Bedeutung der Implantologie und Einsatz von Polyetheretherketon

Das PEEK-basierte Hochleistungspolymermaterial BioHPP erfüllt zwei wichtige Voraussetzungen für den Einsatz in der Geroimplantologie. Diese liegen einerseits im knochenähnlichen Elastizitätsmodul und andererseits in der Wirtschaftlichkeit für das Labor mit Ästhetik zu einem moderaten Preis für die Patienten. Der folgende Beitrag zeigt zwei Fälle, die exakt in dieses Muster passen.
In Zusammenarbeit mit Zahnarzt Muzafar Bajwa, Frankfurt, habe ich mich dem Studium alternativer Werkstoffe verschrieben, um bezüglich der physikalischen Eigenschaften bessere prothetische Werkstoffe verglichen mit den langjährig angebotenen zu finden. Aus einer Vielzahl von gemeinsamen Patientenfällen habe ich zwei Arbeiten ausgewählt, an denen sich besonders gut nachvollziehen lässt, wie man mit neuen Werkstoffen den Anforderungen und Ansprüchen der Patienten gerecht werden kann, besonders mit Blick auf die Geroimplantologie.
Einleitung
Die Bedeutung der Gerontologie lässt sich aus der Alterspyramide ablesen und wird in den nächsten Jahren noch deutlich wachsen. Auch im zahnmedizinischen und zahntechnischen Alltag ist diese Entwicklung immer stärker spürbar. Dabei hat sich gezeigt, dass Patienten in höherem Alter ohne Bedenken implantologisch rehabilitiert werden können. Eine Studie ergab beispielsweise, dass der Fünf-Jahres-Implantaterfolg für 80-Jährige und Ältere bei 93 bis 99,5 Prozent lag, gegenüber 92,6 bis 99,7 Prozent bei Jüngeren [1]. Selbstverständlich muss die Diagnostik auf diese Altersgruppe abgestellt sein. Außerdem ist besonders sorgfältig abzuklären, was der Patient möchte – und was er manuell kann. Spezifisch und verständlich müssen ihm die medizinischen und hygienischen Notwendigkeiten erläutert werden. Zusätzlich braucht er die Möglichkeit, die Pflege seiner Prothese einzuüben, die dann in den Tagesablauf zu Hause zu integrieren ist.
Erster Patientenfall
Wir haben in der Geroprothetik schon viele Fälle mit dem PEEK-basierten Werkstoff BioHPP, bredent, Senden, gelöst. Unser erster Beispielpatient, gut siebzigjährig, wollte eine als Versorgung nicht erkennbare Lösung mit guter Ästhetik zu einem für ihn annehmbaren Preis. Diese Wünsche lassen sich mit dem genannten Material sehr gut erfüllen.
Bei der Befundung ergab sich ein weiteres Argument in dieselbe Richtung: Das Gebiss war durch jahrelanges Knirschen vorgeschädigt. In einem solchen Fall setzen wir anstatt auf Metall, Keramik oder Zirkoniumdioxid lieber auf BioHPP und ein gutes Komposit.
Randbemerkung: Nicht bei jedem Patienten lassen sich Abnutzungen und Alterungseffekte der natürlichen Zähne durch Bleachen und Veneers/ Vollkronen korrigieren. In diesen Fällen ist der Zahntechniker gefragt, die Versorgung auch unter Einsatz eines Komposits so zu gestalten, dass der Laie sie von den natürlichen Nachbarzähnen nicht unterscheiden kann. Hier ist sehr viel Kreativität gefragt – und Liebe zum Beruf. Es bedarf deutlich mehr, als nur eine Krone aus dem Block zu fräsen. Anders, als es einige Hersteller heute darstellen.
Darüber hinaus und insbesondere zeigte die Befunderhebung einen nicht mehr erhaltungswürdigen Zahn 11, der extrahiert wurde. Für die Rehabilitation der Frontzahnlücke wurden dem Patienten durch den Zahnarzt verschiedene Restaurationsalternativen vorgestellt. Da der Patient einen „nicht sichtbaren Ersatz“ mit guter Ästhetik wünschte, wurde ihm empfohlen, eine implantatgetragene Krone mit Kompositverblendung zu wählen.
