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Additive Fertigung von ultradünnen Veneer-Schalen aus Lithium-Disilikat

Das Lithoz LCM-Verfahren im digitalen Workflow – eine Machbarkeitsuntersuchung

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Die Versorgung von Frontzahndefekten mit dünnen Verblendschalen aus Keramik gilt als „Königsdisziplin“ in der zahnärztlichen Prothetik. Die Herstellung kann auf verschiedene Weisen erfolgen. Bisher werden analoge und digital subtraktive Fertigungswege angewendet. Aufgrund der geringen Schichtstärke sind beide Fertigungswege für den Anwender eine Herausforderung. Durch den Einsatz der additiven Fertigung im Lithoz LCM-Verfahren lassen sich erstmals ultradünne Veneers aus Lithium-Disilikat mit Schichtstärken von weniger als 0,3 mm realisieren.

Minimalinvasive restaurative Versorgungskonzepte, welche die Zahnhartsubstanz schonen, gewinnen aufgrund der geringeren biologischen Kosten zunehmend an Bedeutung [1–6]. Als Materialien werden bevorzugt keramische Werkstoffe eingesetzt [7–9]. Verschiedene Herstellungswege finden dabei Anwendung [10].

Manuell geschichtete Veneers

Die manuelle Schichtung von Verblendkeramikmassen auf feuerfesten Stümpfen liefert hervorragende ästhetische Ergebnisse [11]. Handgeschichtete Veneers aus Feldspatkeramik, welche im Zahnschmelz adhäsiv verklebt sind, zeigen zudem sehr gute Überlebensraten [12].

Der Aufwand bei der Herstellung ist jedoch extrem hoch und die Stabilität der handgeschichteten Verblendschalen ist, solange diese noch nicht mit dem Schmelz verklebt sind, aufgrund der niedrigen Biegefestigkeit gering. Sie stellen somit eine Herausforderung sowohl für Zahntechniker/-innen als auch Behandler/-innen bei der Bearbeitung und beim Einsetzen dar [13].

Keramikpresstechnik

Die Keramikpresstechnik ist in der Anwendung einfacher und liefert Veneers mit einer höheren Biegefestigkeit [14]. Die Passgenauigkeit der im Keramik-Pressverfahren hergestellten Veneers ist exzellent [15]. Allerdings ist auch hier der hohe Anteil von analogen Fertigungsschritten ein wesentlicher Faktor, der den Gesamtaufwand für die Anfertigung erhöht.

Fräsen

Digitale subtraktive Fräs- und Schleifprozesse basierend auf Datensätzen der Verblendschalen aus CAD-Programmen bilden aktuell den digitalen Herstellungsweg. Als Materialien kommen Lithium-Disilikatkeramiken und Zirkoniumdioxid zum Einsatz. Letzteres kann man trocken fräsen und damit sehr dünne Verblendschalenstärken erreichen [16,17].

Lithium-Disilikate hingegen müssen mit Diamantschleifkörpern nass beschliffen werden. Dies führt dazu, dass der Bearbeitungsaufwand hoch und damit die Herstellung teuer ist und andererseits ein gewisses Mindestmaß an Schichtdicke erforderlich ist, damit die Schleifergebnisse fehlerfrei sind. Verblendschalen aus konventionellem Zirkoniumdioxid haben aufgrund der optischen Eigenschaften ästhetische Nachteile.

Insbesondere der im Vergleich zum Zahnschmelz und Dentin höhere Refraktionsindex [18] führt dazu, dass Veneers aus Zirkoniumdioxid oftmals unnatürlich wirken. Pilotstudien zur additiven Fertigung von ultradünnen Veneers aus Zirkoniumdioxid wurden bereits mehrfach publiziert und zeigten Randpassgenauigkeiten, welche im Bereich konventionell hergestellter Veneers liegen [19]. Die mechanischen Eigenschaften von additiv gefertigten ultradünnen okklusalen Veneers aus Zirkoniumdioxid wiesen ausreichende mechanische Festigkeiten auf [20].

