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Festsitzende Implantatprothetik

Keramikimplantate: Modeerscheinung oder ernst zu nehmende Alternative?

Keramikimplantate fristeten lange Zeit ein Schattendasein und waren eher der ganzheitlichen Zahnmedizin vorbehalten. Um hier die Anforderung „metallfrei“ zu erfüllen, wurde gerade in der Anfangszeit mit Aluminiumoxid-Keramiken und glatten Oberflächen ein Kompromiss mit Inkaufnahme „geringer Erfolgs-“ und „hoher Frakturraten“ eingegangen. Mit der Einführung von Zirkoniumdioxid als Implantatmaterial begann sich dies bereits zu ändern. Unser Autor Dr. Jens Tartsch stellt fest: Durch eine rasante technologische Weiterentwicklung verfügen wir heute über metallfreie Implantatsysteme, welche sich neben Titanimplantate stellen.

Placeholder – News shutterstock

Begriffe wie „gluten-“ und „laktosefrei“ sind heutzutage Schlagwörter einer gesundheitsbewussten Bevölkerung. Nun hat auch der Ruf nach „metallfrei“ die Zahnmedizin erreicht. Dieses gesteigerte Gesundheitsbewusstsein und der Wunsch nach mehr Ästhetik haben zu einem auch im Dentallabor spürbaren Rückgang herkömmlicher Metallkeramikrestaurationen zugunsten von metallfreien Kronen und Brückenversorgungen geführt. Ähnliches ist heute auch in der Implantologie zu beobachten. Keramikimplantate aus Zirkoniumdioxid lassen sich bereits heute durchaus mit Titanimplantaten vergleichen [1], sofern auf die Vergleichbarkeit der Kriterien geachtet wird. Dabei erforderte bisher der Einsatz vollkeramischer Implantatsysteme sowohl in der Zahnarztpraxis als auch im zahntechnischen Labor ein Umdenken in den gewohnten Arbeitsprozessen.

Reaktionen auf Titanimplantate

Nach wie vor stellen Titanimplantate den Goldstandard in der Implantologie dar. Erste Studien legen jedoch den Verdacht nahe, dass Titanimplantate nicht ganz so unproblematisch sein könnten, wie es bisher angenommen wurde. So wurde nachgewiesen, dass vor allem in Kontakt mit weiteren Legierungen (Goldabutments!) [2] und mit bakteriellen Lipopolysacchariden (Plaque) auch bei Titan Korrosionsprozesse stattfinden (Bio-/Tribokorrosion) [3, 4]. Hierdurch freiwerdende Titaniumpartikel wurden bereits in allen periimplantären Geweben nachgewiesen [5]. Diese Partikel werden von ortsständigen Gewebsmakrophagen aufgenommen (Phagozytose). Bei der Phagozytose der Titaniumpartikel durch Makrophagen werden wie bei einem Abräumen aller Fremdkörper Entzündungsbotenstoffe (Zytokine) freigesetzt, welche eine chronisch unspezifische Entzündung auslösen. In den meisten Fällen besitzt diese bei jeder Titanimplantation stattfindende Entzündungsreaktion nur eine untergeordnete klinische Relevanz. Es scheint jedoch eine gewisse Klientel von Patienten zu geben, welche mit einer gesteigerten Freisetzung solcher Zytokine reagiert (Titanunverträglichkeit), was wiederum sowohl lokale als auch systemische Reaktionen bis hin zu Periimplantitis oder Implantatverlust mit sich ziehen könnte. Bei einer solchen Reaktion auf Titandioxidpartikel handelt es sich demnach um eine unspezifisch chronische Entzündung [6, 7].