Nach der Ausheilung der Extraktionswunde regio 11 wurde ein Implantat aus dem Sky-System von bredent medical inseriert, dessen Osseointegration komplikationslos verlief. Zusammen mit dem Patienten entschieden wir im Team Zahnarzt und Zahntechnikermeister, aus Gründen der Ästhetik ein individuelles Implantat-Aufbauteil (Abutment) mit Sky Klebebasis anzufertigen. Auf die Titanbasis pressten wir mittels des for 2 press-Systems, bredent, ein Abutment direkt auf, das wir in Wachs vormodelliert hatten. Durch das Aufpressen mit BioHPP benötigten wir keinen Kleber. So schalteten wir den Einfluss des Klebespalts und des benutzten Klebers auf die gingivalen Bereiche und auch auf das Implantat selbst aus (Abb. 1 bis 6). Nach der Anprobe und der Kontrolle des Emergenzprofils wurde das individuelle BioHPPAbutment definitiv eingeschraubt. Für die temporäre Versorgung hatten wir zuvor im Gerät Zenotec mini CAM, Wieland Dental + Technik, Pforzheim, ein Provisorium gefräst. Das Kronengerüst wurde manuell aufgewachst und mit mechanischen Retentionen versehen. Zum Einbetten diente die spezielle Einbettmasse Brevest for 2 press, bredent, Senden.
-
Abb. 1: Freilegung des Frontzahnimplantats. Das Durchtrittsprofil (Emergenzprofil) hat sich durch den Sulkusformer vorteilhaft ausgebildet.
-
Abb. 2: Das im Modell auf das Laboranalog eingesetzte individuelle BioHPP-Abutment lässt den eng anliegenden Übergang vom Emergenzprofil zur Zahnfleischmaske gut erkennen.
-
Abb. 3 und 4: Die Einzelansicht des individuellen Abutments zeigt die Gestaltung des Emergenzprofils und seinen Verlauf zur Gingiva – von palatinal und von vestibulär.
-
Abb. 5: In der vestibulären Ansicht wird der ästhetische Vorteil deutlich, den das individuelle Abutment in diesem Fall mit sich bringt.
-
Abb. 6: Ein erster Blick auf die Entstehung der BioHPP-Gerüstkrone.
Nach dem Vorwärmen auf 630 Grad Celsius kühlte die Muffel langsam auf 400 Grad Celsius ab – bei dieser Temperatur verweilte sie eine Stunde im Ofen. Auch hierbei wurden die Herstellerangaben exakt eingehalten, um ein perfekt passendes Resultat zu erzielen. Der Pressvorgang vollzog sich entsprechend im for 2 press-Gerät. Nach der vollständigen Abkühlung der Muffel wurde das Objekt wie gewohnt ausgebettet und mit 110 Mikrometer Korund abgestrahlt. Es folgten das Aufpassen des Gerüstes und das Ausarbeiten. Hierzu kamen vorwiegend Schleifkörper zum Einsatz, die NTI, Kahla, in Zusammenarbeit mit dem Autor zusammengestellt hat und zum Teil im „CO.KE-Set nach ZTM Jürgen Freitag“ anbietet (Abb. 7).
-
Abb. 7: Für ein ökonomisches Aus- und Bearbeiten sind die richtigen rotierenden Instrumente unverzichtbar. Beispielhaft hier das „CO.KE-Set nach ZTM Jürgen Freitag“ von NTI.
-
Abb. 8: Schrittweiser Aufbau der anatomischen Form der Krone mit dem Komposit visio.link, bredent, – die Reproduktion der Zahnfarbe wird durch Effekte unterstützt.
-
Abb. 9: Wie diese Durchlichtaufnahme zeigt, ist ein gutes Komposit manchen Verblendkeramiken ebenbürtig.
-
Abb. 10: Das finale Schichtergebnis spiegelt bereits das Endergebnis wider – in der palatinalen …
-
Abb. 11: … wie der labialen Ansicht.
-
Abb. 12: Die fertig polierte BioHPP-Frontzahnkrone – ein in Form und Farbe hochästhetisches Ergebnis.
-
Abb. 13: Die inkorporierte Arbeit fügt sich harmonisch in die Nachbarzähne ein und ergänzt naturnah die bestehende Rot-Weiß-Ästhetik.
Unser nächster Arbeitsschritt war besonders wichtig: die Konditionierung des BioHPP-Gerüstes. Hierzu wurde visio link, bredent, aufgetragen und im Lichtgerät nach Herstellervorgaben ausgehärtet. Es folgte – nach einem dünnen Opakerauftrag – die Modellation der Krone (Abb. 8 bis 11). Die polierte Krone nach dem Finish ist mit all ihren Details auf Abbildung 12 gut zu erkennen. In Abbildung 13 sieht man die sich sehr gut integrierende Krone in situ.