Additive Fertigung

Die additive Fertigung von Restaurationen aus Lithium-Disilikat stellt die aktuellste Entwicklung im Bereich des 3D-Drucks von Keramik dar [21–24]. LCM – kurz für Lithography-based Ceramic Manufacturing – beschreibt ein 3D-Druck-Verfahren, das aufgrund der hohen Auflösung und detailgetreuen Wiedergabe feiner Strukturen speziell für die Herstellung dentaler Restaurationen geeignet ist.

Die Anwendung von im LCM-Verfahren additiv gefertigten Veneers aus Lithium-Disilikat wurde erstmals von Unikovskiy et al. beschrieben [25]. Dabei wurden „Full-Veneers“ für die Versorgung von 6 Unterkieferfrontzähnen und „Non-prep“-Veneers für einen Diastemaschluss im Oberkiefer angefertigt. Punktuell wurden dabei Schichtdicken von 0,1 mm umgesetzt.

Nachfolgend wird die Anfertigung von ultradünnen Verblendschalen aus Lithium-Disilikat im Lithoz LCM-Verfahren mit einer Wandstärke von 0,2 mm über die gesamte Veneer-Fläche beschrieben. Dabei zeigt die additive Anfertigung der Veneers mittels Lithoz LCM-Verfahren sowohl wirtschaftliche, mechanische als auch ästhetische Vorteile gegenüber den bisher angewandten Technologien. Im Rahmen eines „Proof of Concept“ konnte gezeigt werden, dass mit dieser neuen Technologie hervorragende Ergebnisse erzielt werden können.

Fallbeispiel

3D-gedruckte ultradünne Verblendschalen aus Lithium-Disilikat: Anhand eines Fallbeispiels mit Veneer-Versorgungen im Oberkieferfrontzahnbereich (13–23) wird der komplette Workflow dieser innovativen Versorgungsform dargestellt. Es handelt sich dabei um die Simulation einer Patientenversorgung basierend auf den dreidimensionalen Realdaten der Patientensituation.

Datenerfassung

Mittels des 3D-Intraoralscanners TRIOS 4 von 3Shape wurde der Ober- und Unterkiefer (Abb. 1) einer 23-jährigen Patientin digital erfasst. Neben der dreidimensionalen Oberfläche wird beim TRIOS-Scanner auch die geometriebezogene Farbinformation aufgezeichnet (Abb. 2). Die Daten wurden im 3Shape-spezifischen dcm-Format abgespeichert.

  • Abb. 1: Intraorale Ausgangssituation für die Workflow-Simulation.
  • Abb. 2: Der 3D-Intraoralscan mit dem TRIOS 4 erfasst sowohl die dreidimensionale Oberfläche als auch die geometriebezogene Farbinformation.
  • Abb. 1: Intraorale Ausgangssituation für die Workflow-Simulation.
    © Schweiger
  • Abb. 2: Der 3D-Intraoralscan mit dem TRIOS 4 erfasst sowohl die dreidimensionale Oberfläche als auch die geometriebezogene Farbinformation.
    © Schweiger

Virtuelle Präparation und Modellherstellung

Im nächsten Schritt erfolgte an den Oberkieferfrontzähnen im labialen Bereich eine virtuelle Veneer-Präparation mit der Magics Software V14.1 von Materialise. Das Reduktionsmaß betrug 0,24 mm. Dieses setzte sich aus einer vorgesehenen Veneer-Schichtstärke von 0,20 mm und einem Spalt für das Befestigungsmaterial von 0,040 mm zusammen.

In der Modelbuilder-Software (3Shape, Version 2022) erfolgte die digitale Modellaufbereitung (Abb. 3) mit anschließendem Multicolordruck im Polyjet-Verfahren auf einer Stratasys J850 bei der Firma 3dmedicalPrint KG (Abb. 4). Die 6 Frontzahnstümpfe sowie die distalen Nachbarzähne wurden als herausnehmbare Stümpfe gestaltet.