Eine viel zitierte Titanallergie ist aus physiologischen Aspekten heraus nicht darstellbar, da für die Ausbildung einer Metallallergie (Typ-IV-Reaktion vom Spättyp) die Anwesenheit von freien Metallionen notwendig ist. Die immunologisch „zu kleinen“ Metallionen binden an körpereigene Proteine und verändern diese in ihrer Tertiärstruktur. Diese Verbindung zwischen Metallion und nun verändertem Protein wird Hapten genannt. Erst dieses Hapten kann als „fremd“ erkannt werden, wodurch Metalle dann doch immunologisch relevant sind [8]. Titan ist jedoch hochreaktiv, und eventuell freiwerdende Ionen reagieren bekanntermaßen im Millisekundenbereich mit Sauerstoff zu Titandioxid (Passivierungsschicht). Es stehen somit praktisch keine freien Titanionen für die Ausbildung von Haptenen und damit einer allergischen Reaktion zur Verfügung.

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Wichtige Legierungsbestandteile von Titan Grad V sind jedoch Aluminium, Vanadium und Rhodium, und auch bei Reintitan Grad IV konnten herstellungsbedingte Verunreinigungen mit Nickel oder Chrom nachgewiesen werden [9]. Diese Metalle können in ionischer Form freigesetzt werden und durch den bereits beschriebenen Mechanismus zu allergischen Reaktionen führen [10].

Demgegenüber sind Keramikimplantate bioinert. Sie stellen in solchen Fällen immunologisch nicht relevante Alternativen dar.

Einflüsse auf die Mukosa und Gingiva

Einen weiteren Vorteil von Keramikimplantaten bildet die Ästhetik. Selbstverständlich lässt sich auch mit Titanimplantaten eine hervorragende Ästhetik erzielen. Voraussetzung hierfür ist jedoch das Vorhandensein einer mindestens 2 mm dicken periimplantären Mukosa, welche ein gräuliches Durchschimmern der Titanimplantate verhindert [11]. Ist dies nicht gegeben, sollte eine Verdickung der Mukosa mit Bindegewebstransplantaten erfolgen, was eine zusätzliche Belastung für den Patienten bedeutet. Vollkeramische Abutments stellen eine Alternative dar, jedoch können Mikrobewegungen des harten Zirkoniumdioxid-Abutments auf dem weicheren Titanimplantat zu Abrieb bis hin zur Zerstörung des Implantat-Interfaces führen [12]. Diese Problematik kann mit einer Titanklebebasis umgangen werden. Das Interface zwischen Implantat und Abutment besteht hier von beiden Seiten aus Metall. Zumindest hinsichtlich des Abutments kann ein sichtbarer Metallanteil mit dem Risiko eines Durchscheinens vermieden werden, bezüglich des Implantatkörpers jedoch auch in dieser Kombination nicht. Auch der Körper eines Keramikimplantates kann durchschimmern, aber dann nur ab einer Mukosadicke von 1,5 mm und in dem Fall in Weiß, was optisch kaum wahrgenommen werden kann [13].

Das Hauptargument für den Einsatz von Keramikimplantaten liegt jedoch in den überlegenen Eigenschaften des Materials auf die periimplantären Weichgewebe. Dieser Umstand ist jedem bekannt, der einmal die Gewebe um metallkeramische Verblendkronen und Vollkeramikkronen verglichen hat (Abb. 1).

Abb. 1: Vergleich der Weichgewebsfarbe um Metallkeramikkronen (oben) und IPS e.max Vollkeramikkronen (unten).
Abb. 1: Vergleich der Weichgewebsfarbe um Metallkeramikkronen (oben) und IPS e.max Vollkeramikkronen (unten).
Abb. 2: Entzündungsfreie Mukosa um das Keramikimplantat.
Abb. 2: Entzündungsfreie Mukosa um das Keramikimplantat.

