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Korruption in Zahntechnik und Zahnmedizin – Teil 1

Das "neue" Antikorruptionsrecht gilt seit Juni 2016.
Das "neue" Antikorruptionsrecht gilt seit Juni 2016.

Korruption in Zahntechnik und Zahnmedizin – ein Titel, der nicht unterstellen soll, dass der Dentalsektor besonders korruptionsanfällig oder besonders korruptionsfest wäre. Vielmehr sollen die folgenden Ausführungen Besonderheiten aufzeigen, welche sich im Dentalbereich bei der möglichen Anwendung der zum 04.06.2016 in Kraft getretenen Vorschriften zur Bekämpfung der Korruption im Gesundheitswesen ergeben. Voranzuschicken ist, dass die strafrechtliche Ahndung eines Verhaltens als „Ultima Ratio“ zu erfolgen hat. Demnach soll der zweiteilige Beitrag auch im Sinne einer Prävention dafür sensibilisieren, möglich Geschäftspraktiken zu überdenken und relevante wirtschaftliche Betätigung fortan ohne das Risiko möglicher staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen oder gar einer strafgerichtlichen Verurteilung neu zu ordnen.

Das „neue Antikorruptionsrecht“ stellt in den § 299 a und § 299 b des Strafgesetzbuches bestimmte Verhaltensweisen im Gesundheitswesen unter Strafe. Entscheidender Ausgangspunkt der gesetzlichen Neuregelung war nicht etwa – wie regelmäßig bei gesetzlichen Neuregelungen – eine Gesetzgebungsinitiative der von Verfassungswegen dazu berufenen Gesetzgebungsorgane, sondern eine Entscheidung des Großen Strafsenats des Bundesgerichtshofs vom 29.03.2012 [1], welche sodann freilich von den politischen Akteuren aufgegriffen wurde. In der vorgenannten Entscheidung stellte der Senat fest, dass niedergelassene Ärzte in eigener Praxis trotz der Annahme von (wirtschaftlichen) Vorteilen für ein bestimmtes (Verordnungs-) Verhalten getreu dem Motto „Eine Hand wäscht die andere“ strafrechtlich nicht zu belangen sind, obwohl den gesetzlichen Krankenkassen bzw. den kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen durch unsachgemäße Verordnungs- und Bezugsentscheidungen hohe Schäden entstehen können.

Ausgehend von dieser Feststellung wurden schließlich die zwei folgenden Paragraphen mit Wirkung vom 04.06.2016 in das Strafgesetzbuch aufgenommen:

§ 299 a Bestechlichkeit im Gesundheitswesen

Wer als Angehöriger eines Heilberufs, der für die Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung erfordert, im Zusammenhang mit der Ausübung seines Berufs einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er

  1. bei der Verordnung von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten,
  2. bei dem Bezug von Arznei- oder Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten, die jeweils zur unmittelbaren Anwendung durch den Heilberufsangehörigen oder einen seiner Berufshelfer bestimmt sind, oder
  3. bei der Zuführung von Patienten oder Untersuchungsmaterial einen anderen im inländischen oder ausländischen Wettbewerb in unlauterer Weise bevorzuge, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

§ 299 b Bestechung im Gesundheitswesen

Wer einem Angehörigen eines Heilberufs im Sinne des § 299 a im Zusammenhang mit dessen Berufsausübung einen Vorteil für diesen oder einen Dritten als Gegenleistung dafür anbietet, verspricht oder gewährt, dass er

  1. bei der Verordnung von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten,
  2. bei dem Bezug von Arznei- oder Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten, die jeweils zur unmittelbaren Anwendung durch den Heilberufsangehörigen oder einen seiner Berufshelfer bestimmt sind, oder
  3. bei der Zuführung von Patienten oder Untersuchungsmaterial ihn oder einen anderen im inländischen oder ausländischen Wettbewerb in unlauterer Weise bevorzuge, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Ziel der Neuregelung

