Gesucht und fündig geworden

CAD/CAM, Zirkoniumdioxid, Hochleistungspolymere – die prothetische Zahnmedizin ist heutzutage auf einem hohen Niveau. Viele Materialien und Konzepte sind praxisreif und haben sich bewährt. Behandlungsteams können Patienten ästhetische Restaurationen aus hochwertigen Materialien anbieten. Oft jedoch ist die Herstellung kostenintensiv und verlangt entweder eine hohe Investition oder das Einbeziehen eines externen Dienstleisters. Dieser Artikel beschreibt ein Konzept beziehungsweise ein Material, das vier Dinge vereint: metallfrei, sehr gute physikalische Eigenschaften, kostengünstig, gängiger Herstellungsprozess. Dargestellt wird das Vorgehen mit BioHPP (High Performance Polymer) – einer neue Werkstoffklasse.
Hohe Goldpreis, externe Fräszentren, die Zirkoniumdioxid-Gerüste als Auftragsarbeit fertigen, Titanlegierungen, die sich nur mit teuren CAD/CAM-Maschinen fertigen lassen: Für ein „normales“ Dentallabor wird es immer schwieriger, den Anforderungen der modernen Zahnmedizin auch unter betriebswirtschaftlichen Aspekten gerecht zu werden. Der Zahnmediziner wiederum möchte seinen Patienten moderne und hochwertige Materialien für prothetische Restaurationen anbieten können. Bei vielen Patienten werden durch die Möglichkeiten der modernen Zahnmedizin Begehrlichkeiten geweckt; die Enttäuschung ist groß, wenn sie von der kostenintensiven Umsetzung einer solchen Versorgung hören. Wir als Behandlungsteam waren lange auf der Suche nach einer praxisgerechten Alternative und haben diese für uns gefunden. Wir konnten dank einer neuen Werkstoffklasse (BioHPP, bredent) das Spannungsfeld zwischen moderner prothetischer Zahnmedizin, innovativem Material und wirtschaftlicher Fertigung verlassen.
Vor allem bei Sekundärstrukturen in der Kombinationsprothetik haben wir mit herkömmlichen Materialien häufig werkstoffbedingte Misserfolge in Kauf nehmen müssen: Beispielsweise ist Galvanogold zu weich und verursacht einen Abrieb (teilweise bereits nach wenigen Wochen) und damit den Verlust der Haltekraft. Eine Sekundärstruktur aus NEM (Nichtedelmetall) ermöglicht keine tatsächliche Friktion, sondern bewirkt bestenfalls eine Klemmwirkung. Außerdem ist auch hier Abrieb zu beobachten. Für uns als Behandlungsteam waren diese frühzeitigen Abnutzungsspuren auf Dauer nicht mehr zu akzeptieren.
Eine neue Werkstoffklasse
Ein seit Langem in der Industrie sowie der Humanmedizin bewährter thermoplastischer Kunststoff wurde vor einigen Jahren für die Zahnmedizin entdeckt: Polyether-Ether-Keton (PEEK). Der teilkristalline Hochleistungskunststoff weist eine Kombination aus sehr guten mechanischen Eigenschaften, hoher Temperaturbeständigkeit und ausgezeichneter chemischer Beständigkeit auf. An dem Material wurde intensiv entwickelt, um es den zahnmedizinischen und den fertigungstechnischen Anforderungen gerecht werden zu lassen (BioHPP). Unter anderem die hervorragenden physikalischen Eigenschaften lassen das Material BioHPP heutzutage als Gerüstmaterial für prothetische Restaurationen im Mund zu. Das in der Zahnmedizin noch relativ neue Material hat unserer Meinung nach ein hohes Zukunftspotential. Der Einsatzbereich ist vielseitig; ob Brückengerüste, vollanatomische Restaurationen (Seitenzahnbereich), Sekundärstrukturen (Teleskope, Stege), alle diese prothetischen Indikationen können gelöst werden. Wir haben insbesondere nach einem alternativen Vorgehen zu Sekundärstrukturen aus Nichtedelmetall gesucht. Die aufwändige Verarbeitungstechnik und die nicht immer optimale Präzision ließen uns mehr und mehr Abstand von Sekundärteilen aus NEM nehmen. Eine CAD/CAM-gestützte Fertigung ist zwar ein probater Weg, doch auch sehr kostspielig. Labore, die kein eigenes CAD/CAM-Gerät haben, sind auf externe Dienstleister angewiesen. Allerdings sollten Arbeitskonzepte neben den zahnmedizinischen Ansprüchen auch den ökonomischen Kriterien gerecht werden und dem Labor die Möglichkeit bieten, eine marktgerechte Wertschöpfung zu erzielen.
