösch verbindet Bergsteigen mit „Extremfotografie“. Stets mit der Kamera im Gepäck klettert er mit Extremsportlern wie Ueli Steck oder dem französischen „Spiderman“ Alain Robert und dokumentiert dies mit atemberaubenden Bildern aus der Eigernordwand oder den südfranzösischen Alpen.
Die Geburtstagsparty
Erfüllt mit vielen Eindrücken und Emotionen ging es nun direkt mit Shuttlebussen zur Jubiläumsfeier in die einstige Börse Zürichs, der heutigen Event-Location AURA am Paradeplatz. Ihr besonderes Merkmal: Die Gäste sitzen in einem mit Lounge-Möbeln ausgestatteten Raum, umgeben von einer 360-Grad-Projektionsfläche, die sie z. B. mitten in die Züricher Innenstadt bei Nacht eintauchen lässt – und einem das Gefühl gibt, als stünde man direkt an der Limmat und könne sich einmal ringsum umschauen (Abb. 10). Diese Projektionsfläche nutzte CANDULOR auch im Laufe des Abends, um filmische „CANDULOR MOMENTS“, also Meilensteine, Personen und Errungenschaften aus 80 Jahren Firmengeschichte vorzustellen. Dazu führten Michael Hammer, CANDULOR Managing Director bis Ende 2016, seine Nachfolgerin Claudia Schenkel-Thiel und CANDULOR General Manager Roland Rentsch mit kurzen Statements und Anekdoten durch den Abend.
„Was haben eine Trompete und eine Tüte mit fünf Prothesen gemeinsam? – Ein- und denselben Besitzer!“ So erzählte Schenkel-Thiel z. B. von einem Patienten, der eine Prothese wollte, mit der er nicht nur essen oder küssen, sondern auch Trompete spielen könne. Das Fazit: In der Totalprothetik und bei CANDULOR stehen der Mensch und seine Bedürfnisse im Mittelpunkt (Abb. 11).
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