Bevor die strafbarkeitsbegründenden Einzelheiten näher betrachtet werden, ist zunächst darzustellen, welches Ziel der Gesetzgeber konkret verfolgte. Unter Beachtung der oben dargestellten Entscheidung des Bundesgerichthofs war oberstes Ziel das Schließen einer festgestellten Strafbarkeitslücke – mithin die Sanktionierung eines für strafwürdig erachteten, bis dato aber nicht strafbaren, Verhaltens. Strafwürdigkeit und darauf folgende Strafbarkeit soll dem Schutz von Rechtsgütern dienen. Dieser Schutz wird freilich nicht unmittelbar durch die bloße abstrakte Strafbarkeit eines Verhaltens erreicht – erst durch das Erkennen der möglichen Strafbarkeit durch die potenziellen Täter, verbunden mit der Erwartung des Einschreitens der staatlichen Autorität und in Ansehung einer drohenden Sanktionierung, soll der Betroffene dazu bewegt werden, von der Durchführung der Handlung Abstand zu nehmen. Was hat sich der Gesetzgeber also als durch die Korruptionstatbestände im Gesundheitswesen schützenswert vorgestellt?

In der Gesetzesbegründung heißt es dazu: „Die Straftatbestände verfolgen einen doppelten Rechtsgüterschutz. Er dient der Sicherung eines fairen Wettbewerbs im Gesundheitswesen und kommt damit der ganzen großen Mehrheit der ehrlich arbeitenden und Korruptionsrisiken vermeidenden Ärzte, Apotheker und sonstigen Heilberufsausübenden zugute. Er dient ferner dem Schutz des Vertrauens der Patienten in die Integrität heilberuflicher Entscheidungen. Mittelbar wird der Straftatbestand auch die Vermögensinteressen der Wettbewerber im Gesundheitswesen sowie der Patienten und der gesetzlichen Krankenversicherung schützen“ [2].

Primär sollen also der „faire Wettbewerb im Gesundheitswesen“ einerseits und „das Vertrauen des Patienten in die Integrität heilberuflicher Entscheidungen“ andererseits geschützt werden. Mit dieser Feststellung werden bereits wichtige Aussagen dazu getroffen, wie ein Verhalten im Einzelfall zu bewerten ist: Für eine mögliche Strafbarkeit ist es z.B. unbeachtlich, ob die mögliche korruptive Verhaltensweise im Kontext der Behandlung eines privat oder gesetzlich Versicherten steht. Ferner wäre es unter Beachtung dieser Zielrichtung des Gesetzes auch unbeachtlich im Sinne einer gleichwohlen Strafbarkeit, wenn der Zahntechniker die mit dem Zahnarzt deliktisch vereinbarte „Kick-Back-Zahlung“ für den Letztgenannten auf der Fremdlaborrechnung des Zahnersatzes einpreisen würde und der Zahnersatz dennoch „günstiger“ wäre als der von Mitbewerbern. Ein Preisvergleich mit der möglichen Folge eines Entfallens einer Strafbarkeit findet nicht statt.

Die Tatbestände im Einzelnen

  • Das „neue Antikorruptionsrecht“ im Gesundheitswesen spiegelt sich in den § 299 a und § 299 b des Strafgesetzbuches wieder.

  • Das „neue Antikorruptionsrecht“ im Gesundheitswesen spiegelt sich in den § 299 a und § 299 b des Strafgesetzbuches wieder.
    © vege/Fotolia.com
Die Straftatbestände der § § 299 a und b des Strafgesetzbuches sind spiegelbildlich aufgebaut – sie unterscheiden sich lediglich darin, dass sie die verbotene Handlung einmal für die „Nehmerseite“ (§ 299 a des Strafgesetzbuches) und einmal für die „Geberseite“ (§ 299 b des Strafgesetzbuches) sanktionieren.