Dasselbe gilt auch für das Material dieser Implantate. Der Werkstoff Keramik zeigt gegenüber Titan eine geringere Plaqueanlagerung und geringere bakterielle Adhäsion [14, 15] sowie eine geringere Dicke des aufgelagerten Biofilmes [16]. Auch die zirkuläre Durchblutung der Weichgewebe entspricht bei Keramik eher der des natürlichen Zahnes und ist bei Titan signifikant verringert [17]. Eine bessere Durchblutung führt zu gesünderen Weichgeweben (Abb. 2). Dies hat nicht nur ästhetisch verbesserte Ergebnisse zur Folge, sondern auch, dass Periimplantitis oder Mukositis bei Keramikimplantaten nicht in der Form wie bei Titanimplantaten beschrieben werden konnten [1, 18].

Zirkoniumdioxid für Implantate

Diese Faktoren und das steigende Interesse in der zahnärztlichen Praxis sind gute Argumente, sich auch im Dentallabor vermehrt mit dem Thema Keramikimplantate auseinanderzusetzen. Demgegenüber steht, dass solche Keramikimplantate leider – bedingt durch die negativen Erfahrungen in der Vergangenheit [19] – heute immer noch mit besonderer Skepsis betrachtet werden. Denn solche hohen Versagensraten wie in der Vergangenheit sind heute keinesfalls mehr hinnehmbar und würden die Vorteile keinesfalls aufwiegen.

Glücklicherweise hat vor allem in den Bereichen Implantatmaterial, Design der Implantatoberflächen und bei den restaurativen Konzepten eine rasante Weitentwicklung stattgefunden [20, 21]. Tatsächlich liegen die Erfolgsraten von Keramikimplantaten heute bereits im Bereich von Titanimplantaten. Dies belegen die ersten verfügbaren Daten solcher moderner Systeme mit Erfolgsraten je nach Implantatsystem und Studiendesign bis zu 98 % [22, 23].

Wie auch aus der Zahntechnik bekannt, ist hierbei jedoch zu beachten: Zirkoniumdioxid ist nicht gleich Zirkoniumdioxid. Nach wie vor gibt es große Unterschiede in Herstellungsprozess, Materialauswahl, Oberflächengestaltung, restaurativen Konzepten und Handhabung, was entsprechende Kenntnisse für den Umgang mit Keramikimplantaten sowohl für den Zahnarzt als auch für den Zahntechniker unabdingbar macht.

Moderne Keramikimplantate bestehen aus TZP-Keramik (tetragonale Zirkoniumdioxid-Polykristalle) mit einer mittleren Biegefestigkeit von 1.100 MPa. Um die Biegefestigkeit auf 1.200 MPa zu erhöhen und um den Alterungsprozess (hydrothermale Degradation) positiv zu beeinflussen, werden bei den meisten Anbietern bis zu 0,5 Vol.-% Aluminiumoxid hinzugegeben (TZP-A). Neue Hybridkeramiken, wie sie durch die Zugabe von 20 Vol.-% Aluminiumoxid entstehen, erreichen eine Biegefestigkeit von bis zu 2.000 MPa [24]. Diese ATZ-Keramik („Alumina toughened Zirconia“: Aluminiumoxid-verstärktes Zirkoniumdioxid) lässt das Frakturrisiko auf ein Minimum schrumpfen, und der Alterungsprozess durch hydrothermale Degradation besitzt kaum mehr klinische Relevanz [25, 26].

Ob TZP, TZP-A oder ATZ: Von Bedeutung ist die Weiterverarbeitung des Ausgangsmateriales. Korngröße, Reinheit und Dichte beeinflussen maßgeblich die Härte und Qualität. Zwei grundlegende Verfahren sind beim Herstellungsprozess zu unterscheiden.

