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Die Formel individueller Restaurationen

Der Begriff „Prothetik“ wird im Allgemeinen als „Zahnersatzkunde“ übersetzt. Dabei ist diese Bezeichnung eigentlich überholt. Längst stehen uns Techniken und Werkstoffe zur Verfügung, die weit mehr zu leisten vermögen als einen bloßen Ersatz. Was wir heute wirklich wollen und können, ist individuell restaurieren. Die Natur gibt uns alles vor, was wir dafür benötigen. Wir müssen die Natur nur verstehen.

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Die Schlüssel zu einer natürlichen Restauration sind Funktion, Form und Ästhetik. In dieser Trias ist Ästhetik zu Form gewordene Funktion. Das umfasst sehr viel: Einen Zahn natürlich zu rekonstruieren, bedeutet nicht nur, dass die Restauration funktionieren oder zumindest nicht stören sollte.

Die Passung muss stimmen ebenso wie der Verbund zu der Restzahnsubstanz oder auch der Oberfläche eines individuell angefertigten Abutments. Ein keramisches Restaurationsmaterial sollte unauffällig allen Lichtverhältnissen standhalten, der Individualität des Patienten ist angemessen Rechnung zu tragen und vieles mehr.

Der Zahntechniker hat unter allen ihm zur Verfügung stehenden Optionen diejenigen zu wählen, die ihn bestmöglich bei der Umsetzung unterstützen. Dabei spielen werkstoffkundliche Überlegungen, persönliche Vorlieben und Fertigungsmethoden eine essenzielle Rolle. Nicht jedoch geht es um einen Wettstreit zwischen digital und analog.

Das Material der Wahl

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Mit den werkstoffkundlichen Fakten im Hinterkopf muss ich nicht lange überlegen, welches keramische Restaurationsmaterial meine 1. Wahl ist: Das Lithiumdisilikat der IPS e.max-Produktfamilie kommt dem natürlichen Zahnschmelz in puncto Biegefestigkeit und Härte am nächsten. So beträgt beispielsweise die mittlere biaxiale Biegefestigkeit über 10 Jahre beim Rohlingsmaterial IPS e.max CAD 530 MPa, bei der Variante IPS e.max Press 470 MPa.

Verschiedene Langzeitstudien belegen eine hohe Sicherheit und beeindruckende Zuverlässigkeit der Keramik; Ausfälle durch Frakturen und Chipping sind bei korrekter Verarbeitung kaum zu befürchten. Hinzu kommen ideale Abrasionswerte, die für eine ausgewiesene Antagonistenfreundlichkeit sorgen.

Basis für die verlässlich erzielbare Ästhetik sind die exzellenten lichtoptischen Eigenschaften, die dem natürlichen Vorbild nachempfunden wurden und äußerst vorteilhaft für die Farbwirkung sind. Das Gefüge von IPS e.max Press besteht aus ca. 70% Lithiumdisilikat-Kristallen, die in eine Glasmatrix eingebettet sind.

Die Hauptkristallphase Lithiumdisilikat liegt in Form nadelförmiger Kristalle mit einer Länge von 3 bis 6 ?m vor. Das besondere bei Lithiumdisilikat ist, dass die Transluzenz weder glasig noch zu milchig wirkt. So kommt bei der richtigen Grundfarbwahl der Chamäleoneffekt voll zum Tragen.

Pressen oder Fräsen?

Sowohl die Presstechnik als auch die CAD/CAM-Technik hat spezifische Vorzüge zu bieten; ich persönlich favorisiere jedoch aus verschiedenen Gründen das Pressen. Dabei spielt sicherlich eine Rolle, dass ich bereits auf langjährige Erfahrungen und viele Erfolge mit der konventionellen Methode zurückblicke. Ich schätze es, ohne Dimensionsverlust beim Modellieren zu arbeiten und die Ist-Situation direkt physisch zu erfahren.

Detailtreue und Passung lege ich beim analogen Arbeiten mit Wachs gleich zu Beginn an. Beim virtuellen Design können solche Feinheiten zwar geplant, jedoch verfahrensbedingt von der Maschine nicht 1:1 umgesetzt werden: Stichwort Fräserradiuskorrektur.

Letztlich muss die Restauration doch manuell ausgearbeitet werden. Speziell beim Umgang mit beispielsweise sehr scharfkantigen und stufenreichen Teilkronenpräparationen ist die Presstechnik klar im Vorteil, während das Leistungsvermögen einer Fertigungseinheit durch den Durchmesser des kleinsten Werkzeugs limitiert wird.

