Die Unternehmensnachfolge: Wie ermittle ich den Wert meines Dentallabors?

Der demografische Wandel hat den Mittelstand längst erreicht. Über 1,3 Millionen Inhaber mittelständischer Unternehmer sind bereits 55 Jahre oder älter. Davon betroffen ist natürlich auch das Zahntechniker-Handwerk in Deutschland. Jeder verantwortliche Unternehmer wird sich spätestens ab einem Lebensalter von ca. 55 Jahren auf eine Nachfolgeregelung vorbereiten müssen. Denn es zeigt sich immer wieder: eine gut vorbereitete Nachfolgeregelung erhöht die Chance, einen akzeptablen Verkaufspreis zu erzielen und den Fortbestand des Unternehmens zu sichern. Dipl.-Betriebswirt Werner Weidhüner erläutert im folgenden Beitrag anhand einer Beispielrechnung, wie der Wert eines Dentallabors ermittelt wird.
Das KfW-Mittelstandspanel (www.kfw.de) zeigt: bis zum Jahr 2017 planen rund 580.000 Inhaber mittelständischer Unternehmen eine Übergabe oder den Verkauf ihres Unternehmens. Rund 4 Millionen Erwerbstätige sind aktuell in diesen Unternehmen beschäftigt. Die demografische Entwicklung wirkt sich bereits lange vor einer anstehenden Nachfolge aus, denn die Investitions- und Innovationsneigung sinkt tendenziell mit dem Inhaberalter. Familieninterne Nachfolgen erweisen sich dabei als förderlich für Investitionen.
Die Vorbereitungsphase
Für die Unternehmensnachfolge sollte der Dentallabor- Inhaber idealerweise zunächst einen oder mehrere geeignet erscheinende Mitarbeiter oder Mitarbeiterinnen (gegebenenfalls auch aus der eigenen Familie) gedanklich bestimmen, um sie dann hinsichtlich fachlicher und unternehmerischer Eignung genauer zu beobachten. Anschließend müssen Gespräche geführt werden, in denen diese Mitarbeiter oder Familienmitglieder in die Gedanken und Pläne des Unternehmers einbezogen werden.
Hier ist dann die erste Auslese zu erwarten: nicht jeder Mitarbeiter oder nicht jedes Familienmitglied will (auch bei scheinbarer Eignung) unternehmerische Verantwortung übernehmen. Für die Entscheidungsfindung zur Nachfolge aus den eigenen Reihen sollte man sich daher einen Zeitrahmen von 2 bis 3 Jahren setzen. Ist dann die Entscheidung für einen bestimmten Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin gefallen, muss er/sie langsam und kontinuierlich mit den zukünftigen Aufgaben vertraut gemacht werden. Dazu gehört insbesondere die Einbeziehung in nahezu jeden Entscheidungsfindungsprozess.
Lässt sich niemand aus den eigenen Reihen finden, muss der Verkauf (Übertragung von GmbH-Anteilen) an außenstehende Dritte in Betracht gezogen werden. Das können befreundete Unternehmen, Laborgruppen oder Fremde sein. Nachdem potenzielle Käufer identifiziert worden sind, versucht man, vertraulichen telefonischen Kontakt mit dem jeweiligen Geschäftsführer (Inhaber) herzustellen, um seine Verkaufsabsicht zu artikulieren. Bei grundsätzlichem Interesse wird ein persönlicher Gesprächstermin – vorzugsweise im eigenen Labor – vereinbart, sodass sich der Interessent ein erstes Bild machen kann.
Wichtig: Zu diesem Zeitpunkt wird noch nicht über einen Verkaufspreis gesprochen, sondern lediglich über Umsatzzahlen, die Anzahl der Mitarbeiter und letzter Jahresgewinn – also nur über Daten, die sich der Interessent über eine Auskunft (Bundesanzeiger [www.bundesanzeiger.de], Wirtschaftsauskunftei oder ähnliches) ohnehin beschaffen kann.
Bekunden ein oder mehrere Interessenten eine ernsthafte Kaufabsicht, formuliert man dann einen sogenannten „Letter of Intend“, in dem beide Seiten ihre Kauf- bzw. Verkaufsabsicht schriftlich – aber unverbindlich – darlegen. Gleichzeitig wird hier eine Vertraulichkeitserklärung mit eingebunden. Kommt ein Kauf nicht zustande, können aus dem Letter of Intend keine Ansprüche hergeleitet werden. Bei der Suche und Auswahl der Interessenten muss in der Regel ein Zeitraum von etwa 24 Monaten eingeplant werden.