Im ersten Verfahren (CIM – Ceramic Injection Molding, CIP – Cold Isostatic Pressing) erfolgt zunächst die Formgebung durch Spritzgussverfahren oder Grünlingsbearbeitung und im zweiten Schritt die Veredelung durch den Sinterprozess. Dies ist das einfachere und daher auch kostenseitig günstigere Verfahren, jedoch muss wie im Dentallabor bis zu 30 % Sinterschrumpfung einbezogen werden, was zu einer höheren Fehleranfälligkeit führen kann. Im anderen Verfahren (Hard Machining) ist der Ablauf umgekehrt: Zunächst wird ein Block im HIPVerfahren (Hot Isostatic Post Compaction) unter hohem Druck von bis zu 2.000 bar und Temperaturen von bis zu 2.000 Grad Celsius veredelt und erst dann die Form unter hohem industriellen Aufwand aus dem fertigen Blank geschliffen. Dieses Verfahren ist zwar teurer und aufwendiger, jedoch können qualitativ sehr hochwertige und präzise Ergebnisse erzielt werden.

Implantatoberflächen

Für eine den Titanimplantaten vergleichbare Osseointegration sorgen moderne Oberflächenstrukturierungen, wie sie in der Anfangsphase der Keramikimplantate noch nicht vorgenommen wurden. Auch hier gibt es Unterschiede: Die Palette reicht von einem einfachen Abstrahlen der Oberfläche mit Edelkorund über die Laserbehandlung bis hin zu einer nur industriell mit hohem Aufwand durchführbaren thermischen Säureätzung. Solche modernen Implantatoberflächen führen zu einem gesteigerten Bone-Implant-Contact (BIC) und damit zu der Titanimplantaten vergleichbaren Osseointegration.

Einteilige Keramikimplantate

Die größten Unterschiede zeigen sich zwischen den Systemen in den Abutmentkonzepten. Die Verbindung von hartem Zirkoniumdioxid-Implantat und hartem Zirkoniumdioxid-Aufbau unterliegt nach wie vor unterschiedlichen Philosophien … mit Konsequenzen auch in der zahntechnischen Umsetzung.

Klassisch denkt man bei einem Keramikimplantat zunächst an ein einteiliges Implantat: Aufbau und Implantat gefertigt aus einem Stück. Auf diesem Weg wird das Problem der Implantat-Abutment-Verbindung elegant gelöst: Es gibt keine, sondern es handelt sich um einen homogenen, hermetisch dichten Block, welcher einen Umgang mit einem Implantat wie mit einem natürlichen Zahn ermöglicht. Beschleifen, Abformen und Zementieren sind tägliche Aufgaben in der Zahnarztpraxis. Jedoch handelt es sich eben nicht um einen natürlichen Zahn, sondern um ein Implantat mit seinen zu einem natürlichen Zahn unterschiedlichen Aspekten wie Flexibilität, Emergenzprofil, Durchmesserrelation Krone – Wurzel/Implantat oder der Anatomie im gingivalen/mukosalen Sulkus.

Die Restaurationen auf einteiligen Implantaten können nur zementiert werden. Eine vollständige Zemententfernung ist nur bei epigingival, maximal bis 1,0–1,5 mm subgingival platzierten Implantatschultern möglich [27]. Gerade im Frontzahnbereich ist die aus ästhetischen Gründen notwendige weiter subgingivale Platzierung der Implantatschulter – und damit des Kronenrandes – nicht immer machbar und das Ergebnis ist auch im Seitenzahnbereich durch unterschiedliche Mukosadicken nicht immer wie gewünscht vorhersehbar.

Auch erfordern einteilige Implantate vor allem für die provisorische Phase während der Einheilzeit eine hohe Primärstabilität, welche insbesondere im weichen Knochen des Oberkiefers nicht immer zuverlässig zu erzielen ist. Eine exakte, den prothetischen Anforderungen entsprechende vertikale und horizontale Ausrichtung der Implantatposition – die im Übrigen immer anzustreben ist – ist hier unabdingbar, um ein Beschleifen des Implantates und damit das Risiko der Entstehung von Strukturschäden des gesamten Implantates zu vermeiden.