Als potenzielle Nehmer und damit taugliche Täter werden von § 299 a des Strafgesetzbuches (nur) „Angehörige eines Heilberufes, der für die Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung erfordert“ genannt. Wer damit gemeint ist, ergibt sich aus einem weiteren Gesetz: § 1 Absatz 2 des Heilpraktikergesetzes: Hiernach ist Heilberuf die berufs- oder gewerbsmäßig vorgenommene Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden bei Menschen, auch wenn sie im Dienste von anderen ausgeübt wird.

Beispielhaft seien als potenzielle Nehmer damit z.B. Ärzte, Zahnärzte, Apotheker, Logopäden und Altenpfleger genannt. Die Gesundheitshandwerker – wie z.B. der Zahntechniker – werden hingegen auf der Nehmerseite als nicht taugliche Täter eingestuft. Dies dürfte damit zu begründen sein, dass der Zahntechniker in der Regel als „Geber“ auftritt. § 299 b des Strafgesetzbuches ist sodann als sogenanntes „Jedermannsdelikt“ ausgestaltet mit der Folge, dass jede natürlich Person Täter sein kann.

Im Zuge der voranschreitenden europäischen Harmonisierung der gegenseitigen Anerkennung heilberuflicher Abschlüsse ist insoweit darauf hinzuweisen, dass auch der außerhalb der Bundesrepublik erworbene (zahn-)medizinische Abschluss den in der Bundesrepublik tätigen Zahnarzt als tauglichen Täter des § 299 a des Strafgesetzbuches erscheinen lässt.

Vorteilsbezogene Tathandlungen

Die § § 299 a und 299 b des Strafgesetzbuches stellen sogenannte vorteilsbezogene Tathandlungen unter Strafe – dabei werden generell drei „Ebenen“ unterschieden:

  1. die Anbahnungsebene („Fordern bzw. Anbieten von Vorteilen“)
  2. die Vereinbarungsebene („Sich-Versprechen-Lassen bzw. Versprechen von Vorteilen“)
  3. die Leistungsebene („Annehmen bzw. Gewähren von Vorteilen“).

Maßgeblich für eine taugliche Tathandlung ist demnach zunächst der Begriff des Vorteils. Allgemein wird unter Vorteil, in Anlehnung an die insoweit gefestigte Rechtsprechung zu den bisherigen Korruptionsdelikten, jede Leistung verstanden, auf die der Betroffene keinen Anspruch hat und die seine wirtschaftliche, rechtliche oder auch nur persönliche Lage objektiv verbessert [3]. Hiernach ist es unbeachtlich, ob es sich um materielle oder immaterielle Vorteile handelt.

Beispielhaft als Vorteile sind hier z.B. aufzuzählen:

  • Einladungen zu Kongressen mit Kostenübernahme
  • Ãœbernahme der Kosten für Fortbildungsveranstaltungen
  • Einräumung von Vermögens- oder Gewinnbeteiligungen
  • Gewähren von Darlehen/Rabatten/Provisionsansprüchen
  • Finanzieren von „Wartezimmer TV“
  • Finanzieren von Praxisbedarf
  • Verschaffung von Auszeichnungen/Ehrenämtern
  • Unentgeltliche oder verbilligte Ãœberlassung von Geräten

  • Der Patient muss den Entscheidungen seines Arztes voll vertrauen können – gute Leistungen im Gesundheitswesen dürfen nicht durch eine Vorteilsgewährung erkauft werden.

