Möglichkeiten und Potenziale der digitalen Prothetik

Derzeit wird bereits ein erheblicher Teil der prothetischen Arbeiten im digitalen Verfahren hergestellt. Dieser Anteil und die Geschwindigkeit der digitalen Entwicklung werden sich zukünftig weiter erhöhen. Die Palette der Indikationen reicht dabei von der Herstellung einfacher Kronen und Brückengerüste bis zu komplexen Versorgungen auf Implantaten. ZTM Josef Schweiger, Leiter des zahntechnischen Labors an der Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik der LMU München, gibt hier einen Überblick über jüngste Entwicklungen. An vielen ist er selbst beteiligt.
Auch im Bereich der herausnehmbaren Prothetik sind mittlerweile sehr interessante Lösungsansätze erkennbar. So erstreckt sich hier das Spektrum vom digital konstruierten Modellguss (Abb. 1), der anschließend mittels additiver Verfahren (Lasersintern, 3D-Druck) in eine Realgeometrie umgesetzt wird, bis hin zur digital hergestellten Totalprothetik. Allerdings muss hier sicherlich die Einschränkung gemacht werden, dass sich die meisten dieser Ansätze derzeit noch im Prototypenstadium befinden. Es ist noch erheblicher Entwicklungsaufwand notwendig, um hier perfekte technische Lösungen anbieten zu können, die in der Materialqualität und in der Wirtschaftlichkeit zu den derzeit vorhandenen analogen Verfahren konkurrenzfähig sind.
Ganz anders sieht es bei den adjustierten Aufbissschienen aus. Diese können mittlerweile mit einer sehr hohen Effizienz durch die CAD/CAM-Technologie aus Industrierohlingen in reproduzierbar hoher Qualität und Passgenauigkeit gefertigt werden. Insbesondere die Wiederholbarkeit bei einer Schädigung der Schiene bildet einen enormen Vorteil gegenüber der bisherigen analogen Technik. An der Zahnklinik der LMU München wurde auf der Basis dieser digitalen Aufbissschienen das Konzept der „Zahnfarbenen vollanatomischen Aufbissschienen“ (Abb. 2) entwickelt, welche bei Veränderungen der vertikalen Dimension (VDO) den Schritt zwischen Schienentherapie und langzeitprovisorischer Phase effizienter gestalten könnten.
Die computergestützte Konstruktion (CAD = Computer Aided Design) und die anschließende Fertigung mittels rechnergestützter Fertigungssysteme (CAM = Computer Aided Manufacturing) bietet sich insbesondere auch für vollanatomische Restaurationen an. Die Materialpalette für diese Restaurationsart wird durch neue Entwicklungen sowohl im Bereich der oxidischen Hochleistungskeramiken als auch im Bereich der Glaskeramiken, Kunststoffe und Hybridmaterialen ständig erweitert. Darüber hinaus bieten digitale Verbundsysteme, bei denen die Teile einer Restauration aus verschiedenen Werkstoffen gefertigt und anschließend miteinander verbunden werden, neue Möglichkeiten mit herausragenden Festigkeitswerten. Diese sogenannte „Multilayering Technologie“ (Abb. 3 u. 4), ebenfalls eine Entwicklung aus der Zahnklinik der LMU München, kann dabei mit verschiedenen Materialvarianten ausgeführt werden, wie beispielsweise durch die Kombination aus Zirkoniumdioxid-Gerüsten mit Lithium-Disilikat- Verblendungen oder durch Kobalt-Chrom-Gerüste mit Hochleistungspolymeren bzw. Kompositmaterialien. Hier sind sicherlich zukünftig weitere neue und interessante Kombinationen zu erwarten.
Zwei Vorteile resultieren aus dieser Multilayering-Technologie: Zum einen sind es werkstoffkundliche Vorzüge, welche sich in höheren mechanischen Werten widerspiegeln, zum anderen sind es ökonomische Aspekte, welche eine Reduktion der Kosten für die Erstellung der Verblendungen bewirken.
Ganz neue Möglichkeiten bieten sogenannte Zahnstrukturdatenbanken (Abb. 5), mit deren Hilfe beispielsweise Dentinkernkronen oder Dentinkernbrücken gefertigt werden können (Abb. 6). Das Grundprinzip dieser neuen und patentierten Technologie (siehe auch unter www.ztm-aktuell.de/dentinkernverfahren) besteht darin, dass es einen mathematisch definierbaren Zusammenhang zwischen der Zahnaußenform (OES = Outer Enamel Surface) und dem Dentinkern (DEJ = Dentin-Enamel-Junction = Dentinschmelzgrenze) gibt. Dies dient als Vorbild für ein innovatives CAD-Verfahren und schafft neue Möglichkeiten für naturidentischen Zahnersatz mittels digitaler Frästechnik und 3D-Druck.
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Abb. 5: Zahnstrukturdatenbanken, ebenfalls eine Entwicklung der Zahnklinik der LMU München, werden zukünftig ganz neue Ansätze zur Fertigung von ästhetischem Zahnersatz bieten.
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Abb. 6: Die Dentinkernkrone kann aufgrund des mathematisch definierbaren Zusammenhangs zwischen der Zahnaußenform und dem Dentinkern im CAD-Verfahren konstruiert und mittels digitaler Frästechnik oder 3D-Druck gefertigt werden.
Auf der Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft Dentale Technologie (04.-06. Juni 2015) wird ZT Josef Schweiger näher auf das Thema „Möglichkeiten und Potenziale der digitalen Prothetik“ eingehen.