Die digitale Fertigung von Sekundärteleskopen

Sekundärteleskopkronen fräsen? Das geht! Jedoch ohne Nacharbeit, um z. B. die Friktion definitiv einzustellen, ist das nach Meinung der Autoren dieses Beitrages nicht möglich. Denn um eine genaue Abzugskraft von 8-10 N direkt aus der CNC-Maschine zu bekommen, wird das Fräsergebnis von zu vielen Faktoren beeinflusst. Diese werden im Folgenden mit ihren Auswirkungen beleuchtet. Zusätzlich soll der hierfür speziell kreierte Workflow, vom Zahnarzt über den Zahntechniker zum Patienten, aufgezeigt werden.
Im Zuge unserer Bemühungen um Sekundärteleskope haben wir festgestellt, dass deren digitale Fertigung etwas Umdenken in der sogenannten analogen Welt erfordert, sowohl die Zahnmedizin als auch Zahntechnik betreffend. Anhand der im Folgenden gezeigten zwei Teleskoparbeiten wollen wir unseren Workflow Schritt für Schritt darstellen. Dabei ist zu beachten, dass dieser von uns beschriebene Weg auf unser eigenes Team von Zahnarzt und Zahntechniker zugeschnitten ist und somit für jedes einzelne Behandlungsteam individuell abgeändert werden muss.
Am Anfang aller zahntechnischen Bemühungen steht die Präparation durch den Behandler (Abb. 1). Dieser sendet nicht nur die hiervon erstellte Abformung (Abb. 2) ins Labor, sondern hat bereits eine optimale Kiefergelenk- und Okklusionsbestimmung erarbeitet und schickt uns auch eine Bissnahme. Mit dieser wird das Sägemodell lagebezüglich artikuliert (Abb. 3). Anschließend erfolgt nun das Erstellen der Primärkronen (Abb. 4 u. 5).
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Abb. 2: Bissnahme durch den Behandler.
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Abb. 3: Sägemodell mit Biss artikuliert.
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Abb. 4: Digitale Primärkonstruktion.
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Abb. 5: Mit Wachs modelliert.
Die Primärkronen und ihre Passung
Ob bei der Anfertigung der Primärkronen nur mit der CAD-Software konstruiert wird oder diese via Wax-up analog modelliert und dann digitalisiert werden, ist mehr dem persönlichen Geschmack jedes einzelnen Anwenders geschuldet. Die allgemein gültigen Regeln der Primärkronen-Herstellung sollten aber auf jeden Fall beachtet werden. Diese möchten wir hier nicht weiter erläutern, sondern als gegeben voraussetzen. Es ist jedoch für die Friktionsherstellung sehr wichtig, möglichst eine standardisierte Primärkronenform zu wählen. Dies bedeutet, möglichst immer dieselben Parameter zu verwenden. Dabei ist es unerheblich, wie diese aussehen – es ist die Gleichmäßigkeit, die erst den Versuch einer Friktionsreproduzierbarkeit ermöglicht.
In unserem Labor haben wir drei Grundtypen von Primärkronen erarbeitet, welche wir mit verschiedenen Einstellungen bei der Sekundärkronenfräsung hinzuziehen (Abb. 6-8). Daher finden sich diese Grundtypen in leichten Variationen in all unseren Teleskoparbeiten wieder und die Friktion kann, aufgrund der gesammelten Erfahrungen, relativ leicht über die Parameter angepasst werden. Sind die Primärkronen gefräst, gehen sie zusammen mit einem Kunststoffbiss inklusive Frontzahnaufstellung sowie einem individuellen Löffel in die Zahnarztpraxis. Dieser Behandlungsschritt dient dann der Herstellung eines Meistermodells sowie zur Überprüfung der Bisssituation und der Frontzahnstellung. Denn speziell bei großen Teleskoparbeiten ist die eigentliche Anprobe mehr als ein Fertigstellungstermin zu sehen: Ein Teleskopgerüst lässt sich, ist es erst einmal verblendet, de facto kaum mehr stark in der Höhe verändern, ohne den Verblendungsschritt wiederholen zu müssen (Abb. 9-11).
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Abb. 6: Primärkrone – im Frontzahnbereich …
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Abb. 7: … im Prämolarenbereich …
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Abb. 8: … und im Seitenzahnbereich.