Die Lösung scheint mit dem Material BioHPP gefunden zu sein; es bietet sich ein neuer Indikationsbereich für herausnehmbare prothetische Versorgung. Der Werkstoff PEEK überzeugt unter anderem mit einer langen Geschichte in der Medizintechnik. Die hervorragenden physikalischen und chemischen Eigenschaften erklären sich durch den Aufbau des Polymers aus Molekülen, die fest miteinander vernetzt sind. Bedingt durch den hohen Schmelzpunkt (jenseits von 280 °C) kann es mit Heißsterilisationsverfahren behandelt werden. Die gute Biegefestigkeit und der hohe Elastizitätsmodel verhindern das Brechen des Materials und geben ihm eine knochenähnliche Konsistenz. Wir verwenden das BioHPP unter anderem für die Sekundärstrukturen bei steggetragenen Prothesen. Anhand des folgenden Patientenfalles wird das Vorgehen demonstriert.
Das Material BioHPP ist ein pigmentierter, semikristalliner Thermoplast. Der Basiswerkstoff ist Polyether-Ether-Keton (PEEK), der als verblendfähiges Gerüstmaterial entwickelt wurde. Bei der Verarbeitung werden die guten Werkstoffeigenschaften nicht beeinträchtigt.
Patientenfall
Der Patient konsultierte uns ohne eine prothetische Versorgung im zahnlosen Unterkiefer. Nach einem kurativ behandelten oralen Karzinom (Chemotherapie, Bestrahlung et cetera) wünschte er sich nun die adäquate Versorgung des Unterkiefers. Für den zahnlosen Unterkiefer gibt es diverse Therapiekonzepte – Kugelkopfattachments, Stegkonstruktionen bis hin zum festsitzenden Zahnersatz. In diesem Fall ließen die Xerostomie (Mundtrockenheit) – ausgelöst durch die Radiatio –, der atrophe Unterkiefer sowie die Morbidität des Patienten weder eine festsitzende High-End-Versorgung noch eine klassische Deckprothese zu.
Nach der Analyse der Ausgangssituation und einer interdisziplinären Beratung fiel die Entscheidung für eine implantatgetragene, stegretinierte Restauration. Aus zahnmedizinischer Sicht wird die auf vier Implantaten verankerte Deckprothese im zahnlosen Unterkiefer als Standardversorgung angesehen. Die Restauration ist gut hygienefähig sowie langzeitstabil. Aus prothetischer Sicht haben wir mit folgender Konstruktionsvariante gute Erfahrungen:
- Primärstruktur = Steg aus Nichtedelmetall (NEM)
- Sekundärstruktur = Reiter aus Hochleistungspolymer BioHPP, bredent
- Verblendung = Kunststoffzähne (visio.lign, bredent)
Überzeugend sind die erstklassigen „Laufeigenschaften“ des Hochleistungspolymers BioHPP als Sekundärteil auf dem NEM-Steg (Primärteil). Die Laufeigenschaften sind vergleichbar mit einer Überkonstruktion aus Gold, allerdings mit einer klinisch nur minimalen Abrasion. Kohäsions- und Adhäsionskräfte geben dem Sekundärteil aus BioHPP den notwendigen (dauerhaften) Halt.
Primärstruktur – NEM
Die Insertion von vier Implantaten (Dentegris SL-Implantat 3,75 x 13 mm) im Unterkiefer verlief problemlos. Der Patient wurde während der Einheilphase mit einer Interimsprothese versorgt. Nach fünf Monaten Einheilzeit erfolgte die Freilegung der osseointegrierten Implantate, die Situation wurde abgeformt und das Implantatmodell hergestellt. Im gewohnten Vorgehen fertigten wir den Primärsteg. Nach wie vor arbeiten wir im konventionellen Gussverfahren. Mit einem durchdachten und präzisen Arbeitsablauf ist das so häufig als obsolet bezeichnete Gießen von NEM unserer Meinung nach ein sicheres und effizientes Vorgehen. Als Ergebnis erhalten wir spannungsfreie Gerüste und generieren die Wertschöpfung im Labor.