Mein Weg zur natürlichen Restauration

Modellation

Abb. 1: Natürliche Individualität erhält eine Restauration durch die Natürliche-Aufwachs-Technik (NAT) in Anlehnung an den Okklusalen Kompass. Seubert
Abb. 1: Natürliche Individualität erhält eine Restauration durch die Natürliche-Aufwachs-Technik (NAT) in Anlehnung an den Okklusalen Kompass.

Ich folge grundsätzlich der Natürlichen-Aufwachs-Technik (NAT) in Anlehnung an den Okklusalen Kompass, sowohl beim Modellieren in Wachs als auch beim Schichten (Abb. 1). Buntes Wachs sowie speziell für das Aufwachsen entwickelte Instrumente sind dabei praktische Hilfsmittel.

Und mir gefällt, dabei ganz vom Patienten und der Natur als Vorbild ausgehend selbst eine individuelle Lösung zu entwickeln, anstatt – um es mal provokant auszudrücken – eine Zahnkrone aus einer Datenbibliothek lediglich anzupassen, bis sie in die Lücke passt. Individualität gibt es in meinen Augen eben nicht vorgefertigt.

Einbetten

Die modellierte Krone platziere ich in der für IPS e.max Press Multi vorgesehenen Muffel. Ivoclar Vivadent bietet IPS e.max Press in einem großen Farb- und Transluzenzspektrum sowie als einfarbige und Multi-Pressrohlinge für Teil- und Vollkronen an. Letztere imitieren den natürlichen Zahnaufbau durch einen integrierten Farb- und Fluoreszenzverlauf vom Dentin zur Schneide – mit höherem Chroma und höherer Opazität im Zahnhals- sowie Dentinbereich und der gewünschten Transluzenz im Schneidebereich.

Abb. 2: Der zahnähnliche Aufbau von IPS e.max Press Multi erlaubt es, den Schmelz- und Dentinanteil der Restauration fallspezifisch zu steuern. Seubert
Abb. 2: Der zahnähnliche Aufbau von IPS e.max Press Multi erlaubt es, den Schmelz- und Dentinanteil der Restauration fallspezifisch zu steuern.

Der Verlauf ist sehr homogen und durch die Art des Anstiftens der Wachsobjekte kann gesteuert werden, wie viel Schmelz- oder Dentinanteil die Restauration erhält (Abb. 2). Das erspart dem Anwender das „Totmalen“ der Restauration.

Vor dem Einbetten sollte die Positionierung des Wachsobjekts mit einer Prüflehre kontrolliert werden. Auch der Vorwärmofen kann jetzt schon eingeschaltet werden, um während des Einbettens und Aushärtens auf die benötigte Temperatur anzusteigen.

Nachdem das Wachsobjekt mit Einbettmasse (hier IPS PressVest Premium, Ivoclar Vivadent) bedeckt ist, wird der Rüttler abgeschaltet – damit keine etwaigen Luftbläschen mehr aufsteigen – und der Rest der Muffel befüllt. Dann wird vorsichtig der Deckel auf die Muffel gesetzt und die Aushärtezeit kontrolliert.

Nach dem Aushärten kann die Muffel in den vorgeheizten Vorwärmeofen gestellt werden, auch wenn dieser noch nicht die Endtemperatur erreicht hat. So bleibt Zeit, um den Pressofen (hier Programat EP5010, Ivoclar Vivadent) samt den benötigten Materialien vorzubereiten.

Pressen

Beim Einsatz von IPS e.max Press Multi wird der IPS Multi One-Way-Plunger benötigt, der beim Pressen zwischen dem Rohling und dem IPS e.max Alox-Kolben platziert wird. Wer diese 3 Teile vorab in der richtigen Reihenfolge griffbereit am Pressofen aufstellt, läuft nicht Gefahr, im Eifer des Gefechts womöglich etwas zu vergessen (Abb. 3).

Abb. 3: Alles griffbereit – so erfolgt der Pressvorgang stress- und fehlerfrei. Seubert
Abb. 3: Alles griffbereit – so erfolgt der Pressvorgang stress- und fehlerfrei.

Ausbetten

Nach dem Pressen und Abkühlen der Muffel wird diese ausgebettet. Es darf jeder gerne seine eigene Technik entwickeln, die Herstellerangaben sollten dabei dennoch stets eingehalten werden (Abb. 4). An den groben Einbettmassestellen wird mit 50 µm Aluminiumoxid und 3 bar gestrahlt. Nähern wir uns dem Objekt, reduzieren wir den Druck auf 2 bar (Abb. 5).