  • Abb. 3: Virtuelle Veneer-Präparation und digitales Modelldesign.
  • Abb. 4: Mittels Stratasys Polyjet-Verfahren im Multimaterial-3D-Druck hergestelltes Vollfarbenmodell.
  • Abb. 3: Virtuelle Veneer-Präparation und digitales Modelldesign.
    © Schweiger
  • Abb. 4: Mittels Stratasys Polyjet-Verfahren im Multimaterial-3D-Druck hergestelltes Vollfarbenmodell.
    © Schweiger

CAD-Konstruktion

  • Abb. 5: CAD-Design der ultradünnen Veneers.

  • Abb. 5: CAD-Design der ultradünnen Veneers.
    © Schweiger
Die Konstruktion der Veneers wurde mit der exocad-Software Rijeka V3.1 ausgeführt. Als Spaltschichtstärke für das Befestigungsmaterial wurden 40 μm gewählt. Der Ausgangsdatensatz des Oberkiefers vor der virtuellen Präparation diente als Situationsscan, sodass die Veneers an diesen angerechnet werden konnten (Abb. 5).

Additive Fertigung mittels LCM-Verfahren

Für den 3D-Druck der CAD-Datensätze der Veneers wurden Stützstrukturen erzeugt, um eine Verbindung der Freiformfläche der Restaurationen mit der Bauplattform des 3D-Druckers zu gewährleisten (Abb. 6). Die Daten wurden anschließend in den CeraFab S65 Medical 3D-Drucker geladen (Abb. 7) und die für das Material geeigneten Druckparameter ausgewählt (Tabelle 1). Für den 3D-Druck wurde ein Lithium-Disilikatschlicker in der Farbe „Transluzent“ als Rohmaterial für die Herstellung der Veneers verwendet.

  • Abb. 6: Virtuelle Positionierung der Veneer-Schalen auf der Bauplattform und Generierung der Stützstrukturen.
  • Abb. 7: Keramik-3D-Drucker Lithoz CeraFab S65 Medical.
  • Abb. 6: Virtuelle Positionierung der Veneer-Schalen auf der Bauplattform und Generierung der Stützstrukturen.
    © Schweiger
  • Abb. 7: Keramik-3D-Drucker Lithoz CeraFab S65 Medical.
    © Schweiger

KeramikmaterialLithium-Disilikat transluzent; chemische Zusammensetzung based on IPS e.max lithium disilicate powder* 
Schichtdicke60 [μm]
Anzahl der Schichten342
Bearbeitungszeit pro Schicht36 [s]
Gesamtzeit für den 3D-Druck von 32 Veneer-Schalen3:25 [hh:mm]
Belichtungsintensität für Startschicht50 [mW/cm2]
Belichtungsintensität für die allgemeinen Schichten50 [mW/cm2]
Belichtungsenergie für Startschicht500 [mW/cm2]
Belichtungsenergie für die allgemeinen Schichten175 [mW/cm2]
Seitliche Schrumpfkompensation1.31
Schrumpfkompensation in Baurichtung (Z)1.35
Z Belichtung TiefenkompensationOff
Z Belichtung Tiefenkompensation Schichten0
Konturen Offset0 [px]
Dicke der Stützstrukturen400 [μm]
Wannen-TypCeraVat UHC F (UHC = Ultra-High-Contrast)
ReinigungsflüssigkeitLithaSol 20

Tabelle 1: Druckparameter für die lithographiebasierte Herstellung von ultradünnen Verblendschalen aus Lithium-Disilikat mit dem CeraFab System S65.

Die Bauzeit je Veneer-Schale lag bei 6 Minuten 24 Sekunden. Nach dem Druckvorgang befanden sich die Teile im sogenannten „Grünlingszustand“.

  • Abb. 8: Veneer-Schalen nach der thermischen Behandlung (Entbindern, Sintern und Kristallisieren).

  • Abb. 8: Veneer-Schalen nach der thermischen Behandlung (Entbindern, Sintern und Kristallisieren).
    © Schweiger
Diese „Grünkörper“ bestehen aus einem vernetzten organischen Bindemittelsystem und Lithium-Disilikatpartikeln, die in der Formulierung dispergiert sind. Überschüssiger, nicht ausgehärteter Schlicker wurde beim Reinigungsvorgang entfernt und die Teile anschließend der thermischen Nachbehandlung (Entbindern, Sintern und Kristallisieren) unterzogen (Abb. 8).