Die Umsetzungsphase
Ist der Letter of Intend von beiden Seiten unterzeichnet worden, beginnt die Umsetzungsphase. Für diese sind zwei Punkte zwingend notwendig:
- Ein Vertragsentwurf für den Geschäftsanteilskaufund Übertragungsvertrag (bei Kapitalgesellschaften), damit jeder Gesprächspartner weiß, was er kaufen wird und
- eine Unternehmensbewertung, damit jeder Gesprächspartner weiß, über welchen Geldbetrag gesprochen (und verhandelt) wird.
Folgende Punkte gehören zu einer Unternehmensbewertung:
- Ein Bewertungsverfahren,
- die Entwicklung des Unternehmens in den vergangenen 5 Jahren,
- eine Prognose der Geschäftsentwicklung für die kommenden 5 Jahre,
- die Kundenstruktur im aktuellen Geschäftsjahr,
- gegebenenfalls die Wettbewerbsstruktur im Regionalmarkt,
- die Leistungs-Umsatzstruktur im aktuellen Geschäftsjahr,
- die Mitarbeiter-Leistungsstruktur im aktuellen Geschäftsjahr,
- eine Ermittlung des nachhaltigen Gewinns (EBITDA = earnings before interest, taxes, depreciation and amortization, also der Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen),
- der Ertragswert des Unternehmens,
- der Wert der GmbH-Anteile (Unternehmenswert) und
- der Mietvertrag und Lageplan, Leasing- und Darlehensverträge sowie
- Verträge über Pensionszusagen und alle sonstigen relevanten Vertragsvereinbarungen.
Für die Bewertung der GmbH-Anteile empfiehlt sich das international anerkannte Verfahren der „Discounted-Cash-Flow-Methode (DCF)“ als reines Ertragswertverfahren. Es existieren verschiedene Methoden des DCF-Verfahrens, die hier nachfolgend beschriebene Verfahrensweise wurde von Weidhüner & Partner (Lahr) speziell für Dentallabore in Deutschland modifiziert.
Das Ertragswertverfahren
Beim Ertragswertverfahren entspricht der Wert des Unternehmens dem Barwert aller zukünftigen Einnahmen-Überschüsse (unabhängig vom Anlage- und Umlaufvermögen des Unternehmens), gegebenenfalls abzüglich des Marktwerts des Fremdkapitals. Bei Dentallaboren entspricht dieser Wert in der Regel dem Buchwert auf der Passivseite der Bilanz.
Der Ertragswert wird somit bestimmt durch den erwarteten Unternehmenserfolg in den folgenden Jahren und durch einen Kapitalisierungszinsfuß, mit dem die zukünftigen Überschüsse auf den Zeitpunkt des Verkaufs abgezinst werden. Die Prognose der zukünftigen Erträge baut in der Regel auf den Werten der Vergangenheit auf. Die Erträge aus der Vergangenheit sind jedoch nur ein Indikator unter vielen für die zukünftige Entwicklung des zu bewertenden Unternehmens. Für den Erwerber des Unternehmens oder von Beteiligungen an diesem ist entscheidend, wie viel Gewinn das Unternehmen in Zukunft erwirtschaften kann oder aber auch, welche Synergieeffekte mit seinem bzw. seinen bestehenden Unternehmen erzielt werden können.
Die Wertermittlung für ein Beispiel-Labor
Anhand eines fiktiven Labors soll nun exemplarisch die Ermittlung des Unternehmenswertes aufgezeigt werden. Wann immer es möglich ist, sollte bei der Zusammenstellung von Daten und Zahlen einer graphischen Darstellung der Vorzug gegenüber von Zahlenreihen gegeben werden, damit die Daten vom Betrachter schneller erfasst und Vergleiche besser gezogen werden können.
Unternehmensentwicklung in der Vergangenheit
Die Umsatz- und Gewinnentwicklung unseres Beispiel-Labors in den vergangenen 5 Jahren beschreibt die Grafik 1. Bis zum Jahr 3 lässt sich ein kontinuierlicher Umsatzanstieg feststellen, danach tritt ein langsamer Umsatzrückgang ein. Hier besteht in der Verhandlung Erläuterungsbedarf.
Die Höhe der ausgewiesenen Gewinne aus der Bilanz bzw. Gewinn- und Verlustrechnung sagen hier aber noch nicht viel über die Ertragskraft des Labors aus. Dazu bedarf es u. a. der Berücksichtigung der Geschäftsführer und Ehegattengehälter, Zinsen für Fremdkapital, der Abschreibungen etc.
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Abb. 1: Grafik 1 - Umsatz- und Gewinnentwicklung des Beispiel-Labors in den vergangenen 5 Jahren.
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Abb. 2: Grafik 2 - Umsatzverteilung der einzelnen Laborbereiche.