Zweiter Patientenfall
Im zweiten Fallbespiel fiel die Wahl insbesondere deshalb auf BioHPP, da der Patient, Ende 60, bei der Befunderhebung über ein fortdauerndes „Spannungsgefühl“ im Unterkiefer berichtete. Mit einer insuffizienten totalen Unterkieferprothese hatte er die Praxis von Zahnarzt Muzafar Bajwa aufgesucht und um die Neuanfertigung gebeten. Ohne die Beschwerden wäre dem Patienten – zusammen mit anderen Alternativen – vor allem die Möglichkeit aufgezeigt worden, eine Neuversorgung aus Implantaten, Zirkoniumdioxid- Abutments, Teleskopen, Locatoren und einer Nichtedelmetall-Suprastruktur anzufertigen. So aber kam BioHPP zum Zuge, da dies einen knochenähnlichen E-Modul besitzt. Um zu weniger Spannungsgefühl zu kommen als mit hochfesten, kaum duktilen Keramiken oder Legierungen – beziehungsweise um dieses ganz auszuschalten –, gaben wir diesem Werkstoff den Vorzug. Wir sind der Meinung, dass dies speziell im Unterkiefer zielführend ist.
Für die Abstützung der Unterkieferprothese wurden vier Sky-Implantate gesetzt. Regio 31 und 41 haben wir die BioHPP-Abutments, auch hier individuell hergestellt, gleich als Innenteleskope gefräst, um so Platz zu sparen. Die Implantate regio 33 und 43 wurden mit abgewinkelten Sky-Locatoren versehen (Abb. 14 und 15). Im galvanotechnischen Verfahren stellten wir die beiden Sekundärteleskope her. Es folgte die Anfertigung der Tertiärstruktur mit BioHPP (Abb. 16 bis 20).
-
Abb. 14: Für die implantatgestützte teleskopgetragene Prothese wurden 30°-angulierte Sky-Locatoren, bredent medical, inseriert.
-
Abb. 15: Die in das Modell mit Zahnfleischmaske gefügten Primärteleskope und Abutments (mit Locatoren) lassen den Umfang der Arbeit erkennen.
-
Abb. 16: Mit der galvanischen Herstellung der Sekundärteleskope schlossen wir alle primären zahntechnischen Arbeiten ab.
-
Abb. 17: Erst durch eine naturnahe Gestaltung der roten Ästhetik wird eine Prothese patientenindividuell – diese zeigen die lateralen Ansichten von links …
-
Abb. 18: … und rechts …
-
Abb. 19: … sowie von labial.
-
Abb. 20: Die Aufstellung der Zähne sowie die Gestaltung der Papillen und der Gingiva imitieren die natürliche Rot-WeißÄsthetik und unterstützen die Akzeptanz der Restauration durch den Patienten.
Die Materialwahl gab uns Recht. Nach einer Tragezeit von aktuell zwei Jahren berichtet der Patient, dass mit seiner PEEK-basierten Teleskopprothese keine Spannungsgefühle mehr wahrnehmbar seien.
Fazit
Durch den Einsatz von BioHPP, bredent, Senden, lässt sich das Produktportfolio des Labors vergrößern – was auch wirtschaftlich sehr interessant sein kann. Der Werkstoff eignet sich für festsitzenden und herausnehmbaren Zahnersatz, die Restaurationen sind jederzeit erweiterungsfähig.
Dieses innovative Material kommt den prothetischen Ansprüchen und Bedürfnissen vieler Patienten entgegen. Die hier vorgeführten Impressionen unserer PEEK-basierten Arbeiten zeigen, dass hiermit speziell auch in der Geroprothetik sehr viel zu erreichen ist.
Der Zahntechniker der Zukunft wird sehr stark gefordert sein, sowohl individuell als auch digital unterstützt zu arbeiten – das Gleiche gilt für den implantologisch tätigen Zahnarzt. Diesbezüglich muss manchmal auch Pionierarbeit geleistet werden, um den verdienten Erfolg einzufahren.
Im Übrigen gilt bei all unseren Bemühungen die altbekannte medizinische Regel: Wer heilt, hat Recht.