Abb. 4: Auf der sicheren Seite ist, wer die Herstellerangaben befolgt – ob beim Einbetten oder in Sachen Reaktionsschicht. Seubert
Abb. 4: Auf der sicheren Seite ist, wer die Herstellerangaben befolgt – ob beim Einbetten oder in Sachen Reaktionsschicht.
Abb. 5: Nahe des Objekts sollte der Druck beim Ausbetten auf 2 bar reduziert werden. Seubert
Abb. 5: Nahe des Objekts sollte der Druck beim Ausbetten auf 2 bar reduziert werden.

Nachbearbeitung

Beim Thema Reaktionsschicht scheiden sich die Geister. Es gibt sogar Hersteller, die damit werben, dass ihre Einbettmasse die Reaktionsschicht auf dem Objekt verringert bzw. verhindert. Auf der sicheren Seite ist der Anwender, wenn er die Herstellerangaben zum verpressten Material beachtet (Abb. 4) – bei der Verarbeitung von IPS e.max Press Multi ist die minimale Reaktionsschicht somit in jedem Fall zu entfernen.

Dazu wird das abgestrahlte Objekt in einen Kunststoffbecher gelegt und mit IPS e.max Press Invex (Investment-Ex) Liquid komplett bedeckt. Der Becher wird verschlossen und für ca. 10 bis 30 Minuten in das Ultraschallgerät gestellt. Nach dem anschließenden Abspülen des Objekts ist ein weißlicher Schleier sichtbar: die Reaktionsschicht.

Abb. 6: Passung und Detailtreue sind beim Pressen auf Anhieb exzellent; funktionelle Anteile werden mit rotierenden Instrumenten eingearbeitet. Seubert
Abb. 6: Passung und Detailtreue sind beim Pressen auf Anhieb exzellent; funktionelle Anteile werden mit rotierenden Instrumenten eingearbeitet.

Sie wird mit 50 µm Aluminiumoxid bei 2 bar entfernt, dann liegt eine glatte Oberfläche vor. Mit einer geeigneten Trennscheibe wird der Presskanal entfernt und die Krone vorsichtig, ohne Druck, auf dem Stumpf aufgepasst. Nach Prüfung der approximalen und okklusalen Kontakte im Artikulator werden noch die Freiräume der simulierten Kaubewegungen kontrolliert und nachgebessert (Abb. 6).

Abschließend wird die Krone mit den richtigen Diamanten, Steinen und Gummis überarbeitet. Je nach Zustand des Restgebisses ist eine Politur ausreichend.

1. Malbrand

Wird der optionale Charakterisierungsbrand durchgeführt, gilt das Credo „Weniger ist mehr“. Wer Verfärbungen der Nachbarzähne oder auffällige Charakteristika in seiner Arbeit aufgreifen möchte, sollte dies mit dem Behandler besprechen. Mehr als das Akzentuieren von Schmelzleisten oder ggf. der Fissurentiefe ist zumeist nicht gewünscht.

Dafür lässt sich gut ein wenig Malfarbe (IPS Ivocolor, Ivoclar Vivadent) mit Glasurmasse mischen. Der abschließende Glasurbrand darf sehr dünn ausfallen. Dennoch empfiehlt sich stets eine finale Kontrolle von Bisshöhe und Kaubewegungen (Abb. 7a bis c).

Abb. 7a – c: Nach einer zurückhaltenden Charakterisierung mit Malfarben sind die Kronen fertig – dank Presstechnik bei minimalem Material- und Geräteaufwand. Seubert
Abb. 7a – c: Nach einer zurückhaltenden Charakterisierung mit Malfarben sind die Kronen fertig – dank Presstechnik bei minimalem Material- und Geräteaufwand.
Abb. 7b. Seubert
Abb. 7b.
Abb. 7c. Seubert
Abb. 7c.

Fazit

Die auf diesem analogen Fertigungsweg erzielbare Passung ist unübertroffen und es liegt auf Anhieb eine präzise 1:1-Umsetzung der Wachsmodellation in Vollkeramik vor. Die Anforderungen an Ästhetik, Form und Funktion werden in jeder Hinsicht optimal erfüllt, eben auch durch Materialeigenschaften, die sich den natürlichen Restzähnen und ihrem Abrasionsverhalten anpassen. Außerdem punktet die Presstechnik in Sachen Wirtschaftlichkeit.

Der geringe Material- und Geräteeinsatz geht mit ebenso geringen Investitionskosten einher. Auch fallen kaum Wartungs-, Update- und Servicekosten an. Die volle Wertschöpfung liegt beim Labor.

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