  • Der Patient muss den Entscheidungen seines Arztes voll vertrauen können – gute Leistungen im Gesundheitswesen dürfen nicht durch eine Vorteilsgewährung erkauft werden.
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Unerheblich ist dabei, ob der Vorteil dem Fordernden unmittelbar selbst zugutekommt oder ob ein potenzieller Dritter, zu dem der Fordernde in einem Näheverhältnis steht, profitiert. Diese sogenannten Drittvorteile entstehen z.B., wenn beim exklusiven Bezug von Zahnersatz von einem gewerblichen Dentallabor der beziehende Zahnarzt als Gesellschafter des Labors zunächst unmittelbar den Gewinn der Gesellschaft und damit schließlich – mittelbar – seinen eigenen Gewinnanteil steigern kann. Der Patient soll, ausgehend von der Schutzrichtung des Gesetzes, nicht Dritter sein können – demnach soll eine Zuwendung, die nur ihm ausschließlich zugutekommt, den Tatbestand nicht verwirklichen [4]. Dies findet sich auch in der Gesetzesbegründung wieder [5]. Allerdings wird in der Praxis genau zu prüfen sein, ob der Vorteil tatsächlich einzig und allein dem Patienten zukommt oder ob nicht doch ein Vorteil z.B. in Form von ersparten Aufwendungen für den (Zahn-)Arzt gegeben ist, der ihm durch den Zahntechniker gewährt wird.

Zu beachten ist ferner insbesondere, dass eine konkrete Geringwertigkeits- oder Bagatellgrenze für den materiellen Vorteil nicht geregelt ist. Bereits an diesem Punkt ist jedoch hervorzuheben, dass nicht jede Annahme bzw. jedes Fordern eines Vorteils (oder eine entsprechende Handlung nach den oben bezeichneten Stufen) zu einer potenziellen Strafbarkeit führt. Strafbar wird das Verhalten dann, wenn der Vorteil als Gegenleistung dafür gewährt bzw. gefordert wird, dass ein anderer im inländischen oder ausländischen Wettbewerb in unlauterer Weise bevorzugt wird.

Die Unrechtsvereinbarung

Diese Verbindung zwischen Vorteil und unlauterer Bevorzugung wird als Kernstück des Tatbestandes, als sogenannte Unrechtsvereinbarung, bezeichnet. Die Unrechtsvereinbarung gibt dem Korruptionsdelikt sein Gepräge und verdeutlicht die Notwendigkeit der Regelung: Nicht eine wirtschaftliche Betätigung wird per se unter Strafe gestellt, sondern eine Tätigkeit, die sich gegen die marktüblichen Regeln stellt und jedenfalls potenziell geeignet ist, die Konkurrenten im Wettbewerb zu benachteiligen oder den Interessen der Patienten zuwider zu laufen.

Eine solche Unrechtsvereinbarung soll z.B. per se nicht vorliegen, wenn der gewährte Vorteil sich im Bereich des „Sozialadäquaten“ bewegt [6]. Wie dargestellt, ist eine feste Eurobetragsgrenze insoweit nicht geregelt. Das Strafgesetzbuch nennt in Zusammenhang mit Diebstahls- und Betrugsdelikten den Begriff der Geringwertigkeit mehrmals, ohne ihn zu definieren. Die Rechtsprechung hat insoweit Werte von 25 € [7] bis 50 € [8] als geringwertig anerkannt. Eine absolut betragsmäßige Betrachtung dürfte sich in dem hier interessierenden Zusammenhang verbieten, da z.B. bei fortlaufenden Zahlungen eine Summierung stattfinden kann. Klassische Werbegeschenke im Wert von wenigen Euro dürften sich als (strafrechtlich) [9] unproblematisch darstellen. Die unentgeltliche Draufgabe von medizinischen Gerätschaften oder jedenfalls nicht geringwertigem Bürobedarf wie Druckern, Faxgeräten oder entsprechendem Zubehör dürfte die Grenze des „Sozialadäquaten“ übersteigen.

Die Unrechtsvereinbarung als „Kern des Straftatbestandes“ kann ihren tatsächlichen Anknüpfungspunkt nach der Vorstellung des Gesetzgebers an folgenden Handlungen des potenziellen „Nehmers“ haben:

  1. bei der Verordnung von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten
  2. bei dem Bezug von Arznei- oder Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten, die jeweils zur unmittelbaren Anwendung durch den Heilberufsangehörigen oder einen seiner Berufshelfer bestimmt sind, oder
  3. bei der Zuführung von Patienten oder Untersuchungsmaterial.