Für die Abformung sollte die neu entstandene hemidesmosomale Verbindung zwischen Implantat und Mukosa nicht mehr durch elektrochirurgische Freilegung oder das Legen von Fäden zur Darstellung der Implantatschulter zerstört werden müssen. Verschiedene Hersteller bieten daher Hilfsteile für die Abformung und Modellherstellung an. Dies ist jedoch nur möglich, wenn das Implantat nicht beschliffen wurde. In diesem Fall muss nach wie vor konventionell mit den beschriebenen Nachteilen abgeformt werden.

Realisierungen bei zweiteiligen Implantaten

Aus diesen Gründen geht der Trend hin zu zweiteiligen Systemen. Sie ermöglichen zunächst nach dem Eingriff eine unbelastete Einheilphase und vor allem die in Hinsicht auf augmentative Maßnahmen vorteilhafte gedeckte Wundheilung.

Abb. 3: Erschwerte Abformung – einteiliges oder zweiteilig verklebtes Implantat ohne Hilfsteile.
Abb. 3: Erschwerte Abformung – einteiliges oder zweiteilig verklebtes Implantat ohne Hilfsteile.

Bei den ersten zweiteiligen Systemen erfolgte die Abutmentverbindung – und das ist heute noch weitverbreitet – durch Verkleben des Abutments mit acrylatbasierten Zementen auf dem Implantat. Das Zementieren mit Glasionomer- oder Phosphatzementen ist wegen der Gefahr einer möglichen Lockerung des Abutments abzulehnen. Die Abformung kann wie bei einem einteiligen Implantat nach dem Verkleben des Abutments (Abb. 3) oder bereits vorher erfolgen. Eine extraorale Anpassung des Abutments wird hierdurch ermöglicht.

In beiden Fällen wird das zweiteilige Implantat nach dem Verkleben des Abutments zum einteiligen Implantat. Die Restauration kann folglich ebenfalls nur zementiert werden und ist im Falle einer eventuell notwendigen Anpassung nicht mehr reversibel oder flexibel.

Flexibel und reversibel ist einzig die Verschraubung von Abutment und Implantat, wie es auch für die restaurative Versorgung von Titanimplantaten gilt. Die Vorteile liegen auf der Hand: kein Risiko für Zementüberschüsse, einfaches Weichgewebsmanagement, Ausformung des Emergenzprofiles sowie einfache Reparatur- und Re-Entry-Optionen.

Die Verschraubung

Die Verschraubung zweiteiliger Keramikimplantate mittels der bisher üblichen Metallschrauben aus Gold oder Titan bringt wiederum neue Herausforderungen mit sich. Keramik ist auf Druck bekanntermaßen stärker belastbar als auf Zug. Eine Verschraubung kann jedoch solche für den Werkstoff Keramik ungünstigen Zugkräfte in das Implantat einbringen, was zu internen Spannungsspitzen führen kann. Durch Mikrobewegung der im Vergleich zur Keramik weicheren Schraube in dem harten Implantat- Innengewinde können zusätzlich Verschleiß und Abrieb an der Schraube entstehen. Die vom Hersteller angegebene Anzugskraft sollte daher beachtet werden – wie dies natürlich generell gilt.

Ein neuer Ansatz wird mit der Verschraubung durch Karbonschrauben präsentiert. Dabei sind in einer PEEK-Matrix Karbonfasern mit einem Volumenanteil von über 60 % eingebettet. Die Herstellung der Schraube erfolgt nicht durch Fräsen eines Rohlings, sondern durch thermoplastische Formgebung. Der Faserverlauf wird auf diese Weise nicht unterbrochen, sondern durchzieht den Schraubenkörper in voller Länge. Auftretende Kräfte werden somit vollständig aufgenommen und durch an den Flanken abgerundete Gewindegänge gleichmäßig im Implantatkörper verteilt. Diese Faktoren und das stabile Material ermöglichen einen besonders hohen Anzugstorque von bis zu 85 Ncm, wobei nur 35 Ncm für eine dauerhafte Verbindung benötigt werden. Bei dieser Anzugskraft wird die Schraube, ohne ihre Eigenschaften zu verlieren, leicht plastisch verformt und schmiegt sich hierdurch eng in die Gewindekontur des Implantates (Abb. 4).