Die Modellation des Steges erfolgte auf Grundlage des Wax-up (Set-up). Bereits bei der Modellation wurden Aspekte wie Hygienefähigkeit und Statik berücksichtigt. Letztlich wurden im dorsalen Bereich des Steges beidseitig Patritzen platziert und die Modellation vor dem Einbetten nochmals überprüft. Um ein hochwertiges Gussergebnis zu erzielen, bedienten wir uns beim Anstiften der bewährten Parameter, die konsequent umgesetzt wurden. Es folgten das Einbetten und Gießen. Nach dem Ausbetten wurde der Steg ausgearbeitet, im Fräsgerät parallelisiert (1°) und hochglanzpoliert. Der Sheffield-Test präsentierte den spannungsfreien Sitz des Steges.
Sekundärstruktur – BioHPP
Mit Kunststoff sowie mit Wachs wurde die Sekundärstruktur (Reiter) modelliert. Das Schöne an dem Material BioHPP ist, dass die gewohnten Herstellungsprozesse nicht verändert werden müssen. Zudem ermöglicht die geringe Mindestgerüststärke auch bei geringem Platzangebot eine ästhetische Überkonstruktion. Für die Umsetzung der modellierten Struktur in BioHPP wird das „for 2 press-System“ (Abb. 1) angeboten. Zum System gehören neben dem Material ein Muffelteller mit Silikonring, die Einbettmasse, der Einwegpresstempel sowie das pneumatische Vakuumdruckgussgerät.
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Abb. 2: Die Muffel sowie der Pressstempel im Vorwärmofen.
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Abb. 3: Nach der entsprechenden Vorwärmzeit wurde das BioHPP in den Schmelzkanal gefüllt und die bestückte Muffel erneut auf Temperatur gebracht.
Nach der Modellation des Sekundärteils wurde die Wachsstruktur angestiftet. Wachsdrähte in einer Stärke von 2,5 mm führten vom Objekt zum Querbalken (3,5 mm). Achtung: Scharfkantige Übergänge beim Anstiften sind schlecht für das Ergebnis und sollten vermieden werden. Zur Befestigung auf dem Muffelträger dienten Wachsdrähte in einer Stärke von 4 mm. Um ein gutes Pressergebnis zu sichern, wurde das Objekt etwa 6 mm entfernt vom Silikonring und außerhalb des Hitzezentrums platziert. Das Einbetten erfolgte gemäß den Herstellerangaben. Etwa 20 Minuten nach dem Einbetten wurden die Muffel und der Presstempel (Einwegpressstempel) in den Vorwärmofen gebracht, auf eine Temperatur von 630° C (Aufheizrate entsprechend Herstellerangaben) erhitzt und für die empfohlene Haltezeit im Ofen belassen (Abb. 2). Nun musste die Temperatur auf eine Presstemperatur von 400 °C reduziert werden. Die Absenkgeschwindigkeit im Vorwärmofen beträgt 3 °C pro Minute. Es ist sinnvoll, die Muffel über Nacht vorzuwärmen, da sich die Abkühlphase auf 400 °C doch etwas länger hinzieht.
Nachdem im Schmelzkanal der Muffel eine Temperatur von etwa 400 °C erreicht war, konnte das BioHPP eingefüllt (Abb. 3) und die Muffel für weitere 20 Minuten auf Temperatur gehalten werden. Nun mussten lediglich der Pressstempel aufgebracht und die fertig bestückte Muffel im Vakuumdruckgussgerät positioniert werden (Abb. 4). Durch das Verschließen der Presskammer startete automatisch der Vakuumdruck-Vorgang (Abb. 5). Das Ausbetten erfolgte im konventionellen Vorgehen: Einbettmasse grob entfernen und Abstrahlen des Objektes mit einem Aluminiumoxid. Die Presskanäle wurden mit einer Trennscheibe abgetrennt und die Sekundärstruktur vorsichtig auf den Primärsteg aufgepasst. Zum Bearbeiten des Materials eignen sich feinverzahnte Hartmetallfräser.
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Abb. 4 und 5: Etwa 20 Minuten später konnten der Pressstempel eingebracht, die Muffel im Vakuumdruckgussgerät adaptiert und der Pressvorgang gestartet werden.