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Abb. 3: Grafik 3 - Kundenstruktur hinsichtlich des Alters der Praxisinhaber und der Anzahl der Kunden nach Umsatzgrößen.
Leistungs-Umsatzstruktur
Gerade bei zahntechnischen Laboren ist für den Käufer die Umsatzverteilung auf die einzelnen Leistungsbereiche wichtig, da er hier weitere Rückschlüsse auf die zukünftige Ertragskraft ziehen kann. Laut Grafik 2 werden knapp 56 % der Leistungsumsätze unseres Beispiel-Labors im K+B-, Keramik- und CAD/CAM-Bereich produziert, also in relativ attraktiven Preissegmenten.
Mitarbeiter-/Kunden- und Wettbewerber-Strukturen
Für den potenziellen Erwerber sind außerdem die Mitarbeiter-, Kunden- und Wettbewerber-Strukturen weitere wichtige Informationen, die die Kaufentscheidung nachhaltig beeinflussen. Grafik 3 zeigt beispielhaft die Kundenstruktur sowohl hinsichtlich des Alters der Praxisinhaber als auch die Anzahl der Kunden nach Umsatzgrößen. Die Abbildung macht deutlich, dass ein relativ hoher Umsatzanteil von Kunden erbracht wird, die 60 Jahre oder älter sind. Daraus ergeben sich für den Verkäufer zwei Optionen:
- Er plant den Verkauf zu einem späteren Zeitpunkt, um die Altersstruktur seiner Kunden durch gezielte Neukundenakquisitionen zu verjüngen oder
- er nimmt einen reduzierten Verkaufspreis in Kauf, denn die Altersstruktur wirkt sich natürlich auf die Bewertung aus.
Sieht man sich die Verteilung der Umsatzgrößen bei den Kunden in Grafik 4 an, kann man eine relativ gesunde Struktur ohne besondere Abhängigkeit von einigen wenigen Großkunden erkennen.
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Abb. 4: Grafik 4 - Verteilung der Umsatzgrößen bei den Kunden des Dentallabors.
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Abb. 5: Grafik 5 - Zahlungsmoral der Kunden.
Grafik 5 bildet die durchschnittliche Zahlungsmoral der Kunden ab. Im Durchschnitt zahlen diese ihre Laborrechnungen nach knapp 42 Tagen. Wird unterstellt, dass die Mehrzahl der Kunden innerhalb vereinbarter Zahlungsziele oder sogar innerhalb der Skontofrist zahlt, gibt es einige Zahnarztpraxen, die Zahlungsfristen überschreiten. Hier muss man sich diese Kunden genauer ansehen, um zu einer Risikoabschätzung zu gelangen.
Die Mitarbeiterstruktur sollte anonymisiert grafisch dargestellt werden, gegliedert nach Tätigkeit, Geschlecht, Alter, Dauer der Betriebszugehörigkeit, Gehälter und Sonderleistungen, bei Technikern der letzte Jahresumsatz (Leistungsumsatz und Leistungsbereich, z. B. AV, Kunststoffprothetik, Kronen und Brücken, Kombi, Keramik, MoGu, CAD/CAM etc.).
Gegebenenfalls sollte außerdem eine Wettbewerbs-Analyse erstellt werden. Dazu muss der regionale Einzugsbereich des Labors definiert werden und die Anzahl der Wettbewerber namentlich ermittelt werden. Über den Bundesanzeiger (nur Kapitalgesellschaften!) bzw. über eine Auskunftei lassen sich die einzelnen Umsätze ermitteln. Damit kann dann auch der Marktanteil des eigenen Labors bestimmt werden.
Ermittlung des Ertrags- und Unternehmenswertes
Zur Ermittlung des nachhaltigen zukünftigen Gewinns muss der Bilanzgewinn (Jahresüberschuss) der einzelnen Jahre jeweils um Kürzungen und Zurechnungen korrigiert werden. Da der potenzielle Käufer des Unternehmens infolge des Kaufpreises andere Geschäftsführergehälter, Abschreibungen, Finanzierungskosten und Steuern als bisher berücksichtigen muss, wird der nachhaltig zu erzielende Gewinn als EBITDA (Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen einschl. GWG [= Geringwertige Wirtschaftsgüter]) dargestellt (Tabelle 1).
Wenn, wie hier, Pensionsrückstellungen vorgenommen wurden, d. h. Pensionszusagen gemacht worden sind, so müssen diese vor dem Verkauf mit Unterstützung des Steuerberaters und dem Vorsorgefachmann, der diese Altersvorsorge im Unternehmen installiert hat, aus dem Unternehmen steuer- und wertneutral herausgenommen werden. Ansonsten ist ein solches Labor an fremde Dritte praktisch unverkäuflich, weil letztendlich das Risiko der Pensionsauszahlungen beim Käufer liegt, selbst bei einer Rückdeckungsversicherung.