Ausarbeiten und Finalisieren der Veneers

  • Abb. 9: Fertige Veneer-Schalen nach dem Glasurmassebrand.

  • Abb. 9: Fertige Veneer-Schalen nach dem Glasurmassebrand.
    © Schweiger
Zur Fertigstellung der Veneers wurden diese von den Stützstrukturen mittels wassergekühlter Laborturbine und diamantierter Werkzeuge mit rotem Ring abgetrennt und die Ansätze der Haltestifte verschliffen. Nach dem Ausarbeiten der Veneers und Kontrolle der statischen und dynamischen Okklusion erfolgte die Finalisierung mittels zweier Glasurmassebrände. Diese wurden bei einer Temperatur von 710°C durchgeführt. Im dargestellten Fall wurden dafür die IPS Ivocolor-Malfarben verwendet (Abb. 9 bis 11).
  • Abb. 10: Fertige Veneer-Schalen nach dem Glasurmassebrand.
  • Abb. 11: Auf das Modell aufgesetzte Verblendschalen im 2. Quadranten.
  • Abb. 10: Fertige Veneer-Schalen nach dem Glasurmassebrand.
    © Schweiger
  • Abb. 11: Auf das Modell aufgesetzte Verblendschalen im 2. Quadranten.
    © Schweiger

Fazit

Für die additive Fertigung der ultradünnen Oberkieferfrontzahn-Veneers mittels Lithoz LCM-Verfahren wurde ein Lithium-Disilikatschlicker mit hohem Transluzenzgrad verwendet. Das Ausarbeiten mithilfe wassergekühlter Diamantinstrumente beschränkte sich im Wesentlichen auf das Abtrennen und Verschleifen der Stützstrukturen. Der zeitliche Aufwand war daher gering.

Für die Finalisierung mittels Glanzbrand wurden Standardprogramme verwendet, sodass auch keinerlei Umstellungen für den Anwender im Arbeitsablauf notwendig waren. Die Passung auf den Stümpfen war gut, das ästhetische Erscheinungsbild der Veneers konnte als hervorragend beurteilt werden. Zukünftige Forschungsarbeiten werden den Fokus auf die Optimierung der konstruktionstechnischen Schritte, die Untersuchung der mechanischen Eigenschaften und Passungsparameter sowie die Workflow-Optimierung legen.

Insgesamt kann festgestellt werden, dass dieser „Proof of Concept“ gezeigt hat, dass es mit dem Lithoz LCM-Verfahren möglich ist, ultradünne Verblendschalen aus Lithium-Disilikat (Abb. 12 und 13) in einem sehr effizienten und anwenderfreundlichen Workflow herzustellen, was mit den bisherigen Technologien (analoges Schichten, Presstechnik, CNC-Schleifen) nur mit einem sehr hohen Aufwand, großer Anwenderkompetenz und hoher Ausschussrate möglich war.

  • Abb. 12: Die finale Dicke der ultradünnen Veneers betrug nach dem Glasurmassebrand 0,225 mm (0,2 mm Veneer-Schale + 0,025 Glasurmasse).
  • Abb. 13: Die finale Dicke der ultradünnen Veneers betrug nach dem Glasurmassebrand 0,225 mm (0,2 mm Veneer-Schale + 0,025 Glasurmasse).
  • Abb. 12: Die finale Dicke der ultradünnen Veneers betrug nach dem Glasurmassebrand 0,225 mm (0,2 mm Veneer-Schale + 0,025 Glasurmasse).
    © Schweiger
  • Abb. 13: Die finale Dicke der ultradünnen Veneers betrug nach dem Glasurmassebrand 0,225 mm (0,2 mm Veneer-Schale + 0,025 Glasurmasse).
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*https://lithoz.com/en/lithoz-at-ids-2023-premiere-of-3d-printed-lithium-disilicate-restorations-jointly-developed-with-ivoclar/

Näheres zum Autor des Fachbeitrages: ZT Josef Schweiger, M. Sc.