Dabei meint der Begriff der „Verordnung“ die Verschreibung von Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln und Medizinprodukten zugunsten von Patienten [10]. Die „Zuführung von Patienten“ soll sich an der sozialrechtlichen Definition der „Zuweisung“ gem. § 73 Absatz 7 SGB V orientieren. Zu verstehen sei darunter jede Einwirkung auf den Patienten mit der Absicht, dessen Auswahl eines Arztes oder eines anderen Leistungserbringers zu beeinflussen. Überweisungen und Empfehlungen sollen davon erfasst sein [11]. Unter Bezugnahme auf die Definition des § 73 Absatz 7 SGB V soll demnach auch keine „Zuweisung eines Patienten“ an ein Labor vorliegen, wenn der Zahnarzt ein Labor mit der Fertigung von Zahnersatz beauftragt [12]. Betrachtet man die jeweiligen (zivil-)rechtlichen Vertragsverhältnisse Patient – Zahnarzt – Zahnlabor, so mag die vorgenannte Auslegung angesichts der Schutzrichtung der Korruptionstatbestände zwar kritisch gesehen werden, dürfte aber letztlich hinzunehmen sein. Während zwischen Patient und Zahnarzt ein Behandlungsvertrag einerseits besteht, schließt der Zahnarzt mit dem Zahnlabor andererseits einen eigenständigen Werkvertrag über den im Zahnlabor zu fertigenden Zahnersatz. Gegenüber dem Patienten trifft schließlich den Zahnarzt die Gewährübernahme für einen mangelfreien Zahnersatz. Der Zahnarzt wählt das Zahnlabor in der Regel unabhängig vom Wunsch des Patienten aus – die Trennung der Vertragsverhältnisse führt schließlich dazu, dass der Patient dem Zahnlabor – rechtlich betrachtet – nicht zugewiesen werden kann.

Demnach ist im Verhältnis zwischen Zahntechniker und Zahnarzt vor allem die Variante des „Bezuges von Medizinprodukten“ relevant. Kronen, Brückenglieder und Implantate sind als Sonderanfertigungen Medizinprodukte gem. § 3 Nr. 8 des Gesetzes über Medizinprodukte. Bezug meint jede Handlung, die auf ein entgeltliches oder unentgeltliches Erwerben der Produkte bezogen ist, wie z.B. das Bestellen, die Abnahme und das Bezahlen [13]. Das Medizinprodukt ist nach dieser Variante des § 299 a Nr. 2 des Strafgesetzbuches ohne Verordnung unmittelbar durch den Heilberufsangehörigen oder seine Helfer am Patienten anzuwenden. Dies ist bei Zahnersatz gerade der Fall.