Abb. 4: Schnittbild durch das Zeramex P6 Implantat: Abutment, Schraube, Implantat. Die Schraube schmiegt sich in die vorgegebene Kontur des Implantates und bildet durch zylindrische Passung mit dem Abutment eine Einheit. © Dentalpoint/Zeramex
Abb. 4: Schnittbild durch das Zeramex P6 Implantat: Abutment, Schraube, Implantat. Die Schraube schmiegt sich in die vorgegebene Kontur des Implantates und bildet durch zylindrische Passung mit dem Abutment eine Einheit. © Dentalpoint/Zeramex
Abb. 5: Original-Karbonschraube (schwarz) und Laborschrauben (rot für 4,1 mm Implantatdurchmesser, gelb für 3,3 mm Implantatdurchmesser).
Abb. 5: Original-Karbonschraube (schwarz) und Laborschrauben (rot für 4,1 mm Implantatdurchmesser, gelb für 3,3 mm Implantatdurchmesser).

Aufgrund der gewünschten plastischen Verformung ist die Karbonschraube nur für den Einmalgebrauch vorgesehen. Für Einproben und die Verarbeitung im Dentallabor sind analoge Laborschrauben verfügbar (Abb. 5). Diese sollten auch konsequent verwendet werden, da nur so Schraubenlockerungen durch vorzeitige Verformung und Funktionsverlust ausgeschlossen werden können. Belastungstests gemäß ISO 14801 (11 mm Hebelarm, 30 Grad gewinkelt, 3 mm simulierter Knochenverlust, Wasserbad 37 Grad Celsius) zeigten mit diesem Konzept auch nach 15 Millionen Zyklen (2 Hz) bis 420 Ncm weder Schraubenlockerungen noch Schrauben-, Abutment- oder Implantatfrakturen [28, 29, 30].

Abb. 6: Metallfrei verschraubte Klebebasis mit Orginal- und Laborschraube.
Abb. 6: Metallfrei verschraubte Klebebasis mit Orginal- und Laborschraube.

Der Vorteil dieser Methode ist, dass sowohl in der Zahnarztpraxis als auch im Dentallabor die von Titanimplantaten gewohnten Arbeitsabläufe nun auch für den Umgang mit Keramikimplantaten beibehalten werden können: unbelastete und gedeckte Einheilung, offene oder geschlossene Abformung, präzise Modellherstellung, Individualisierung der Abutments im Labor, metallfreie und reversible Verschraubung für fast alle Indikationen.

Hierzu gehört auch eine der heute meistverbreiteten Restaurationsvarianten in der Implantologie: die Versorgung mit einer zementfreien, verschraubten Klebebasis. Mit dem Konzept der Karbonschraube ist dies nun auch mit Keramikimplantaten metallfrei möglich (Abb. 6), wie es im folgenden Fall dargestellt wird.

Patientenfall

Eine 54-jährige Patientin stellte sich nach unfallbedingtem Verlust des Zahnes 25 mit dem Wunsch nach metallfreier Versorgung in unserer Praxis vor. Die Entfernung des Zahnes war ein Jahr zuvor alio loco erfolgt. Das Knochenangebot an der vorgesehenen Implantatposition war horizontal ausreichend, vertikal mit 7 mm im apikal-distalen Bereich in Nachbarschaft zum Sinus maxillaris leicht reduziert. Aufwendige Maßnahmen wie eine externe Sinusbodenaugmentation waren nicht erwünscht.

Insertion und Einheilung

Im Jahr 2014 wurde daher lediglich mit einer moderaten internen Sinusaugmentation ein Zeramex Plus Implantat (Dentalpoint, Zürich/Schweiz) mit der Länge 8 mm und einem Durchmesser von 4,1 mm inseriert (Abb. 7). Nach einer Einheilungszeit von 3 Monaten war das Implantat stabil osseointegriert. Es zeigten sich entzündungsfreie Weichgewebsverhältnisse, woraufhin mit der prothetischen Versorgung des Implantates begonnen werden konnte.