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Abb. 9: Fall 2 – IPrimärkronen im Mund.
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Abb. 10: Biss-Überprüfung.
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Abb. 11: Überprüfung der Biss- und Frontzahnästhetik.
Somit kann nach erfolgter Einprobe und Überabformung der Primärkronen gleich zur Herstellung der definitiven Konstruktion übergegangen werden. Auf das klassische Nachbearbeiten der Primärkronen möchten wir hier nicht eingehen, da sich dies seit vielen Jahren nicht verändert hat.
Der nun folgende Schritt, das Digitalisieren der nachbearbeiteten Primärkronen, kann zum einen mithilfe eines taktilen Scanners erfolgen (Abb. 12); dieser bietet den Vorteil, durch sein Abtasten die exakte Wiedergabe der Primärkronenoberfläche zu ermöglichen. Zum anderen erlaubt aber auch ein konventioneller optischer Scanner ein sehr gutes Ergebnis, wenn die Parameter auf das immer notwendige Entspiegelungsspray eingestellt werden. Für uns haben sich in zahlreichen Versuchen zwei Varianten von Entspiegelungsspray als gut herauskristallisiert: Das eine ist ein Okklusionsspray, welches durch seine gecoateten (oberflächenbeschichteten) Pigmente eine Korngröße von 4 ?m aufweist (Abb. 13 u. 14). Oder wir verwenden aufgrund des leichteren Reinigens Zirkoniumdioxid-Pulver, welches beim Fräsen als Abfall anfällt (Abb. 15 u. 16). Nach diesem Digitalisierungsschritt beginnt in der CAD-Software nun die Gestaltung der Sekundärkonstruktion.
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Abb. 12: Taktiler Scanner.
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Abb. 13: Primärkrone mit aufgetragenem Okklusionsspray...
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Abb. 14: … und das digitalisierte Ergebnis.
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Abb. 15: Primärkrone mit aufgetragenem Zirkoniumdioxid-Pulver …
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Abb. 16: … und das digitalisierte Ergebnis.
Aber Achtung, wir sehen dreidimensional!
Wenn in diesem Arbeitsvorgang ohne Wax-up gearbeitet wird, besteht die Gefahr, durch den Ansichtsmodus der CAD-Software ein etwas anderes Ergebnis zu erhalten als vielleicht im analogen Weg durch die Modellation per Wachsmesser. Hier muss man beachten: Alle CAD-Software-Lösungen bieten dem Anwender zwar einige Hilfsmittel, um den Abstand der Kiefer zueinander möglichst realistisch darzustellen (Abb. 17 u. 18) – was auch sehr gut gelingt –, jedoch im ästhetischen vollanatomischen Bereich kann es durch den meistens verwendeten parallelen Ansichtsmodus zu Verzerrungen kommen. Denn wenn unser Technikerauge auf eine reale dreidimensionale Arbeit im physischen Artikulator schaut, sehen wir, dass Linien nicht parallel bleiben, sondern sie laufen auf Fluchtpunkte zu, denn dieses perspektivische Sehen sind wir gewohnt. Dieser Effekt kann in der digitalen Konstruktion am zweidimensionalen Bildschirm, speziell im anatomischen Bereich, zu merkwürdigen Verzerrungen in der endgültigen Arbeit führen … die wir im Anschluss durch verstärktes Nacharbeiten an der gefrästen Sekundärteleskoparbeit beheben müssen (Abb. 19 u. 20). Einige CAD-Software-Lösungen ermöglichen es dem Anwender, zwischen paralleler und perspektivischer Ansicht hin und her zu schalten. Was zu empfehlen ist, wenn nicht mit einem Wax-up gearbeitet wird (Abb. 21 u. 22).
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Abb. 17: Abstandsmessung mithilfe der Linealfunktion (rot).
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Abb. 18: Abstandsmessung mit Querschnitt.
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Abb. 19: Parallele Ansicht – Zahnbogen etwas flacher.
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Abb. 20: Perspektivische Ansicht – Zahnbogen mehr gekrümmt.
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Abb. 21: Sekundärkronen in Wax-up konstruiert.
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Abb. 22: Sekundärkronen reduziert.