Unlauterkeit im Wettbewerb

Die Bevorzugung bei dem entsprechenden Bezug wird schließlich dann strafbar, wenn sie sich als „unlauter im Wettbewerb“ darstellt. Eine Bevorzugung liegt vor, wenn der Vorteilsnehmer einen anderen, meist den Vorteilsgeber, in den Genuss eines Wettbewerbsvorteils bringt. Unlauter ist die Bevorzugung, wenn sie geeignet ist, Mitbewerber durch die Umgehung der Regelungen des Wettbewerbs und durch Ausschaltung der Konkurrenz zu schädigen [14]. Demnach kommt den Markverhaltensnormen (Heilmittelwerberecht, Sozialgesetzbuch, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, berufsrechtliche Vorgaben) eine wichtige Bedeutung zu. Ihre Regelungen sind stets zu beachten – zum anderen gilt es jedoch auch stets festzustellen, ob ein im Sinne dieser Vorschriften legitimes Verhalten nicht tatsächlich dazu dient, absolut unerwünschte Verhaltensweisen (Kick-Back-Zahlungen, verschleierte Umsatzbeteiligungen) zu verdecken. Ist der Grund für die Auswahl eines Labors durch den Zahnarzt demnach allein die Vorteilsgewährung – mithin in rechtlichen Kategorien ein sachwidriger Grund –, so liegt Unlauterkeit vor. Die Schwelle der „Sittenwidrigkeit“ – mithin die „Verletzung des Anstandsgefühls aller billig und gerecht Denkenden“ – braucht nicht überschritten zu werden. Zu beachten ist schließlich auch, dass eine etwaige (behauptete) Monopolstellung eines Anbieters nicht zwangsläufig dazu führt, dass kein „tauglicher“ Wettbewerb vorliegt. Zum einen dürfen an das Vorliegen eines Wettbewerbs nicht allzu strenge Maßstäbe angelegt werden, d.h., die Grenzziehung dahingehend, wo ein vergleichbares Produkt bezogen werden könnte, ist allein schon durch den gesetzgeberischen Willen des Einbezugs auch des „ausländischen Wettbewerbs“ eher weit zu verstehen. Jedoch selbst für den Fall, dass ein Produkt tatsächlich exklusiv nur bei einem einzigen Anbieter verfügbar wäre, käme dem Gewähren von etwaigen Vorteilen durch diesen Anbieter insoweit eine strafrechtliche Bedeutung zu, falls durch sie die Entstehung einer Wettbewerbslage gerade verhindert werden sollte. Dient also die Vorteilsgewährung schließlich dazu, eine Markt(-exklusive) Stellung langfristig abzusichern, ist auch sie geeignet, ein strafrechtlich relevantes Risiko auszulösen.

Nach der Darlegung der Anknüpfungspunkte für eine Strafbarkeit nach den § § 299 a und b des Strafgesetzbuches stellt sich nunmehr die Frage, wie sich die entsprechenden „strafrechtlichen Risiken“ in der alltäglichen Arbeitswelt der potentiellen Nehmer und Geber abbilden; d.h., unter welchen Voraussetzungen werden die Strafverfolgungsbehörden tätig, wie gestaltet sich ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren und welche Folgen kann ein solches Ermittlungsverfahren am Ende für die Betroffenen haben?

Staatsanwaltliche Ermittlungsansätze

Die Staatsanwaltschaft ist als Behörde berechtigt und verpflichtet, verfolgbare Straftaten aufzuklären. Rechtsgrundlage für diese hoheitlichen Maßnahmen stellen zahlreiche Normen in der Strafprozessordnung dar. Nach der für die Staatsanwaltschaft insoweit vom Gesetzgeber als „Hauptaufgabe“ definierten Rolle heißt es in § 152 Absatz 2 der Strafprozessordnung: „Die Staatsanwaltschaft ist verpflichtet, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, wegen aller verfolgbaren Straftaten einzuschreiten, sofern zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen.“

  • Finanzieller Vorteil ade – das Antikorruptionsgesetz soll für einen fairen Wettbewerb sorgen.