Abb. 7: Das Keramikimplantat in situ.
Abb. 7: Das Keramikimplantat in situ.
Abb. 8: Einprobe des Keramikabutments.
Abb. 8: Einprobe des Keramikabutments.
Abb. 9a-d: Laborseitige Herstellung der Restauration mit reduziertem Schraubenzugangskanal.
Abb. 9a-d: Laborseitige Herstellung der Restauration mit reduziertem Schraubenzugangskanal.

Das Abutment

Die vorgängige Einprobe des Abutments ergab Hinweise auf die Notwendigkeit einer Anpassung von Abutmentschulter und Abutmenthöhe (Abb. 8). Da der Nachbarzahn 26 ebenfalls neu versorgt und abgeformt wurde, erfolgte eine geschlossene Abformung mit Reposition des Abformpfostens. Im Dentallabor wurde mit Laborimplantat und Gingivamaske das Meistermodell auf üblichem Wege hergestellt. Das Abutment wurde gemäß den Erfordernissen an Kronenhöhe und Lage des Kronenrandes angepasst (Abb. 9a-d).

Überlegungen zur definitiven Restauration

Es wurde eine keramisch verblendete Einzelzahnkrone mit CAD/CAM-gestützt gefertigtem Zirkoniumdioxid-Gerüst gewählt. Dieses Vorgehen bietet den Vorteil, dass das individualisierte Abutment direkt gescannt werden kann. Ungenauigkeiten, die durch Scannen lediglich der Abutmentabformung entstehen können, wird so aus dem Weg gegangen. Auch monolithische Kronen aus Zirkoniumdioxid oder Hybridkeramiken wären mögliche Versorgungsalternativen.

Ist es gewünscht, die Schraube komplett entfernen zu können, muss die okklusale Zugangskavität der Krone einen Durchmesser von mindestens 3,3 mm aufweisen. Bei einem Molaren ist diese Dimension meist unproblematisch, für einen schmaleren Prämolaren ist sie jedoch oftmals zu groß. In einem solchen Falle wird die Schraube durch das Verkleben in die Konstruktion eingearbeitet. Es genügt dann eine Durchtrittsöffnung von 2,2 mm, welche gerade noch den Zugang für den Schraubendreher ermöglicht (vgl. Abb. 9a-d). Hierbei ist auf eine Gerüstunterstützung der Überhänge für die Verblendkeramik zu achten. Sollte die eingearbeitete Schraube ausgetauscht werden müssen, kann die Abutment-Kronen-Verklebung durch Erwärmung im Ofen bei 120 Grad Celsius einfach gelöst und in der Folge nach Auswechslung der Schraube neu geschaffen werden.

Die Verklebung der Krone mit dem Abutment

Nach der Einprobe erfolgt die Verklebung von Abutment und Krone entweder extraoral im Dentallabor oder, wie in diesem Falle, intraoral. Der Vorteil, im Patientenmund zu verkleben, liegt darin, dass auf diese Weise eventuell auftretende Spannungen zwischen Abutment und Implantat abgefangen werden können. Solche Spannungen können bereits durch die nicht ganz korrekte Reposition des Abformpfostens bei einer geschlossenen Abformung ausgelöst werden. Aber auch kleine Ungenauigkeiten bei der Gestaltung der Kontaktpunkte oder das wie bei jedem Implantatsystem mehr oder weniger vorhandene „Spiel“ zwischen Implantat, Abformpfosten, Laborimplantat und Abutment könnten solche Spannungen verursachen. Titan als elastisches Metall kann solche „Mikrospannungen“ eher ausgleichen als die harte, nicht elastische Keramik.