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Abb. 6 bis 8: Der Primärsteg aus NEM („Passive fit“) und der Sekundärreiter aus BioHPP. Die hervorragenden Gleiteigenschaften dieser Materialkombination prädestinieren derartige Kombinationsprothesen. Die Fertigstellung erfolgte im konventionellen Vorgehen.
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Abb. 9: Die fertige Arbeit. Die Geschiebe (Kunststoff) im dorsalen Bereich des Steges genehmigen gegebenenfalls die Aktivierung beziehungsweise können ausgetauscht werden. Damit ist ein langlebig fester Halt der Prothese auf dem Steg sichergestellt.
Nicht nur die im CAD/CAM-gestützt gefertigten Verfahren hergestellten Strukturen „fallen quasi wie von selbst“ auf das Modell beziehungsweise wie in unserem Fall auf den Primärsteg. Auch unser in BioHPP gepresstes Sekundärteil bedurfte kaum der Nacharbeit und präsentierte sich mit einer ausgezeichneten Passung sowie einer gutgängigen Friktion (Abb. 6 bis 8).
Es sind genau diese optimalen Gleiteigenschaften, die das Material für uns zum neuen „Goldstandard“ werden lassen. Die im dorsalen Bereich des Primärsteges modellierten Patrizen wurden jeweils mit dem Gegenstück, der Matrize, versehen und diese zusätzliche Retentionselemente in das Sekundärteil (BioHPP) eingeklebt. Bei Bedarf können diese im Laufe der Zeit aktiviert beziehungsweise ausgetauscht werden.
Fertigstellung und Einsetzen
Die Fertigstellung der steggetragenen Prothese unterscheidet sich nicht vom konventionellen Vorgehen. Auf das Gerüst wurde ein Haftvermittler (visio.link, bredent) aufgebracht und die Prothese entsprechend des Set-up mit dem visio.lign-Konzept (Verblendschalen aus einem Hochleistungspolymer) fertiggestellt (Abb. 9). Nach einer nochmaligen Passungskontrolle auf dem Modell sowie im Mund wurde der spannungsfrei sitzende Steg („Passive fit“) auf die Implantate geschraubt und die Unterkieferprothese im Mund adaptiert.
Bereits nach dem ersten Einsetzen zeigte sich der Patient begeistert. Sowohl die ästhetischen als auch die funktionellen Aspekte entsprachen seinen Anforderungen. Er hatte erstmals seit Jahren das Gefühl eines „festen“ Zahnersatzes. Das Ein- und Ausgliedern ist dank der Friktion beziehungsweise der guten Laufeigenschaften des BioHPP-Sekundärteils auf dem Steg problemlos möglich. Auf effizientem Weg konnte mit der beschriebenen Materialkombination eine Versorgung des zahnlosen Unterkiefers realisiert werden, die dem Anspruch des Patienten gerecht wurde. Das Labor konnte die komplette Arbeit in eigener Regie fertigen und somit die Wertschöpfung im Haus behalten.
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Abb. 11 und 12: Nach einer letztmaligen Passungskontrolle wurde der Steg („Passive fit“) auf die vier Implantate geschraubt und die Prothese konnte eingegliedert werden.
BioHPP als Gerüstwerkstoff:
- Anfertigung von Restaurationen mit geringem spezifischem Gewicht
- knochenähnliche Elastizität
- stoßdämpfende Wirkung
- metallfreie Restaurationen
- geringe Materialermüdung
- keine zähelastischen Brüche
- hohe Biokompatibilität
- geringe Plaqueanlagerung
- keine Korrosion
Fazit
Der Patient wurde mit der implantatprothetischen Rekonstruktion – Primärsteg aus NEM, Sekundärteil aus BioHPP – adäquat rehabilitiert. Die Versorgung erfüllte alle Anforderungen: osseointegrierte Implantate, spannungsfreies Primär-Gerüst, keine Mobilität der Prothese im Mund, patientengerechtes Ein- und Ausgliedern, gute Hygienefähigkeit, Plaqueresistenz, Farbbeständigkeit, geringes Gewicht.
Dank dem Materials BioHPP haben wir die Alternative gefunden, die wir für den normalen Praxis- und Laboralltag gesucht haben.