  • Finanzieller Vorteil ade – das Antikorruptionsgesetz soll für einen fairen Wettbewerb sorgen.
    © Butch/Fotolia.com
Diese Verpflichtung wird als sogenanntes „Legalitätsprinzip“ bezeichnet. Gleichzeitig beschreibt das „Vorliegen zureichender tatsächlicher Anhaltspunkte“ den sogenannten „Anfangsverdacht“. Dieser Verdacht verpflichtet die Strafverfolgungsbehörden zur Aufnahme von Ermittlungen. Bei der Bewertung, ob zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, die die Annahme einer Straftat möglich erscheinen lassen, kommt der Staatsanwaltschaft kein Ermessen zu. Vielmehr ist im Rahmen eines Beurteilungsspielraumes basierend auf kriminalistischen Erfahrungswerten und offenkundigen Tatsachen zu entscheiden, ob ein Sachverhalt vorliegt, der über bloße Vermutungen hinausgeht – denn diese reichen nicht aus, um das Vorliegen eines Anfangsverdachtes zu begründen. Die Entscheidungsgrundlage für diese Beurteilung kann freilich auf unterschiedliche Art und Weise an die Strafverfolgungsbehörden herangetragen werden. Aufgrund der hochspeziellen Materie der hier interessierenden Sachverhalte wird die Vielzahl der Anzeigenerstatter aus dem mehr oder weniger unmittelbaren Umfeld der potenziellen Nehmer und Geber stammen. Dies kann zum einen ein Mitbewerber sein, welcher die Gewährung eines Vorteils ablehnte und bei der Bezugsentscheidung schließlich nicht berücksichtigt wurde; dies kann ferner ein Mitarbeiter sein, welcher sich nach Ende des Arbeitsverhältnisses dazu veranlasst sieht, von ihm wahrgenommene Geschäftspraktiken mitzuteilen, oder schließlich aus dem höchstpersönlichen Umfeld der Betroffenen stammende Personen. Die Beurteilung, wann zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für die Begehung einer verfolgbaren Straftat vorliegen, kann sich demnach durchaus schwierig erweisen. Dies gilt umso mehr, als dass zahlreiche Strafanzeigen anonym erstattet werden und sich die Kommunikation mit dem anonymen Anzeigenerstatter kompliziert darstellt. Grundsätzlich gilt jedoch, dass einer anonymen Strafanzeige nicht per se ein geringer Wert an Glaubhaftigkeit zukommen darf als einer Strafanzeige durch eine namentlich bekannte Person. Vielmehr kommt es auf die Darlegung, ggf. unter Beifügung von entsprechenden Unterlagen, des Sachverhaltes an. Einige anonyme Anzeigenerstatter wählen auch den Weg über einen anonymisierten E-Mail-Account; dies ermöglicht sodann jedenfalls die Möglichkeit der Rückfrage.

Neben den genannten Personen kommen jedoch auch institutionalisierte Anzeigenerstatter – vor allem gesetzliche Krankenkassen und kassen(zahn)ärztliche Vereinigungen – in Betracht. Nach den entsprechenden Vorschriften der § 197 a Absatz 4 SGB V (für die KVen) bzw. § 81 a Absatz 4 SGB V (für die KZVen) sollen die entsprechenden „Fehlverhaltensbekämpfungsstellen“ der Institutionen die Staatsanwaltschaft unterrichten, wenn die Prüfung eines Sachverhaltes ergeben hat, dass ein Anfangsverdacht auf strafbare Handlung mit nicht nur geringfügiger Bedeutung für die gesetzliche Krankenversicherung bestehen könnte. Wenngleich der „klassische Abrechnungsbetrug“ durch Leistungserbringer die meisten Meldungen nach §§ 81 a, 197 a SGB V auslöst, sind vom Anwendungsbereich freilich auch korruptive Sachverhalte erfasst.

Bestätigt sich für die Strafverfolgungsbehörden ein Anfangsverdacht, so stehen zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes verschiedene Maßnahmen zur Verfügung. Wie diese aussehen, welche Sanktionen in Form von Geld- und Freiheitsstrafen zur Anwendung kommen können und v.a. welche Dentallaborkonstruktionen welche möglichen Strafverfolgungsrisiken bergen, erfahren Sie im 2. Teil dieses Beitrags in der Novemberausgabe des Zahntechnik Magazins.


Die Zentralstelle zur Bekämpfung von Vermögensstraftaten und Korruption im Gesundheitswesen ist wie folgt zu erreichen:

Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt
– Abteilung VII/ZBVKG –
Zeil 42
60313 Frankfurt/Main
zbvkg(at)gsta.justiz.hessen.de

Näheres zum Autor des Fachbeitrages: Christian Konrad Hartwig



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