Für das Verkleben wird das Abutment mit der Originalschraube bei nur leichtem Anzugstorque per Hand auf dem Implantat befestigt. In unserer Praxis hat es sich bewährt, das Abutment bzw. den Schraubenkanal mit Teflonband zu verschließen (Abb. 10). Das Teflonband lässt sich fast schon plastisch modellieren, verschließt den Zugang dicht und kann einfach und rückstandsfrei entfernt werden. Überhänge oder die Unterfüllung sind dabei zu vermeiden. Nach hersteller- und materialgemäßer Konditionierung werden das Abutment und die Krone miteinander mit geeigneten Kunststoffzementen verklebt (Abb. 11). Dabei entspricht das Vorgehen demjenigen bei der Verklebung von keramischer Restauration mit einer Titanklebebasis. Nach dem Verkleben wird das Teflonband durch die Zugangskavität entfernt, die Krone wieder gelöst und der Zementüberschuss entfernt.

Abb. 10: Analog-Titanklebebasis mit zement- und metallfrei verschraubtem Keramikimplantat.
Abb. 10: Analog-Titanklebebasis mit zement- und metallfrei verschraubtem Keramikimplantat.
Abb. 11: Dichter Verschluss der Schraubenöffnung des Abutments mit Tefl onband.
Abb. 11: Dichter Verschluss der Schraubenöffnung des Abutments mit Tefl onband.

Die Eingliederung

Nach der Politur der Klebefuge kann die Restauration nun mit dem korrekten Torque von 35 Ncm eingegliedert werden. Der Schraubenkanal wird wiederum mit Teflonband verschlossen, was zusätzlich ein Durchschimmern der dunklen Schraube verhindert (Abb. 12a-c). Die Zugangskavität kann nun ebenfalls in üblicher Weise mit Komposit verschlossen werden. Das Ergebnis ist eine metallfrei verschraubte Einzelkrone (Abb. 13).

Abb. 12a-c: Einfache Zemententfernung nach Verkleben.
Abb. 12a-c: Einfache Zemententfernung nach Verkleben.
Abb. 13: Die Teile der Versorgung: Reversible, zementfrei und metallfrei verschraubte Einzelzahnkrone mit Keramikimplantat.
Abb. 13: Die Teile der Versorgung: Reversible, zementfrei und metallfrei verschraubte Einzelzahnkrone mit Keramikimplantat.
Abb. 14: Herstellung im digitalen Workflow.
Abb. 14: Herstellung im digitalen Workflow.

Vorausdenkend geplant

Sollten in der Folge wider Erwarten Probleme wie Chipping auftreten oder nachträgliche Farbanpassungen nötig werden, können diese, wie auch bei Titanimplantaten, auf einfache Weise korrigiert und revidiert werden. Selbst der Weg in den digitalen Workflow wurde durch die Möglichkeit der Verschraubung mit Scanbody und CAD/CAM-Bibliothek für alle exocad- und 3shape-Systeme bereits beschritten (Abb. 14).

Fazit

Im Vergleich zu Titanimplantaten besitzen Keramikimplantate noch eine geringere Evidenz, weitere Studien müssen folgen und Langzeiterfahrungen generiert werden. Dennoch lässt sich im Rahmen der aktuell bereits verfügbaren Daten feststellen (siehe angeführte Literatur): Keramikimplantate haben sich durch die Weiterentwicklung hinsichtlich Materialstabilität, Oberflächengüte, Oberflächengestaltung und Erfolgsraten den Titanimplantaten angenähert. Für das neue Zeramex P6 Implantat gilt dies nun auch für die restaurative Versorgung, da jetzt gewohnte chirurgische und prothetische Protokolle weitestgehend übernommen werden können. Daher stellen moderne Keramikimplantate bereits heute eine Ergänzung und Erweiterung des Behandlungsspektrums in der Zahnarztpraxis dar und werden folglich auch im Dentallabor eine zunehmende Rolle spielen.

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