Für die Ermittlung des zukünftigen Ertragswertes wird der ermittelte nachhaltige Durchschnittsgewinn ohne weitere Gewichtung herangezogen. Dies erscheint deswegen zulässig, weil die im Zahntechnikmarkt typischen Umsatz- und Gewinnschwankungen auch in Zukunft zu erwarten sind. Damit kann dieser Wert als zukünftige nachhaltige jährliche Gewinnerwartung realistisch prognostiziert werden. Dieser nachhaltige Durchschnitts-EBITDA (letzte Zeile der Tabelle: Quersumme geteilt durch 5) beträgt im vorliegenden Beispiel gerundet 223.000 Euro.
Aus dem nachhaltig zu erwartenden zukünftigen Gewinn (EBITDA) wird nun mit der Wahl eines bestimmten Kapitalisierungszinsfußes und dem unter Berücksichtigung der Dauer der Kapitalisierung ermittelten Rentenbarwertfaktors (auf den heutigen Tag nachschüssig abgezinst) der Ertragswert errechnet.
Einen Anleger erwartet heute am Kapitalmarkt (z. B. bei Aktien- oder Investmentfonds) eine Mindestrendite von 5 % p. a. Werden dazu 2 % als Risikozuschlag speziell für die Zahntechnik aufgrund der zukünftigen Risiken in der Gesundheitspolitik angenommen, so ergibt sich daraus ein Kapitalisierungszinsfuß von 7 % p. a.
Der Ertragswert errechnet sich dann wie folgt unter der Annahme einer 5-jährigen Dauer der Kapitalisierung mit dem nachschüssigen Rentenbarwertfaktor von 4,1002: 223.000 Euro x 4,1002 = 914.300 Euro.
Durch die 5-jährige Dauer der Kapitalisierung wird einerseits eine Befristung der Kapitalisierung der zu erwartenden Unternehmensgewinne erreicht, was der betrieblichen Praxis weitaus besser entspricht, als die wenig realistische Annahme zeitlich unbefristet zu erzielender Gewinne; zum anderen wird der Tatsache Rechnung getragen, dass weiter in der Zukunft zu erwartende Gewinne mit einem höheren Risiko behaftet sind und deshalb mit einem entsprechend höheren Kapitalisierungszinsfuß abzuzinsen wären.
Aufgrund der ungünstigen Altersstruktur der Kunden wird man im vorliegenden Beispiel lediglich von einer Kapitalisierungsdauer von maximal 3 Jahren ausgehen dürfen. Bei gleichem Kapitalisierungszinsfuß ergeben sich dann ein nachschüssiger Rentenbarwertfaktor von 2,6243, und daraus dann ein Ertragswert von 223.000 Euro x 2,6243 = 585.200 Euro.
Hier wird deutlich, welche Wirkung Kapitalisierungszinsfuß und Dauer der Kapitalisierung auf den Ertragswert haben. Während der Ertragswert bei der 5-jährigen Kapitalisierungsdauer den „Normalfall“ darstellt, ist der Ertragswert im vorliegenden Beispiel logischerweise deutlich niedriger. Der Rentenbarwertfaktor lässt sich gängigen finanzmathematischen Tabellen entnehmen oder mithilfe finanzmathematischer Software errechnen. Das Beispiellabor weist auf der Passivseite seiner letzten Bilanz Fremdkapital (Darlehen) in Höhe von 65.000 Euro aus. Der Kaufpreis der GmbH-Anteile ergibt sich somit aus 585.200 Euro - 65.000 Euro = 520.200 Euro. Bis zur endgültigen Veräußerung des Labors sollte diese Bewertung jährlich fortgeführt werden.
Die Unternehmensbewertung selbst muss in einen schriftlichen Bericht gefasst werden, in dem die Berechnungsgrundlagen ausführlich erläutert werden. Gegebenenfalls muss sie um eine Amortisationsrechnung ergänzt werden, damit der potenzielle Käufer eine Vorstellung seines Returns on Investment erhält. Dabei sollte dem Verkäufer klar sein, dass der errechnete Unternehmenswert nicht unbedingt mit dem erzielten Veräußerungserlös übereinstimmen muss. Die Einigung darüber bleibt den Verhandlungen vorbehalten. Hier muss dann auch besprochen werden, ob und gegebenenfalls für welchen Zeitraum und zu welchen Konditionen der bisherige Inhaber/Gesellschafter im Unternehmen verbleiben soll, um z. B. einen geordneten Übergang zu gewährleisten. Ist dann aber eine Einigung erzielt worden, muss der Kaufvertrag notariell beglaubigt werden.