Die Friktion – Erfahrungen und eigene Versuche
Von Vorteil ist, dass neben der reinen Konstruktion in der CAD-Software bereits jetzt die Friktion der gefrästen Arbeit bestimmt werden kann. Wir erledigen diesen Schritt über die Option, den Spacer-Bereich festzulegen sowie die Dicke des Spacers zu definieren. Damit ist es möglich, individuell und schnell jede einzelne Sekundärkrone in Bezug auf Friktion zu bearbeiten. Dieser Vorgang lässt sich mithilfe der CAM-Software unterstützen, indem dort die Fräsbahnstrategien z. B. in Bezug auf Zustellung verändert werden (Abb. 23). Jedoch versuchen wir, in der CAM-Software und den sogenannten Templates nichts zu verändern. Wir benutzen vielmehr hier ein Template, welches für besonders glatte Oberflächen entwickelt wurde, und steuern die Friktion lieber in der CAD-Software. Aus unserer Sicht bietet diese Lösung für den Anwender mehr Vorteile, als sich auch noch mit der Template-Generierung auseinandersetzen zu müssen. Denn der Weg zum Erfolg sollte sich möglichst einfach und reproduzierbar darstellen. Nur einmal sollte man sich mit der CAM-Software befassen: nämlich um den Werkzeugweg deutlich zu verkürzen und in der CNC-Maschine den Modus „Schwesterwerkzeug“ zu aktivieren (Abb. 24).
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Abb. 23: CAM-Software.
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Abb. 24: Bedienoberfläche der CNC-Maschine Datron D5.
Zahlreiche Versuche haben ergeben, dass die Laufzeit des Werkzeuges entscheidend für die Reproduzierbarkeit der oben genannten Modifikationen ist. In ca. 30 Fräsungen der immer gleichen Brücke konnte von uns festgestellt werden, dass sich mit unserem Weg nach 3-5 gefrästen Teleskopsekundärkronen die Friktion abnehmend bis unkalkulierbar verändert hatte, was bei einer großen Teleskopbrücke als sehr kritisch anzusehen ist.
Um dem entgegenzusteuern, kommt hier die Laufzeitverkürzung des Werkzeuges und das Einwechseln eines Schwesterwerkzeuges zum Tragen (Abb. 25 u. 26). Nach einer grundsätzlich notwendigen leichten Einstellung der endgültigen Friktion kann die Arbeit ganz konventionell verblendet bzw. fertiggestellt werden (Abb. 27-30).
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Abb. 25: Fall 1 – noch im Blank.
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Abb. 26: Nach leichter Friktionseinstellung mit dem Gummi; die Ränder wurden noch nicht nachgearbeitet.
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Abb. 27: In situ, okklusale Sicht.
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Abb. 28: In situ. Im UK ist noch eine Teleskopbrücke in Planung.
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Abb. 29: Fall 2 – In situ, okklusale Sicht.
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Abb. 30: In situ. Im UK ist noch eine neue VMK-Brücke in Planung.
Ein letzter Hinweis: Da in unserem Laboralltag immer häufiger Teleskoparbeiten aus Nichtedelmetallen auftreten, lag es nahe, uns in diesem Zuge auch mit der Thematik gefräster Transversalbügel zu befassen, da nicht alle Teleskoparbeiten ohne Transversalbügel zur Stabilisierung auskommen. Hier liegt das Problem allerdings in der Wirtschaftlichkeit, denn technisch machbar sind sie allemal.
Fazit
Bereits vor dem Fräszeitalter wurden Konstruktionen als Teleskope – auch großspannig – mittels Gusstechnik hergestellt. Dies erforderte große Erfahrung und handwerkliches Geschick – und doch war es jedes Mal wieder sehr spannend, bis die Frage geklärt war, ob das gegossene Teil Spannungen oder Lunker aufweist. Auch das Ausarbeiten und Polieren solcher Arbeiten war und ist nicht ohne. Die Themen Verzug und inhomogene Legierung sind mit der Frästechnik verschwunden. Darum können heute NEM-Teleskoparbeiten sogar mit Friktion gefertigt werden. Aber es gehören, wie bei den gegossenen Arbeiten, auch im digitalen Bereich Erfahrung, Wissen und zahntechnisches Können dazu.